Bobstadt/Main-Tauber-Kreis. Ein großes Waffenarsenal wurde bei dem SEK-Einsatz in Bobstadt vor gut zwei Wochen sichergestellt. Die FN fragten bei Innenminister Thomas Strobl nach, wie er den Einsatz wertet und welche Gefahr seiner Einschätzung nach von der Szene der Reichsbürger ausgeht.
Lage rasch entschärft
„Die Einsatzkräfte und die Einsatz-Verantwortlichen haben in Bobstadt eine gefährliche Lage mit höchster Professionalität rasch und effektiv entschärft. Es ist gut und richtig, zur Klärung solcher Lagen das ,große Besteck’ bereit zu haben. Allein schon die Schüsse auf Polizeibeamte, dass der Beschuldigte sofort das Feuer eröffnet hat, zeigen klar, wie absolut richtig und vorausschauend es war, das SEK einzusetzen“, so der Minister. Sein Dank gelte allen Beamten, die vor Ort waren. Die Lage in Bobstadt habe wieder einmal gezeigt, wie wichtig es sei, die Polizei vom Streifenbeamten bis zu den Spezialkräften bestens auszustatten. Dem verletzten Polizeibeamten zolle er Respekt und wünsche ihm eine schnelle und vollständige Genesung.
Nach Aussage seines Ministeriums verteilt sich die Reichsbürgerszene in etwa gleichmäßig auf alle Regierungsbezirke, wobei keine Hotspots – also auch nicht im Raum Main-Tauber-Kreis – erkennbar seien. Das Landesamt für Verfassungsschutz schätzt, dass bei rund zehn Prozent der Szeneangehörigen ein positives Verhältnis zu Gewalt vorhanden sei und sie den Einsatz von Gewalt also mindestens befürworteten. Eine gefestigte, über Jahre gewachsene Ideologie im Zusammenspiel mit einem als existenziell wahrgenommen staatlichen Eingriff stelle dabei ein erhöhtes Risiko für eine gewaltsame Eskalation dar. Der Verfassungsschutz des Landes schätzt die Bedrohungslage durch die „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als hoch ein. Begründet wird dies mit einer Waffenaffinität bei gleichzeitig hohem Gewaltpotenzial innerhalb der Szene. Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitimen Staat an und lassen sich von staatlichen Maßnahmen deshalb auch nicht beeindrucken. Zu Verstößen gegen die geltende Rechtsordnung seien sie bereit, weil der Staat Deutschland in ihrer Vorstellung gar nicht existiere.
Innenminister Thomas Strobl: „Baden-Württemberg geht konsequent gegen Reichsbürger vor. Reichsbürger leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und unseren Rechtsstaat, das macht sie brandgefährlich. Deshalb bekommen Reichsbürger seit 2017 keine waffenrechtlichen Erlaubnisse mehr und bereits erteilte Genehmigungen werden, wo irgend möglich, widerrufen. Es gilt seit fünf Jahren in Baden-Württemberg: keine Waffen in Händen von Extremisten.“
Seither seien von mehr als 400 Waffen extremistischer Waffenbesitzer die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen worden. „Jede eingezogene Schusswaffe ist eine Schusswaffe weniger in der Hand eines Extremisten – und damit eine Gefahr weniger“, sagt der Innenminister. und fügt an: „Die Reichsbürgerszene haben wir fest im Blick, der Verfassungsschutz beobachtet die Reichsbürger mit zwei hellwachen Augen.“
Derzeit würden dieser Szene rund 3300 Menschen zugerechnet. Im vergangenen Jahr sei die Tendenz klar nach oben gegangen, was mit Protesten gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Verschwörungstheorien einherginge. „Um die Reichsbürgerszene noch besser aufklären zu können, habe ich das Landesamt für Verfassungsschutz organisatorisch gestärkt: Mit neuen Stellen und den dadurch ermöglichten Aufbau einer eigenständigen Abteilung ,Rechtsextremismus und -terrorismus, Reichsbürger und Selbstverwalter’“, erläutert der Innenminister.
Heterogene Szene
Insgesamt ist die Szene heterogen und besteht überwiegend aus Einzelpersonen. Nur etwa ein Fünftel der Milieuangehörigen seien nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz in Zusammenschlüssen organisiert. Die aktuell aktivsten und personenstärksten Gruppierungen seien „Bismarcks Erben“ oder der „Vaterländische Hilfsdienst“ und die „Verfassunggebende Versammlung“.
Im Umgang mit Reichsbürgern – etwa in der Nachbarschaft – empfiehlt das Ministerium, achtsam zu sein. Rechtsverstöße sollten der Polizei gemeldet werden. hvb
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