Bad Mergentheim. Walter Kohl, das ist der "Sohn von Kohl". Und eine Menge mehr. Am vergangenen Freitag nutzten fast 150 Besucher die Möglichkeit, den Unternehmer, Autor und mittlerweile auch Lebensberater beim Publikumsdialog im kleinen Kursaal persönlich zu erleben.
Walter Kohls Vater: Übermächtig, meist abwesend, kaum greifbar, aber massiv prägend. Im Hause Kohl richtete sich alles nach dem engen Terminplan des Vaters, des Kanzlers. Als "Sohn vom Kohl" war Außenseiterexistenz vorgegeben - in der Schule, in den Ferien, bei der Bundeswehr, während des Studiums.
Neid hier, offene Feindschaft da; schon in der Grundschulzeit kam durch die Mitschüler ungefiltert an, was in den jeweiligen Elternhäusern gehalten wurde von dem CDU-Mann auf dem Weg nach oben. Man wird auch als Kind schon in Mithaftung genommen für das, was Eltern tun, sind, haben.
Im Falle Walter Kohl, Jahrgang 1963, war's schlicht unmöglich, dem regelrecht omnipräsenten väterlichen Ordnungsblick zu entrinnen. Einer, der 16 Jahre Kanzler ist, schaut einen noch im entlegensten Winkel der Welt von einem Zeitschriftencover an. Die Bürde wuchs im "Hochsicherheitstrakt mit Schulanschluss."
Aus solchen Umständen unbeschadet ins Leben zu starten: Schwierig. Da muss man einiges beiseite packen - verdrängen. Das kann geraume Zeit gut funktionieren. Ungelöste Konflikte vergleicht Walter Kohl mit Wasserbällen: Die kann man auch ziemlich lange unter der Wasseroberfläche festhalten - aber irgendwann ermüden die Arme, und dann, flutsch, springen sie nach oben.
Bei ihm deutete sich das ab 2001 an, als er selbst noch in der persönlichen Trennungskrise steckte und die Kanzler-Familie nicht nur durch die CDU-Spendenaffäre, sondern auch durch den Freitod der Mutter, bis dahin, wie Walter Kohl in seinem ersten Buch eindrücklich berichtete, familiäre "Kümmerer-Instanz", gebeutelt wurde. Da war mehr zu tragen, als gut war - und aller Einsatz überdeckte nur zeitweise die innere Leere.
Es galt, aufzuarbeiten. Im stillen Kämmerlein, in Gesprächen mit Freunden machte er sich an die Arbeit. 2008 gab er sein erstes öffentliches Interview, 2011 legte er mit "Leben und gelebt werden" ein 270 Seiten starkes Buch vor - keine Biographie, doch prall gefüllt mit biographischen Notizen; kein Ratgeber, doch eine Beschreibung der "Schritte auf dem Weg zur Versöhnung" mit dieser Last.
Das Buch wurde Bestseller, es folgten Vortragseinladungen, TV-Auftritte - und im vergangenen Jahr ein zweites Buch mit rund 200 Seiten. Der Titel: "Leben was du fühlst. Von der Freiheit, glücklich zu sein. Der Weg der Versöhnung." Für ihn ist es ein Praxisbuch, mit dem er Erfahrung teilen will - ebenso wie mit den Vorträgen, Seminaren und Coachings, mit seinem "Zentrum für eigene Lebensgestaltung".
Auf dem Weg der Versöhnung geht es ihm um die Versöhnung mit der eigenen Vergangenheit. Walter Kohl ist ein mitreißender Referent, der gekonnt auf Vorstellungsbilder setzt: Da gibt es das Bild vom Wasserball; den Kreisverkehr, bei dem ein jeder selbst die "Ausfahrt" wählen kann; den mit alten Wackersteinen vollgepackten Lebensrucksack; und "Felix", der durch die Reihen wandert: Drei Gesichter hat die seidenweich gearbeitete Holzskulptur: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Wer sich nicht durch den Druck der Vergangenheit im Jetzt blockieren lassen wolle, der müsse sich den alten Lasten und den daraus entstandenen Glaubens- und Handlungsmustern stellen.
"Man kann dem eigenen Schatten nicht entkommen, bevor man nicht Licht in seine Vergangenheit gebracht hat", schreibt er in seinem Praxisbuch. Die Altlast des Nachtragens führt er mit einem Freiwilligen aus dem Publikum vor: Einen schweren Stein schleppt der dem immer wieder ausweichenden Kohl hinterher. Wird schwer mit der Zeit, diese Last, die man doch auch ablegen könnte.
Fünf Schritte hat Walter Kohl selbst getan, um zum inneren Frieden zu kommen. Es gelte, das akute Anliegen klar zu definieren - etwa, sich nicht mehr durch die Mobbingattacken des Chefs verletzen zu lassen. Dazu gehöre zweitens, schlicht "alles auf den Tisch zu legen" - auf den ganz privaten Tisch, im Brief an sich selbst etwa.
Dann könne man, drittens, den Energiewandel erleben - sofern es gelingt, zum schmerzlichen Gefühl das Gegengefühl auszumachen, sich hineinzuspüren. Da steht der Angst Mut gegenüber, der Wut Gelassenheit, der Kränkung Stärke, der Scham die Freiheit, auszusprechen. Und viertens könne man "einen Friedensvertrag mit sich selbst" schließen, um, fünftens, neue Kraft für den Alltag zu gewinnen und "Kapitän des eigenen Lebens" zu werden.
Walter Kohl, der "Sohn vom Kohl": Er teilt mit seinem Vater Statur, Präsenz, den Wunsch zu lenken. Er aber lenkt nicht Partei, Land, Weltgeschick, er lenkt sein Unternehmen, sein ganz privates Lebensschiff - mit sichtlich Spaß an dieser Freiheit.
"Das können Sie auch", gibt er dem Publikum mit auf den Weg. Kohl, Helmut: der Staatenlenker. Kohl, Walter: der Ermutiger.
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