Wie würde der ehemalige Kindergarten am Wachbacher Ritterplatz aussehen, wenn man Architekturstudenten freie Hand gäbe, hier ein barrierefreies Rathaus zu schaffen?
Wachbach. Antworten auf diese spannende Frage gab es gestern in dem Bad Mergentheimer Stadtteil. "Wir sehen hier Visionen. Ob diese umsetzbar sind, ob die Stadt Geld investiert oder investieren kann, ist eine andere Frage", kommentierte der Wachbacher Ortsvorsteher Hermann Dehner dann bei der Präsentation der Masterarbeiten der acht Architekturstudenten der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt.
Innovative Gestaltung
Die Aufgabe, die es zu bewältigen gab, war umfangreich, aber klar: Die Schaffung eines barrierefreien Rathauses im Gebäude des alten Kindergartens am Ritterplatz und die innovative Gestaltung des umliegenden Geländes. Betreut wurden die Projekte von Professor Christian Baumgart und Professor Diplomingenieur Wolfgang Fischer. Die Idee für diese kreative Synthese hatte Ortschaftsrätin Swantje Popp. Die Studenten hatten bei ihren Planungen "vollkommen freie Hand", erklärte Professor Baumgart und betonte zugleich die besondere Leistungsstärke dieses Jahrganges.
"Empfindsamkeit" wichtig
Professor Fischer führte aus, dass man bei der Bewertung drei Schwerpunkte gesetzt habe: Die handwerklich gute Arbeit, aber auch die "Empfindsamkeit", wie er es nannte: "Ein Gespür dafür, was an dem Ort ist, was ich mir für den Ort wünsche". Außerdem sei es wichtig, eine Idee zu entwickeln: "Was will ich, was meine ich, was ist eine wichtige Aufgabe für diesen Ort".
"Wachbach ist ein Ort mit viel Potential", stellte Studentin Franziska Barth in ihrer Präsentation fest. Momentan fehle jedoch ein Ortsmittelpunkt, der Ritterplatz weise nur eine geringe Aufenthaltsqualität auf. Sie legte in ihrer Arbeit daher besonderen Wert darauf, diesen Mittelpunkt zu schaffen und einen Bezug zum Wachbacher Schloss herzustellen.
Eine klar definierte Ortsmitte ist auch Kern des Ansatzes von Ulrich Weis. Hierfür soll der Verkehr dezimiert und das Wohnen im Ortskern gefördert werden. Eine Kulturscheune soll für öffentliche und kulturelle Angebote geschaffen werden und ein Dorfladen die Grundversorgung der Bewohner sichern. "Neue Heimat für Traditionen", ist der Ansatz von Sven Kling. Das Gebäude des alten Kindergartens sei ein Unikat in Wachbach und eigne sich daher als attraktiver Ort der Begegnung. In seinem Plan soll eine höhengestaffelte Anordnung der Gebäude deren jeweilige Wertigkeit zum Ausdruck bringen. Rebekka Dellermann erdachte eine "Bunte Mitte Wachbach" mit einem Ortszentrum, "das für alle da ist" und den Gedanken symbolisiert, "dass in Wachbach jeder willkommen ist". Neben der Verwaltung soll es eine Touristeninformation geben. Ergänzt werden soll das Gesamtgebäude durch den Anbau einer Kulturscheune. Um die Attraktivität für private Investoren zu steigern, soll im Schloss ein Hotel sowie Gastronomie Einzug halten.
Leerstände reaktivieren
Nadine Böhnleins Ansatz sieht die Reaktivierung der Leerstände in Wachbach vor sowie den Erhalt von Denkmälern. Damit soll die Infrastruktur aufgewertet werden. Von dem künftigen Rathaus sollen "Schallwellen für die ganze Ortschaft ausgehen". Um das Alleinstellungsmerkmal des Rathauses zu erhalten, verzichtet sie auf einen Anbau, ergänzt das Gebäude aber mit einem gläsernen Aufzug. In ihrer Präsentation nahm sie auch Bezug auf die Programme der Städtebauförderung, durch die sich die Kosten reduzieren lassen. "Mitte Wachbach - Aktiv, lebendig, vital", war die Grundidee von André Dorscheid.
Schloss als Tagungshotel
Zur Attraktivitätssteigerung sollen neben dem Rathaus unter anderem eine Stadtteilbibliothek, ein Café, ein Stadtteilarchiv sowie eine Apotheke den Platz bereichern. Zugleich soll die Blickbeziehung zwischen Rathaus und Schloss gewährleistet sein, um damit eine Synergie herzustellen. Das Schloss stellt sich Dorscheid als Tagungshotel mit Restaurant vor. Für den freien Platz dahinter hat er einen Trimm-Dich-Pfad vorgesehen. Dieser ließe sich, wie im Saal festgestellt wurde, wohl gut mit der Idee von Max Rühling, der leider verhindert war, verbinden, aus dem Schloss eine Klinik für "Burnout"-Patienten zu machen. Denise Reichert stellte ihre Planungen unter das Motto "Der Ritterplatz - Eine Ortsmitte für Wachbach". Sie schlug einerseits eine Verdichtung des Platzes vor, andererseits eine Öffnung hin zu Schloss und Kirche sowie die Schaffung von Grünflächen. Ihre Planungen beinhalteten ein Energiekonzept. Trotz ihrer Innovationskraft wurde bei allen Planungskonzepten Wert auf die Erhaltung der Substanz und die besondere Materialität des alten Kindergartens gelegt.
Positive Resonanz
Die Konzepte stießen bei den Zuhörern im Saal auf positive Resonanz. "Wir haben heute Abend schöne, aber auch realisierbare Ideen gesehen", so Swantje Popp. Daher würden diese Visionen für die Ortskernentwicklung auch weiterverfolgt werden. Der Ortschaftrat wählte deshalb aus den Arbeiten die aus seiner Sicht drei besten Vorschläge und prämierte sie. Platz eins ging an Ulrich Weis, Platz zwei an Rebekka Dellermann und Platz drei an Denise Reichert.
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