Holocaust-Gedenktag - Feierstunde vor dem Denkmal für die ehemaligen jüdischen Mitbürger

Traditionen und Rechte brutal gebrochen

Von 
Hans-Peter Kuhnhäuser
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Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus der Stadt und den Stadtteilen gedachten am Samstagvormittag beim Mahnmal für die ermordeten ehemaligen jüdischen Mitbürger den Opfern des Nazismus. Hartwig Behr (vorne links, mit Hut) sowie OB Udo Glatthaar (links) machten in ihren Ansprachen deutlich, dass niemals vergessen werden dürfe, was damals in deutschem Namen geschah. © Kuhnhäuser

Am Holocaust-Gedenktag wurde auch in Bad Mergentheim der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.

Bad Mergentheim. Es war am 27. Januar 1945, einem Samstag vor 73 Jahren, als Soldaten der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz befreiten. Was sie sahen, waren Elend und Not bei den wenigen von der SS zurückgelassenen Häftlingen, aber auch bergeweise Schuhe, Brillen, Zahnprothesen, in Säcke verpacktes Menschenhaar, die Krematorien, menschliche Überreste, Leichen, kurzum: das Grauen.

Der 27. Januar wird international als Holocaust-Gedenktag begangen. Im Schlosshof, gleich beim Denkmal an die ehemaligen Mitbürger jüdischen Glaubens, fand am Samstagvormittag eine Gedenkveranstaltung statt.

Oberbürgermeister Udo Glatthaar freute sich über die zahlreichen Bürgerinnen und Bürger, „auch wenn dieser Tag alles andere als erfreulich ist. Aber er ist wichtig. Wir erinnern uns heute an Menschen aus unserer Mitte, die entwürdigt, deportiert, auf Nummern reduziert, gefoltert und umgebracht wurden.“

Hartwig Behr nutzte in seiner Rede das „Das vergiss nicht“ – der Satz aus dem 5. Buch Mose steht auf dem Denkmal im Schlosshof – als ersten Hinweis.

„Was vor mehr als 75 Jahren geschah, das ist nicht vergessen. Und es darf nie vergessen werden.“ Das Denkmal nennt die Namen von 96 Menschen, ihr Geburtsjahr und zumeist auch das Jahr ihres Todes. Sie alle vereint ein Schicksal: „Es waren Juden und sie lebten zwischen 1933 und 1943 mindestens ein Jahr in Bad Mergentheim und den heutigen Stadtteilen. Sie wurden deportiert und starben, die meisten wurden umgebracht. Und sie bekamen kein Grab und keinen Grabstein. Damit wurden Traditionen und Rechte brutal gebrochen.“ Behr erinnerte an David Adolf Zucker, einen der letzten jüdischen Lehrer in Bad Mergentheim, der vor 28 Jahren den Anstoß gab für das Mahnmal im Schlosshof. 1938 wurde er nach Polen ausgewiesen. 20 Jahre, bis 2010, dauerte es, bis Zuckers Wunsch (und der anderer überlebender Juden), bis „dieses Mahnmal enthüllt werden konnte“, sagte Behr. Und er machte deutlich, dass von vielen Menschen, die auf dem Mahnmal genannt sind, einige Fakten bekannt sind, von anderen hingegen „so gut wie gar nichts“. Über Berta Fröhlich aus der Holzapfelgasse werde, wie Behr erklärte, „in diesem Jahr ein umfangreicher Aufsatz“ erscheinen, aber von „vielen werden wir nicht mehr erfahren, als in den Standesregistern zu finden ist. Behr ging näher auf die älteste Person ein – Sophie Elkan, die 91 Jahre alt war, als sie am 20. August 1942 deportiert wurde. Sie war zu ihrer 62-jährigen Tochter Lore und ihrem 71-jährigen Schwiegersohn David Strauß sowie dessen 66-jährigen Bruder Julius in die Markelsheimer Schwennengasse gezogen – ihr Schwiegersohn schob sie im Rollstuhl zum Bahnhof. Von dort mussten sie alle nach Stuttgart fahren und wurden dann nach Theresienstadt „verfrachtet“. Sophie Elkan starb wenige Tage nach ihrer Ankunft in Theresienstadt am 6. September, Julius Strauß drei Wochen später, am 27. September. Ihre Tochter Lore und ihr Schwiegersohn David wurden nochmals verschleppt – nach Maly Trostinec in der Nähe von Minsk. Dort wurden sie am 29. September ermordet.

Das jüngste Opfer war die am 28. November 1926 in Bad Mergentheim geborene Käthe Rothschild. Sie lebte mit ihren Eltern Louis und Hannchen sowie mit ihrem Bruder Fred im so genannten „Rabbinerhaus“ in der Holzapfelgasse 15 - „dem Zentrum der jüdischen Gemeinde Mergentheims, denn hier war das Grundstück mit der Synagoge, der Mikwe und der jüdischen Schule“. Der Schutz der Schwachen und Alten werde nicht umsonst als eine der wichtigsten Aufgaben des Staates gesehen. „Damals geschah in Deutschland, also auch hier, genau das Gegenteil. Das vergiss nicht! Das vergiss nie!“, schloss Behr seine Rede. Oberbürgermeister Udo Glatthaar machte deutlich, dass das Gedenken an die Opfer des Holocaust auch alle anderen Menschen einschließe, die unter dem Nazisystem „gelitten haben, die geschändet oder ermordet wurden“. Bad Mergentheim sei „keine Insel der Glückseligen“, aber dennoch habe man auf den Tag genau vor acht Jahren das Mahnmal im Schloss eingeweiht. „Es ist ein Zeichen der Erinnerung.“ Und die sei wichtig, de rund 15 Prozent der deutschen hätten nach wie vor antisemitische Einstellungen. „Der Befund ist erschreckend!“ Dazu komme ein - „oftmals schlicht anerzogener“ Judenhass bei Zuwanderern aus dem islamischen Kulturkreis. „Beiden Haltungen müssen wir klar entgegentreten!“

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