Landwirtschaft

Bei Mudau: Brachte Wolf Rinderherde in Panik?

Eine Rinderherde gerät bei Friedrichsdorf so sehr in Panik, dass sie brüllend etwa sechs Kilometer zurücklegt. Ein Tier ist verschwunden, zwei sind auf der Flucht gestorben. Der Kuhhirte Leon Scholl gibt dem Wolf die Schuld, das zuständige Amt nicht.

Von 
Martin Bernhard
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Wie viele Wölfe gibt es im Odenwald? Nach offiziellen Angaben nur einzelne Tiere. Kuhhirt Leon Scholl geht von mindestens einem Rudel aus. © dpa/Michael Buholzer

Mudau/Neckar-Odenwald-Kreis. Dramatische Szenen müssen sich am Morgen des 29. November im Haintal bei Eberbach-Friedrichsdorf abgespielt haben. 30 bis 40 Schottische Hochlandrinder des Kuhhirten Leon Scholl aus Schloßau legten in Panik etwa drei Kilometer bis zum Beginn des Tales zurück, durchbrachen dort einen Elektrozaun und rannten rund drei Kilometer weiter auf der Landstraße bis nach Keilbach. Dort bildete sich ein Stau aus 30 bis 40 Fahrzeugen. Ein Anwohner informierte Scholl telefonisch über die laut brüllenden Rinder.

Als der Kuhhirte am Ort des Geschehens eintraf, bot sich ihm ein erschreckendes Bild: Die Tiere waren kaum zu beruhigen. Zwei lagen verendet auf Weide und Straße, augenscheinlich unverletzt. Ein weiteres Rind war unauffindbar. Der Hirte trieb die Herde zurück nach Friedrichsdorf und brachte sie dort in einem Unterstand unter. Ein Nachbar erzählte ihm, dass er die Tiere noch nie so panisch erlebt habe: „Die haben gebrüllt ohne Ende.“

Herde durch Zaun gesichert

Für Leon Scholl ist klar: Das müssen mehrere Wölfe gewesen sein. „Ein Hund würde die Rinder nicht so in Panik bringen“, sagt er. „Die Rinder merken sofort, ob ein Hund sie jagt oder ein Wolf.“ Auch ein Holz-Lkw, Radfahrer oder Jogger würden das nicht schaffen. Und auch vor Wildschweinen hätten seine Tiere keine Angst. Die Herde sei durch einen Elektro-Netzzaun mit der vorgeschriebenen Höhe von 90 Zentimetern vor dem Wolf gesichert gewesen, sagt Scholl. Jetzt überlegt er sich, ein mobiles Zaunsystem anzuschaffen. Herdenschutzhunde will sich Scholl noch nicht zulegen. Denn diese seien sehr aggressiv. „Da könnte ich nachts nicht mehr schlafen“, befürchtet er.

Die nächste Zeit werden die Tiere im Unterstand bei Friedrichsdorf bleiben. Erst wenn der neue Zaun geliefert ist, will er sie wieder im Haintal weiden lassen. Der Kuhhirte ist davon überzeugt, dass Wölfe auf der Gemarkung Oberzent heimisch geworden sind. So habe er vor einiger Zeit gerissene Hirschkälber gefunden und ein komplett abgenagtes Jung-Wildschwein.

Die Verantwortlichen beim Wolfzentrum Hessen in Darmstadt, das zum „Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie“ gehört, sehen das anders. Auf FN-Anfrage informiert die Behörde, dass man eine Beteiligung des Wolfes an dem Fall „mit hinreichender Sicherheit ausschließen“ könne. Denn man habe vor Ort keine Wolfsspuren und kein gerissenes Tier vorgefunden. Deshalb habe man keinen Abstrich abnehmen und nach Gen-Spuren untersuchen lassen können. „Für das Verhalten der Rinder können verschiedene Ursachen denkbar sein. Ohne konkrete Hinweise wären diese aber reine Spekulation“, schreibt die Behörde.

In diesem Jahr habe man fünf Mal einen Wolf im Odenwaldkreis nachweisen können, davon vier Mal bei Oberzent, ein Mal bei Mossautal. „Gemäß bundesweit geltender Monitoringstandards gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass im Odenwald sesshafte Wölfe leben“, teilt das Amt mit. Man gehe davon aus, dass es sich bei den Wölfen um Durchzügler gehandelt habe.

Jan Egenberger, Pressesprecher des Neckar-Odenwald-Kreises, schreibt auf Anfrage, dass in diesem Landkreis kein Wolf sesshaft geworden sei. Der letzte bestätigte Wolfriss stamme vom April 2021, und zwar von dem Wolf „GW1832m“. Dieses Tier lebe nicht mehr.

Tagelang nach Rind gesucht

Leon Scholl ist davon überzeugt, dass das fehlende Rind Opfer des Wolfs geworden ist. Tagelang habe er nach dem Tier in den Wäldern im Grenzgebiet von Hessen und Baden-Württemberg gesucht. Die insgesamt drei Rinder, die er durch den Vorfall verloren hat, seien zwischen zweieinhalb bis dreieinhalb Jahre alt und damit schlachtreif gewesen. Der 36-Jährige bestreitet seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf des Fleisches seiner naturnah und nachhaltig gehaltenen Rinder. „Dieses Jahr kann ich leider kein Rindfleisch mehr liefern“, teilt er seinen Kunden mit. Mit einer Entschädigung des Staates kann er nicht rechnen, weil man keinen Wolfsriss nachweisen konnte. „Somit geht ein mieses Jahr noch mieser zu Ende“, schreibt er.

Kuhhirte Leon Scholl. © M. Bernhard

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