Bad Mergentheim. Die Nummernschilder auf den Autos deuten auf Besitzer aus verschiedenen Regionen hin, ebenso die Dialekte, die im Schlosshof in Bad Mergentheim zu hören sind. Die Kurstadt ist am Samstag das süddeutsche Mekka der Freunde des Südstaatenrocks. Die legendäre Band „Lynyrd Skynyrd“ hat ihr Kommen zu „Live im Schloss“ angekündigt, und mehr als 5000 Fans sind dem Ruf gefolgt. Und sie sollten ihr Kommen nicht bereuen. Die mittlerweile neunköpfige Band strotzt nur so vor Spielfreude und Vitalität. Es ist ein strammer, rund 90-minütiger Ritt durch die Klanglandschaften der Südstaaten-Rocker, der für viele Fans nicht nur ein Trip in die eigene Jugend ist, sondern für alle ein reines Vergnügen ist.
Viele Spekulationen im Vorfeld über den Zustand der Band
Es ist viel spekuliert worden, ob die Reinkarnation von „Lynyrd Skynyrd“ nun eine Tribute-Band oder die legitimen Erbverwalter der Rock-Ikonen sei. Mit Gary Rossington ist schließlich das letzte Gründungsmitglied 2023 gestorben. Gut, Sänger Johnny Van Zandt steht nun schon seit knapp 40 Jahren hinterm Mikro, und Gitarrist Rickey Medlocke war immerhin schon Anfang der 1970er Jahre, als der Zug auf die Gleise gesetzt wurde, als Schlagzeuger mit an Bord. Letztendlich muss sich diese Frage jeder selbst beantworten, vielleicht könnte am sich darauf einigen, dass mittlerweile „Lynyrd Skynyrd 2.0“ am Start ist. Die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte begründen die Band-Mitglieder damit, dass es der Wunsch von Gary Rossington gewesen sei, dass die Musik der Band weiterleben solle. Aber sicher ist auch, dass sich mit der Marke „Lynyrd Skynyrd“ mehr Geld verdienen lässt, als wenn die Truppe unter dem Namen „Medlocke-Van-Zandt-Band“ unterwegs wäre.
Als am Samstag kurz nach 20.15 das Intro ertönt, ist all das Makulatur. Jetzt geht es nur noch um die Musik. Und die Band steigt traditionsgemäß mit einer satten Version von „Working vor MCA“, wie sie es schon seit dem legendären Live-Album „One more from the Road“ von 1976 getan hat, in den Abend ein. Und angesichts des superben Vortrags, der durch die hervorragende Soundanlage direkt und nachhaltig in Gehörgänge und Bauch gleichermaßen eindringt, sind alle Zweifel, ob der Legitimität der Band wie weggeblasen. So vorhersehbar wie der Einstieg gestaltet sich auch die Abfolge der weiteren Setlist, was aber auch nicht weiter verwunderlich ist. Schließlich hat die Band seit über 25 Jahren kein Album mit neuen Liedern veröffentlicht. Da Hardrock-Fans in der Regel Traditionalisten sind und gerne Altgewohntes und Liebgewonnene serviert bekommen, erfreuen sich die Fans im idyllischen Schlosshof an den immer wieder gern gehörten Bandstandards. „What‘s your name“, „That Smell, „Saturday Night Special“ und „Gimme back my Bullets“ grooven in der Folge lässig-druckvoll aus den Boxen.
„Tuesday‘s gone“ ist der erste emotionale Höhepunkt
Der erste emotionale Höhepunkt folgt nach gut 45 Minuten mit „Tuesday’s gone“. Die Ballade wird in Gedenken an Gitarrist Gary Rossington regelrecht zelebriert. „Lynyrd Skynyrd“ tragen das recht dick auf, schwelgen in typisch amerikanischer Hollywood-Manier in der Erinnerung an ihren ehemaligen Bandleader. Ein erster Höhepunkt, der vom darauffolgenden „Simple Man“ jedoch noch getoppt wird. Die Fans singen frenetisch mit. Johnny Van Zandt und die Band genießen regelrecht die euphorische Reaktion des Publikums.
Mit „Gimme Three Steps“ zieht die Band aus Louisiana das Tempo wieder an, ehe das Cover des J.J. Cale Blues-Klassikers „Call me the Breeze“ mit viel Rock-Turbo gezündet wird. Als letzten Song des regulären Sets folgt der größte Hit und ewige Dauerbrenner „Sweet Home Alabama“, jene musikalische Abrechnung mit Neil Young, die der Band den Status der musikalischen Unsterblichkeit einbrachte. Alle sind in Bewegung, singen, klatschen und tanzen. Über viele Gesichter huscht ein Lächeln, schließlich gehört der Song für viele zum Soundtrack ihres Lebens und ist auf ewig verknüpft mit entscheidenden und prägenden Momenten in der Jugend.
Die Band, vor allem die Gitarristen Rickey Medlocke, Mark Matejka und Damon Johnson sowie Piano-Man Peter Keys bleiben nahe dran an den Vorgaben der früheren und mittlerweile verstorbenen Band-Mitglieder. Allerdings kopieren sie diese nicht nur, es ist ein Schuss mehr Rock im Southern-Cocktail, was ihm durchaus mehr Spritzigkeit verleiht.
„Free Bird“ beschließt eindrucksvoll und emotional den Abend
„Wir wollen beim Auftritt dem Erbe von Lynyrd Skynyrd mit einer energiegeladenen Show gerecht werden und den musikalischen Geist der Band weitertragen“, hat Gitarrist und mittlerweile musikalischer Leiter der Truppe, Rickey Medlocke, im Vorfeld im FN-Interview gesagt. Und der Auftritt am Samstag belegt, dass die aktuellen Mitglieder die Ur-DNA von „Lynyrd Skynyrd“ verinnerlicht haben und der Größe der Aufgabe mehr als gerecht werden. Als letzter Song des Abends gibt „Free Bird“, jener Monolith von Song, davon eindrucksvoll Zeugnis und sorgt für absolute Gänsehautmomente. „Wenn ich heute gehe, würdest du dich morgen noch an mich erinnern“ singt der stimmlich hervorragende Johnny Van Zandt in Erinnerung an seinen 1977 bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglücken Bruder Ronnie Van Zandt voller Hingabe. Und natürlich wird der knapp 15-minütige Song zur Elegie auf die verstorbenen Bandmitglieder und Leute aus dem Umfeld der Band. Zur zweiten Strophe hängt Johnny Van Zandt einen Hut übers Mikro und überlässt die Vocals seinem Bruder Ronnie Van Zandt, eingespielt von einem früheren Auftritt und natürlich mit Bildern auf der Leinwand. Und natürlich heben danach die drei Gitarristen zu einem ausgedehnten Flug ab, so frei wie ein Vogel, der keine Grenzen kennt.
Große Gefühle und viele Gänsehautmomente
Unter dem Jubel des Publikums verabschiedet sich nach rund 90 Minuten eine Band, die mit ihrem Auftritt zufrieden sein kann und den ausgedehnten Applaus des Publikums genießt. Ein zwar kurzes, aber intensives Vergnügen. Und seien wir einmal ehrlich, vielmehr an Songs hat man im Vorfeld auch nicht erwartet. Vielleicht „T for Texas“ hätten sie noch spielen können, aber eigentlich ist alles gespielt, was relevant ist. Wer auf Gefühle im Stil eines Blockbusters steht, ist bestens bedient worden. Und musikalisch haben Lynyrd Skynyrd eh keine Gefangenen gemacht. Mit ungeheurem Drive ist die Band durchs Set gebraust und hat so dem tauberfränkischen Schlosshof ein wenig Südstaaten-Flair eingehaucht.
Im Vorprogramm hat der neue „Deep Purple“-Gitarrist Simon McBride mit zwei Mitstreitern knapp 45 Minuten lang bluesgetränkten Rock serviert. Das Trio hat mit einer Mischung aus eigenen Songs und Rock-Standards mit viel Gitarre einen guten Anheizer-Job erledigt.
Setlist
Regular: Workin‘ for MCA, What‘s Your Name, I Know a Little, That Smell, Gimme Back My Bullets, Cry for the Bad Man, Saturday Night Special, Tuesday‘s Gone, Simple Man, The Needle and the Spoon, Gimme Three Steps, Call Me the Breeze (J.J. Cale cover), Sweet Home Alabama.
Encore: Free Bird
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