Spaziergang Stadtbäume

Vielen Bäumen in der Kurstadt fehlt schlicht der Platz zum Gedeihen

Eva Müller über die Schwierigkeiten, bei der Stadtplanung alle Seiten zu berücksichtigen

Von 
Hans-Peter Kuhnhäuser
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Bad Mergentheim. Was alles zu bedenken ist, wenn in der Stadt vorhandene Bäume erhalten und neue gepflanzt werden sollen, was das mit dem Stadtklima, dem Klimawandel und der Landesgartenschau zu tun hat, erfuhren am Montagnachmittag die rund 40 Teilnehmer des Spaziergangs „Stadtbäume“, der von der Stadt- und Landschaftsplanerin Eva Müller geführt wurde.

Der Klimawandel ist da – und er sorgt auch in Gärtnerkreisen und bei Planern für viel Bewegung. Schließlich wird es auch in Bad Mergentheim immer wärmer – genauer gesagt heißer im Sommer und noch dazu trockener. Regen fällt zunehmend schnell in großen Mengen, die Trockenphasen werden immer länger. Das „spüren“ auch die Bäume entlang der innerstädtischen Straßen. Die Stadt „klimafest“ zu machen, ist eine Herausforderung, und ohne Bäume und Großsträucher geht es nicht. Dazu aber gilt es, zu erkennen und festzulegen, wo und wie man handeln kann. Einfach irgendwo ein paar Bäume zu pflanzen, reicht nicht aus, zumal diese auch entsprechend Platz und Raum benötigen und selbst „klimafest“ sein müssen.

Den Blick geschärft

Vorab: Eva Müller gelang es, die Teilnehmer umfassend zu informieren. Hochkompetent, gleichzeitig pädagogisch geschickt und einfühlsam gelang es der Stadt- und Landschaftsplanerin, die Teilnehmer für das Thema zu sensibilisieren und deren Blick zu schärfen.

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stv
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Über den Unteren Graben ging es in die Mörikestraße – auf den ersten Blick eine wunderbare Allee. Die Linden bilden schöne Kronen, doch es muss Raum bleiben, damit Abgase abziehen können – deshalb ist kein geschlossenes Laubdach vorhanden und auch nicht erwünscht. Was Müller schnell „rüberbringt“: Wurzeln brauchen Platz, und der ist (nicht nur) in der Mörikestraße äußerst knapp. Und so wird der Konflikt Straße, Verkehr, Parkplätze und Fußwege deutlich. Was den Wurzelraum angehe, so Müller, gebe es Richtlinien: Zwölf bis 75 Kubikmeter – je nach Baumart und Lebensdauer – sollten angestrebt werden. Doch dieser Raum „ist einfach nicht vorhanden“ – dafür nötig wäre ein entsprechender Rückbau der Asphaltfläche. Und das ist nicht nur in der Mörikestraße ein Problem.

Hundeklo

Weiter geht es über die Eichendorff- und Schillerstraße zum Mühlwehrkreisel. Auch hierbei wird schnell klar: Fast überall fehlt der eigentlich nötige Wurzelraum, ein Baum ist gar rundum zuasphaltiert. „Man wundert sich, wie der überhaupt so groß werden konnte und noch lebt“, meinte ein Teilnehmer.

Eva Müller machte noch darauf aufmerksam, dass so mancher Baumstamm „weiß eingepinselt“ ist – eine Maßnahme, die Hitze abhalten soll. „Ab 41 Grad stockt das Eiweiß, der Baum stirbt ab.“ Diese Temperatur wird an heißen Tagen bei entsprechender Sonneneinstrahlung durchaus erreicht. Und weiter: „Auch Autos bleiben gelegentlich an einem Baum hängen, Vandalismus, Müll und die Nutzung als Hundeklo sind weitere Probleme.“ Was den Bäumen ebenfalls Schwierigkeiten machen kann, ist der Unterbewuchs.

Ins Herz der Altstadt

Klar, die Hagebutten sehen schön aus, aber sie nehmen den Baumwurzeln einiges ab. Und schließlich seien sie ja schon immer da, also erhaltenswert. „Die Mergentheimer haben halt ein Problem mit Veränderungen“, so Müller. Mehr Information könne helfen, das Problembewusstsein zu stärken. Bei den Teilnehmern jedenfalls kommt die Botschaft an – einer macht deutlich, dass er zwar Mergentheimer sei, gleichwohl notwendige Veränderungen begrüße.

Weiter geht es zum Hans-Heinrich-Ehrler-Platz, also mitten hinein ins Herz der Altstadt. „Die Mergentheimer lieben ihn“, weiß Müller und verweist auch hier auf das Grundproblem: „Platz für Bäume oder Parkplätze“, beides ist nur schwer unter einen Hut zu bringen. Und noch mehr kommt hinzu: Unter allen Straßen und Plätzen verläuft eine Vielzahl von Leitungen – für Neuanpflanzungen ein großes Hindernis. Ein Ziel müsse es deshalb sein, die Leitungen „zusammenzulegen“, denn das schaffe Platz im Untergrund. Müller machte deutlich, dass es „viele Möglichkeiten gibt“ und sie nennt das „Stockholmer Modell“ für Pflanzungen im öffentlichen Raum. Kurz: „Man muss und kann entsprechend bauen, aber dazu sind umfangreiche Abstimmungsprozesse mit allen Beteiligten nötig.“

Überdies: Mittel des Landes und des Bundes gibt es für viele Maßnahmen – etwa Sanierung - nur noch, wenn der Klimaaspekt entsprechend berücksichtigt wird. Von daher sei die Landesgartenschau ein wirksamer Hebel, und der Rahmenplan Gartenschau greife dies bereits auf.

Schatten fehlt

Beim Blick in die Funkengasse auf die dort vor etwa acht Jahren gepflanzten Hainbuchen wird ein weiteres Stadtbaumproblem deutlich: Der vorhandene Raum für die Baumkronen ist begrenzt, allzu „ausladend“ dürfen Bäume an solchen Orten also nicht sein. Auch dies gilt es bei der Auswahl der zu pflanzenden Bäume zu bedenken.

Auf dem Marktplatz schließlich wird deutlich, „dass man bei mehr als 30 Grad den Schatten sucht“. Den aber muss man mitbringen, denn der Platz ist frei und sollte – etwa wegen Wochenmarkt oder Stadtfest – auch frei bleiben. So bleiben Pflanzkübel oder Fassadenbegrünung als Möglichkeiten. Letztere ist aber wegen der alten Gebäude keine wirkliche Lösung.

„Zisternen unter dem Pflaster, um das Regenwasser aufzufangen und später zum Gießen zu nutzen“ seien aber eine realistische Möglichkeit, auch auf dem Marktplatz etwas fürs Stadtklima zu tun. Denn: „Aus der Tauber werden wir zukünftig kaum noch Wasser zum Gießen entnehmen können“, verwies Müller auf die Folgen des Klimawandels. Zisternen seien ganz generell ein wichtiger Beitrag, doch auch dabei stelle sich das Problem der unterirdischen Leitungen, machte Müller klar. Beim Gang zum Münster sagte Müller, dass sie sich für diesen Spaziergang einen „heißen Tag“ gewünscht habe, denn so würde deutlich werden, dass es hier „spürbar kühler“ ist als etwa auf dem Marktplatz. Der Grund: Der Platz, die Bäume und der Schatten durch die hohen Gebäude.

Beim Gänsmarkt schließlich musste Müller auch auf ein „neues“ Problem aufmerksam machen. Mit den hier beim Spital stehenden Mehlbeeren dachte man, einen klimafesten Baum gefunden zu haben.

Verwundungen vemeiden

„Leider müssen wir feststellen, dass nichts mehr sicher ist. Der Klimawandel schlägt zu. Die Mehlbeeren im ganzen Stadtgebiet gehen ein, wir versuchen aber, sie soweit wie möglich zu erhalten.“ Eine „Impfung“ gebe es nicht, die Bäume seien also, wenn sie erst einmal entsprechend ‚verwundet‘ seien, höchst gefährdet. Es gelte also, diese Verwundungen zu vermeiden. Dazu gehören auch Rückschnitte, die allerdings wegen der Verkehrssicherheit unumgänglich sind.

Und wo sie schon beim Verkehr war, machte die Garten- und Stadtplanerin auch auf die Bedingungen in der Innenstadt aufmerksam: „Kinder, Senioren, Menschen mit Behinderungen, Radfahrer, Lieferverkehr, Busse und auch die privaten Kraftfahrer – sie alle müssen bei allen Planungen mitbedacht werden, ebenso wie die Leitungen im Untergrund.“

Die Frage „wo kann ich im öffentlichen Raum überhaupt Bäume pflanzen, und wenn ja, welche“ beschäftige auch die Mergentheimer Stadtverwaltung.

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