Kulturkirche Unterschüpf

Unterschüpf: Menschlichkeit und Güte belohnen sich selbst

Das Inklusionstheater „Sprungbrett“ vom Üttingshof präsentierte das Märchen „Sterntaler“ der Brüder Grimm in neuem Gewand.

Von 
Renate Henneberger
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Im Kloster herrscht Hochstimmung: Die Mönche beschließen, die Klosterpforte zu öffnen um das wirkliche Leben draußen kennenlernen (von links: Jannik Bauer, Frank Dimler, UIrich Lauterbach, Michael Illig und Leon Weber). © Renate Henneberger

Unterschüpf/Üttingshof. „Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück“. Eine 2017 veröffentlichte, großangelegte Studie der Uni Zürich erbrachte den wissenschaftlichen Beweis, dass der alte Poesiealbum-Spruch recht hat. Untersucht wurde der Zusammenhang von Glück und Großzügigkeit – herauskam, was die meisten Menschen schon selbst erfahren haben: Anderen eine Freude machen, bereichert das eigene Leben und erweckt Glücksgefühle.

Der Herz berührenden Geschichte von dem armen kleinen Mädchen, das für sein Mitleid und seine Güte reich belohnt wird, hat Anna Christina Harandt einen neuen Anstrich verliehen. In „Die Sterntaler und das Funkeln des Glückes“, ihrer Version des Grimms Märchens, ist Sterntaler, gespielt von Mia Koziel, eine himmlische Fee. Mit ihrer Schwester Silvi (Nina Herbst) blickt sie hinab auf die Erde und fasst den Entschluss, durch das Sternentor hinunterzufliegen, um zu sehen, wo sie helfen könne. Sie lässt ihre märchenhafte Herkunft hinter sich und wird zu einem mittellosen Mädchen. Mit den Augen des Herzens schaut sie auf die Armut der Menschen, auf ihre Verletzlichkeit, ihr Versagen, ihre Bedürftigkeit.

Hilfsbereitschaft zieht weite Kreise

Auf der Bank an der Straße sitzt eine obdachlose Bettlerin. Die Aussteigerin – authentisch gespielt von Delilah Döhner – hat trotz des rauen Lebens auf der Straße die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht verloren: „Man wird doch mal träumen dürfen.“ Das prächtige Sternenkleid, das ihr Sterntaler schenkt, passt wie angegossen und verändert ihr Leben. Mit geübtem Blick erkennt Designerin und Influencerin Vivienne (Ulrike Ziegler), dass die Sache Potenzial hat. Eben noch bettelarm auf der Straße und plötzlich eine erfolgreiche Jungunternehmerin in einem gemeinsamen Startup Business? „Ist halt ein modernes Märchen“, mag mancher denken. Doch Hilfsbereitschaft - spontan, lebendig, aktiv - kann etwas bewirken und zieht weite Kreise.

Wer Professor Dr. Steinbach-Mattenbeck, alias Frank Scheufele, als Arzt hat, kann sich glücklich schätzen: Treffsichere Diagnosen, null Terminprobleme, kein überfülltes Wartezimmer - denn der Professor kommt, stets in Begleitung der taffen Krankenschwester Anna (Anna Herbst), höchst persönlich zu seinen Patienten, die auf der Straße leben. Heilpraktikerin Kamilla (Monika Schumann), eine abenteuerliche Mischung aus Alchimistin und Zauberin, ist gerade von einem „Fortbildungsseminar“ zurückgekehrt und testet ihr neuerworbenes Wissen. An ihrem Kollegen von der Schulmedizin lässt sie kein gutes Haar. Sie hat ihre eigenen Heilmethoden. Genaueres möchte man lieber nicht wissen.

Pater Michael (Michael Illig) schreitet Spenden sammelnd die Reihen der überraschten Zuschauer ab: Ratlosigkeit - soll man da jetzt etwas geben? Was macht er mit dem Geld? Eine berechtigte Frage, wenn sie nach Sinn und Zweck fragt und nicht nur nach dem Nutzen, genau gesagt nach dem Profit. „Ich will wissen, in was ich mein Geld investiere“, sagt ein Herr und drückt sich eilig an dem Pater vorbei. Herr Intri-Gant ist der Prototyp eines Managers, stets einen Deal am Laufen – rastlos, getrieben von der Sucht nach Geld und Erfolg. Gerade ist ihm ein Geschäft geplatzt, das schon so gut wie eingetütet war. Seine Laune ist im Keller, der Blutdruck in der Höhe. Was für eine Sch…! Erst der Ärger mit der Aktivistin (Bettina Friedmann), die ihm eine Patenschaft für Bedürftige aufs Auge drücken will, dann springt ihm die Schön-Färber (Bärbel Reinhard) in letzter Minute ab. Stelzt die falsche Schlange ungerührt mit ihrem sündhaft teuren Prada-Fummel durch Not und Leid und lässt ihn eiskalt abblitzen! Angeblich hat sich eine „lukrativere Investition“ aufgetan – in ein völlig unbekanntes Modelabel „Sterntaler“.

„Ein Mensch, der in allem nur seinen Vorteil sucht, kann nicht glücklich werden“, denkt die kluge Alice. Sie sorgt sich um ihren Vater: „Hör nicht immer nur auf deinen Verstand, sieh‘, was aus dir geworden ist.“ Der leidenschaftliche Dialog ist eine der emotionalsten Szenen des Stückes - Ulrich Lauterbach und Sophia Witzel in der Rolle von Vater und Tochter.

Ein Stück Himmel auf die Erde holen

Gleich nebenan im Kloster befinden sich die Mönche gerade in strenger Klausur – das heißt, eigentlich sind sie das immer. „Wir wissen gar nicht mehr, was draußen abgeht“, konstatiert Mönch Uli (Ulrich Lauterbach). Nach anfänglicher Skepsis (Was bahnt sich hier an? Eine zweite Reformation? Gar eine Kirchenspaltung?) gibt Prior Frank (Frank Dimler) zu: „Wir müssen mal raus und uns in der Welt umsehen.“ Im Kloster herrscht Hochstimmung. Die Aktion „Offene Klosterpforte“ schlägt voll ein und reißt auch Pater Michael (Michael Illig), Mönch Leon (Leon Weber) und den sich in Schweige-Exerzitien befindenden Bruder Jannik (Jannik Bauer) mit. Das ist es! Das Gebot der Nächstenliebe draußen anwenden und mit Leben füllen!

„The child within has always been there like a shining star“, heißt es in dem Lied aus dem Musical „Wonderland“. Wunderbar ergänzen sich die klaren Mädchenstimmen aus dem Chor der St.-Bernhard-Schule mit der schönen, ausdrucksstarken Stimme der Solistin June Weber: Dieses Sterntaler-Kind ist und lebt in dir. Du trägst den Himmel im Herzen, an dir ist es, ein Stück davon auf die Erde zu holen.

Begeisterter Beifall macht deutlich: Dem Theater „Sprungbrett“ vom Üttingshof ist es in der Kulturkirche Unterschüpf gelungen, sein Publikum in die alte und doch ewig gültige, zeitlose Geschichte mitzunehmen. Bei der Rollenbesetzung hat Regisseurin Frederike Faust eine glückliche Hand bewiesen. Mühelos ist es den Schauspielern gelungen, in die verschiedenen Rollen zu schlüpfen und die Vielzahl der unterschiedlichen Charaktere so überzeugend und echt auf die Bühne zu bringen, dass sich mancher darin wiederfinden kann.

In Liebe endet die Geschichte, „denn die Liebe ist ein wundervoller Feinstoff.“ Jetzt ist es endgültig an der Zeit, die Taschentücher hervorzuholen. „Wir sind Sternenstaub und Zeit und Traum verschwimmt“ – ganz leise klingt in dem gefühlvollen Lied die Frage an: Was bleibt von mir, wenn ich einst wieder zu Sternenstaub werde? Albert Schweitzer gibt die Antwort: „Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen“.

Herr Intri-Gant (Ulrich Lauterbach) mit seiner lebensklugen Tochter Alice (Sophia Witzel). © Renate Henneberger

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