Vereinsleben

Warum der TV Bad Mergentheim positiv in die Zukunft schaut

Bundesweit kämpfen Vereine mit sinkenden Mitgliederzahlen. Demgegenüber steht bei Sportvereinen ein positiver Trend, auch in Bad Mergentheim. Warum das so ist.

Von 
Simon Retzbach
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Nachwuchsgewinnung ist in den Vereinen ein großes Thema. In Bad Mergentheim gelingt das, wie hier in der Karateabteilung. © TV Bad Mergentheim

Bad Mergentheim. Mit Trends und Verallgemeinerungen ist es so eine Sache. Allzu leicht verfällt man, je nach Thema, in grenzenlosen Optimismus oder ebenso starken Pessimismus. Schaut man auf die Vereine, so haben viele Grund für letzteres: Die Mitgliederzahlen gehen zurück, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung in Form eines Vorstandsamts sowieso. Da wäre es allzu leicht, das Vereinsleben pauschal ‚abzuschreiben‘. Ein regelmäßiges Ausüben von Hobbys in der Gruppe zu festen Zeiten? Ehrenamtliches Engagement nach Feierabend? Ist das noch zeitgemäß?

Fragt man Thomas Beiersdorf, lautet die Antwort ganz klar „ja“. Beiersdorf ist Vorsitzender des TV Bad Mergentheim, dem sportlichen ‚Fast-Alles-Könner‘ der Kurstadt. Den vielerorts angestimmten Abgesang auf das Vereinsleben trägt er nicht mit, ganz im Gegenteil. „Die Leute kommen wieder verstärkt in die Vereine“, ist er überzeugt. Sein eigener Verein ist ihm für diesen Befund das beste Beispiel. Selbst während Corona gab es einen dreistelligen Mitgliederzuwachs („die Leute haben nach Halt gesucht“), auch jetzt ist die Bilanz der Ein- und Austritte von Jahr zu Jahr positiv.

Der TV Bad Mergentheim

  • gegründet wurde der Verein im Mai 1862, er hat aktuell 14 Abteilungen.
  • zum Jahresende 2024 waren 1756 Personen Mitglieder des Vereins, darunter mit 896 mehr Frauen als Männer (860). Im März 2025 waren es schon 40 Mitglieder mehr.
  • seit einigen Jahren steigt die Mitgliederzahl wieder an, nachdem zwischen 2006 und 2020 die Tendenz negativ war.
  • die Turnabteilung ist die größte Abteilung des Vereins mit knapp 600 Mitgliedern. Es folgen Ju-Jitsu (250) und Volleyball (200).
  • 975 Mitglieder sind über 18 Jahre alt, 781 sind jünger als 18 Jahre (Stand Dezember 2024).

Da stellt sich natürlich die Frage: Warum ist das so, was ist das Erfolgsgeheimnis des TV Bad Mergentheim? „Das kann man mit einem Wort zusammenfassen: Begeisterung“, beantwortet Beiersdorf die Frage im FN-Gespräch kurz und knapp. Um dann doch noch etwas weiter auszuholen: „Der Schlüssel sind unsere Ehrenamtlichen und Übungsleiter, ohne sie geht es nicht. Und die sind wirklich alle mit einem riesigen Enthusiasmus dabei und machen einen tollen Job.“ Es sei faszinierend, wie jedes Rädchen ineinandergreife. Und auch, wie selbst in schwierigen Zeiten, wie etwa der Corona-Pandemie, besondere Ideen auf die Beine gestellt wurden, um den Betrieb auch mit Einschränkungen am Laufen zu halten. So gaben die Übungsleiter beispielsweise kurzerhand Trainingseinheiten vor der heimischen Webcam, um die Verbindung zu den Sportlern nicht abreißen zu lassen.

Hervorheben will Thomas Beiersdorf dabei ausdrücklich niemanden, am allerwenigsten sich selbst. Zwar ist er bereits seit 2006 Vorsitzender, wurde mehrfach wiedergewählt, sieht sich selbst aber nur als „ein Mitglied des Vereins mit weiterem Ehrenamt.“ Einer von Vielen also, die sich einbringen. Der Vorsitzende sieht sich dabei als Ansprechpartner und Unterstützer der jeweiligen Abteilungsleiter, die zugleich großes Vertrauen und entsprechende Handlungsspielräume haben. So überlegt sich jede Abteilung eigene Konzepte, um Nachwuchs zu gewinnen. Erfolgreiches wird dabei dann gerne in anderen Abteilungen übernommen. Wer dabei Unterstützung oder Anregungen braucht, findet in Beiersdorf einen engagierten Ansprechpartner.

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„Begeisterung“ – das Wort fällt im Gespräch mit Beiersdorf noch recht häufig. Man merkt: Er selbst lebt es vor, brennt für den Verein. Circa zwei Stunden investiert er täglich in die ehrenamtliche Arbeit („das muss man wollen“), im Hauptberuf ist er Lehrer an der Gewerblichen Schule Bad Mergentheim. Der richtige Mann also, um auch nach den jungen Menschen zu fragen. Sind sie besonders schwer für einen Sport im Verein und eine Mitgliedschaft zu begeistern? Beiersdorf verneint das. Bei ihnen würden die gleichen Strategien funktionieren wie bei den älteren Jahrgängen.

Zentrale Strategie ist die Mundpropaganda. „Schüler bringen Mitschüler, Kollegen bringen Kollegen mit“, beschreibt er. Dieser persönliche Kontakt sei „sehr wichtig, mindestens so sehr wie die sozialen Medien“. Der Wille sei auch bei jungen Menschen da, das Sport machen im Verein daher mitnichten ein Auslaufmodell. Davon profitiert laut Thomas Beiersdorf auch die Gesellschaft, denn: „Hier lernt und erlebt man, was für die Gesellschaft wichtig ist: Gemeinschaft, Fairness, Akzeptanz und Respekt.“

Das klingt überraschend simpel, scheint aber in Bad Mergentheim mit Blick auf die Zahlen zu funktionieren. Der Vorsitzende ist durch seine Funktion auch überregional vernetzt, hört oft von den Sorgen der anderen Vereinsvorsitzenden. „Ich habe den Eindruck, wir sind auf einem anderen Weg als viele Vereine“, zieht er ein Fazit. „Man muss sich als Vereinsvertreter immer hinterfragen, ob man zu 100 Prozent hinter der Sache steht. Denn wenn ich selbst nicht von einer Sache begeistert bin, wie will ich dann andere begeistern?“, fragt er sich.

Wenn dann mal alle begeistert sind, kann so ein Verein eine wunderbare Sache sein. So beschreibt es der langjährige Vorsitzende, der selbst nach einem Umzug 2002 nach Löffelstelzen schnell den Weg in den Verein fand. „Das war wie eine Familie“, blickt er auf die Zeit zurück, als er Teil der Badminton-Abteilung wurde. Noch eine Sache, die ihm weiterhin wichtig ist: „Hier ist man keine Nummer im Verzeichnis, wir sind eine Gemeinschaft.“ Um das zu betonen, richten die Abteilungen viele eigene Aktionen wie etwa ein Zeltlager oder Turniere aus.

Dabei sollte man auch gedanklich in Bewegung und flexibel bleiben. „So lange wir uns bewegen, bewegt sich auch der Verein“, fasst es Beiersdorf zusammen. Heißt konkret: Immer wieder offen sein für Neues, Dinge stets auf den Prüfstand zu stellen. Die Vorstandschaft des Vereins habe sich verjüngt „und wird sich weiter verjüngen, die Gespräche dazu laufen schon“, ergänzt der Vorsitzende mit einem gewissen Stolz. Und auch eine neue Abteilung soll es geben. Genaueres will er noch nicht verraten, nur so viel: „Das ist was Exotisches, das gibt es so in der Region noch nicht.“

Redaktion

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