Bad Mergentheim. Die Sanierung des Gänsmarktes steht voraussichtlich im November auf der Tagesordnung des Gemeinderates. Die Straßenführung wird dann auch zementiert. Das hat Konsequenzen für viele weitere Altstadtgassen. Die FN-Redaktion wollte deshalb wissen, wie die Ratsfraktionen und der Oberbürgermeister zu einzelnen Fragen stehen.
Es antworteten Thomas Tuschhoff für die Grünen, Jochen Flasbeck für die Freien Wähler, Jordan Murphy für die SPD sowie für die beiden FDP-Vertreter Professor Hans-Werner Springorum und zudem Oberbürgermeister Udo Glatthaar. Für die CDU-Fraktion schickte Andreas Lehr eine zusammenfassende Stellungnahme, statt einzelner Antworten auf die gestellten Fragen.
Wie zufrieden sind Sie mit den Verkehrslenkungsentscheidungen in der Innenstadt?
Grüne: Mit den Maßnahmen sind wir grundsätzlich zufrieden. Allerdings sind manche, wie zum Beispiel die Fahrradstraße, noch nicht umgesetzt. Positiv ist, dass es mehr Platz für den Fußverkehr gibt und Radfahren entgegen der Einbahnrichtung erlaubt wurde, negativ die schlechte Verkehrsmoral und die fehlende Barrierefreiheit.
Freie Wähler: Vor ca. 40 Jahren war die Burgstraße noch befahrbar und wurde dann Fußgängerzone. Die jetzigen Lenkungsmaßnahmen sind nicht immer optimal, aber auch daran werden wir uns gewöhnen. Die Verkehrsberuhigung des Gänsmarktes ist gut.
SPD: Gut gelungen ist aus unserer Sicht der Deutschordensplatz. Er wird hervorragend als Verweil- und Flanierplatz angenommen. Problematisch ist die Situation am Gänsmarkt und in der Münzgasse, ebenso wie die „unechte“ Einbahnstraße in der Nonnengasse.
FDP: Die Liberalen empfinden die Verkehrssituation der Innenstadt als unbefriedigend, es fehlen Entlastungen wie zum Beispiel die Öffnung der Lothar-Daiker-Straße vom Erlenbachweg her oder auch die Öffnung des Oberen Grabens.
Oberbürgermeister: Wir haben es uns alle nicht leicht gemacht und uns Zeit genommen für Analyse und Verkehrsversuche. Dem großen Ziel einer Verkehrsberuhigung und damit Aufwertung der Aufenthaltsqualität im Altstadtkern sind wir ein gutes Stück näher gekommen. Wirklich zufrieden können wir aber erst am Ende des Prozesses sein, wenn wirklich alle Maßnahmen umgesetzt sind – auch baulich. Die autofreien Plätze Gänsmarkt und Deutschordenplatz haben sich bewährt, was die Beruhigung angeht. Wenn der Gänsmarkt 2023 neu gestaltet wird, wird daraus ein Schmuckstück.
Der Deutschordenplatz ist jetzt Fußgängerzone. Ist das gut so? Sollte dies schärfer kontrolliert werden?
Grüne: Ein autofreier Deutschordensplatz ist gut. Das erhöht die Attraktivität unserer Stadt. Ordnungswidrigkeiten müssen auch hier konsequenter geahndet werden.
Freie Wähler: Die Meinungen in unserer Fraktion zur Reglementierung des Deutschordenplatzes sind unterschiedlich. Ein Leserbrief von Frau Grehn und Frau Dietz brachte es vor zwei Wochen in den FN vernünftig auf den Punkt. Es müsste mehr kontrolliert werden.
SPD: Leider muss in der gesamten Innenstadt konsequent kontrolliert und gegebenenfalls bestraft werden. Denn sobald weniger kontrolliert wird, halten sich viele Verkehrsteilnehmer nicht mehr an die Tempobegrenzungen und Durchfahrtsverbote.
FDP: Bei Beibehaltung der Schließung des Deutschordenplatzes muss vor dem ehemaligen „Leder Pfahler“ eine Wendemöglichkeit geschaffen werden, die auch für Lkw und Wohnwagen nutzbar ist.
Oberbürgermeister: Meine Antwort lautet, es ist gut so, aber wir haben natürlich noch Probleme. Gerade in den zurückliegenden Sommermonaten war es schön zu sehen, wie das Durchfahrtsverbot vor dem Schloss immer besser funktioniert und sich der Raum mit Passanten, Radlern oder spielenden Kindern füllt.
Nicht vergessen werden sollte auch: Wir haben hier einen großen Sicherheits-Gewinn! Allerdings fahren immer noch erschreckend viele Fahrzeuglenker weiterhin einfach durch, sogar in beide Richtungen. Aber das Ordnungsamt kontrolliert hier engmaschig.
Der Durchgangsverkehr von der Kapuzinerstraße zum Bahnübergang existiert nicht mehr. In Kürze wird endgültig über die Gestaltung des Gänsmarktes entschieden. Soll der Verkehr vom Ledermarkt kommend weiter um den Brunnen herum gen Holzapfelgasse geführt werden oder ist die Lenkung in Richtung Härterichstraße noch eine Option?
Grüne: Wir wollen keinen Autoverkehr mehr vom Ledermarkt über den Gänsmarkt, weder in die Härterichstraße, noch in die Holzapfelgasse. Der Platz soll Bürgern und Touristen als Entspannungsort dienen.
Freie Wähler: Die Verkehrslenkung über den Gänsmarkt in Richtung Härterichstraße ist sicher keine Option mehr. Wie der Autoverkehr geführt wird, entscheidet nach ausgiebiger Diskussion der Gemeinderat.
SPD: Im Bereich Gänsmarkt/Holzapfelgasse gibt es keine Lösung, die in allen Punkten vollständig überzeugt. Die Holzapfelgasse ist durch die Sperrung des Platzes sehr viel stärker belastet. Deshalb ist die zusätzliche einseitige Öffnung des Gänsmarktes in Richtung Härterichstraße im Schritttempo durchaus eine Option für uns. Eine komplette Öffnung des Gänsmarktes lehnen wir hingegen weiter ab.
FDP: Die Liberalen wünschen sich eine Durchgangsmöglichkeit für den Autoverkehr vom Ledermarkt ausgehend in die Härterichstraße.
Oberbürgermeister: Die Grundsatzentscheidungen sind aus unserer Sicht nach langen Diskussionen und vielen Versuchen gefallen. Wir planen mit dem Status quo. Es wäre ein weiterer ärgerlicher Zeitverlust, wenn wir nun noch einmal von vorne beginnen würden. Ein einseitig überfahrbarer Gänsmarkt ist kein Platz mehr.
Wie stehen Sie zum Zwei-Richtungsverkehr in der Münzgasse?
Grüne: Zu- und Abfahrt zum Parkplatz beim Schloss sind ein Problem. Deshalb ist eine Verkehrsberuhigung in der Münzgasse schwierig. Vermindern könnte man die Probleme dort indem man in der Münzgasse Parkplätze entfernt.
Freie Wähler: Sicher ist die Gasse durch den Zwei-Richtungsverkehr eng. Jedoch ist der Autoverkehr zum langsamen Fahren gezwungen.
SPD: Der Zwei-Richtungsverkehr in der Münzgasse hat sich als katastrophal erwiesen. Deshalb geben wir ihm keine Zukunft. Stattdessen muss hier eine Einbahnstraße in Richtung Parkplatz Schloss ausgewiesen werden. Die Ausfahrt aus dem Parkplatz Schloss sollte nur über die Nonnengasse erfolgen.
FDP: Die Münzgasse sollte nur in einer Richtung befahrbar sein.
Oberbürgermeister: Der Zwei-Richtungsverkehr ist auf den reinen Zielverkehr beschränkt. Allerdings ist die Situation unbefriedigend; gerade in der abendlichen „Rush-hour“. Deshalb plädiere ich dafür, die Münzgasse zeitnah zum Gänsmarkt ebenfalls umzugestalten, um auch dort das Provisorium zu beenden, dann ist sie breit und leistungsstark genug für alle Verkehrsteilnehmer.
Sind der Bahnhofsplatz und die Bahnhofstraße genügend im Fokus bei der Fußgängerlenkung vom Bahnhof Richtung Zentrum?
Grüne: Die Bahnhof- und Härterichstraße sollten zur durchgehenden Mischfläche für alle Verkehrsarten und zur verkehrsberuhigten Zone umgebaut werden.
Freie Wähler: Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich unser OB für eine Fußgänger-überführung (über die Bahngleise) zum Aktiv-Center einsetzt. Entsprechend wird man die Führung der Fußgänger in der Bahnhofstraße zur Innenstadt überdenken müssen.
SPD: Die Fußgängerunterführung am Bahnhofsplatz hat sich als Fehlplanung erwiesen. Stattdessen sollte ein breiter „Zebrastreifen“ vom Bahnhof Richtung Rathaus-Haupteingang angelegt werden. In der Bahnhofstraße halten wir Schritttempo für überlegenswert.
FDP: Die FDP hat dem Gemeinderat Pläne vorgelegt, nach denen der Bahnhofsvorplatz über die Bahnhofstraße bis zum Eiscafé Venezia eine Flanierzone werden soll, während der Autoverkehr über die Härterichstraße abgeleitet wird.
Oberbürgermeister: Mittel- bis langfristig ist es eines der zentralen Themen der städtebaulichen Landesgartenschau-Konzeption. Wir wollen den ebenerdigen Übergang für Fußgänger am Bahnhofsplatz.
Antworten der CDU
Die Fragen der Redaktion hat Andreas Lehr wie folgt beantwortet:
„Die Innenstadt muss gleichermaßen einen hohen Aufenthaltswert haben und die verkehrliche Erreichbarkeit gewährleisten. Die CDU hat deshalb ein Verkehrsmodell beantragt , welches der Gemeinderat auch beschlossen hat. Weitere Entscheidungen zur Verkehrsführung müssen auf dieser fundierten Grundlage getroffen werden.“
Durch die zurückliegenden verkehrlichen Entscheidungen seien laut Lehr „in der Innenstadt auch Konfliktsituationen entstanden , beispielsweise in der Münzgasse oder bei der Frage der Erreichbarkeit des Parkplatzes am Schloss“. Die CDU teilte deshalb schon im Juli der Verwaltung mit, „dass wir zur Verkehrssituation Gesprächsbedarf sehen und die Erkenntnisse der zurückliegenden Monate im Rat bewertet werden müssen“.
Für die weiteren Entscheidungen zum Gänsmarkt will die CDU das Gespräch mit den Anwohnern dort und in der Holzapfelgasse suchen. „Wir brauchen zwingend eine starke Akzeptanz für die verkehrliche Regelung sowie für das Gesamtkonzept“, so Lehr, der auch in Sachen Deutschordenplatz Anlieger und Betriebe anhören möchte.
Zum Bahnhofsplatz und zur Bahnhofstraße sagt Lehr: „Wir brauchen hier eine durchgängige Verbindung für Fußgänger, die zum Besuch der Innenstadt einlädt und müssen dabei auch die Herrenwiesenstraße und die sichere Fußgängerverbindung von dort in die Innenstadt in die Gestaltung einbeziehen.“
Die Innenstadt müsse laut CDU für Pkw, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, für Fußgänger und Radfahrer „gleichermaßen erreichbar bleiben“. Dieses Anliegen müsse man mit den Interessen von Anwohnern und mit der Aufenthaltsqualität in Einklang bringen. Lehr weiter: „Funktionieren werden alle Überlegungen jedoch auch nur mit einer intelligenten Verkehrssteuerung, weshalb die Probleme in diesem Bereich dringend durch einen neuen Verkehrsrechner behoben werden müssen.“
sabix
Welche Schritte sollten als nächstes getan werden?
Grüne: Der Gänsmarkt sollte endlich saniert werden. Verkehrslenkende Maßnahmen allein reichen aber nicht. Unser klimafreundliches Verkehrskonzept plädiert für ein besseres Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln und eine bessere Infrastruktur für Fuß- und Radverkehr.
Freie Wähler: Dringend muss der Gänsmarkt attraktiviert werden. Der gesamte Altstadtbereich kann zudem nicht autofrei gemacht werden.
SPD: Das Provisorium „Gänsmarkt“ muss dauerhaft entschieden werden. Die Einbiegung der Frommengasse in die Türkengasse muss für Lkw, Wohnmobile und Pkw mit Anhänger gesperrt werden.
Das im Oktober 2021 beauftragte Verkehrsmodell lässt leider weiter auf sich warten. Aus unserer Sicht sollte dieses als Basis und Expertise für die weiteren Schritte dienen. Die ungelöste Verkehrsproblematik in der Herrenwiesenstraße beschäftigt uns zudem. Unser Antrag vom Februar wird dem Gemeinderat leider erst in Kürze zur Beratung vorgelegt.
FDP: Ohne Autoverkehr kein Umsatz für die ansässigen Geschäftsleute! Man denke nur an die zahlreichen Leerstände. Der Gänsmarkt ist zur Zeit ein Schandfleck und sollte nun unverzüglich – mit einer Durchleitung für den Verkehr zur Härterichstraße – saniert werden.
Oberbürgermeister: Es gibt unterschiedliche Standpunkte zur vorhandenen und notwendigen Anzahl von Parkmöglichkeiten. Ich spreche mich für eine Erweiterung des Angebots und gute Erreichbarkeit aus. Auch das Thema Bahnübergang Wolfgangstraße bleibt ein Dauerbrenner und das Parkleitsystem muss dringend und möglichst zeitnah erneuert und optimiert werden.
Derzeit läuft die Erstellung eines ganzheitlichen Verkehrsmodells, wie vom Gemeinderat gewünscht, um die Verkehrsflüsse im Bereich Würzburger Straße, Wachbacher Straße sowie Oberer, Mittlerer und Unterer Graben auszuwerten. Diese Analyse wird noch etwa sechs Monate Zeit in Anspruch nehmen. Es war unser ausdrückliches Ziel, hier einen wirklich fundierten Gesamt-Überblick zu bekommen.
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