Bad Mergentheim. Die alljährliche Schweinefachtagung im Sparkassensaal Bad Mergentheim ist ein Muss für die Schweinehalter der ganzen Region. Ausgerichtet wird sie vom Landwirtschaftsamt des Landratsamtes Main-Tauber-Kreis, dem Verein Landwirtschaftlicher Fachbildung Main-Tauber, den Tierärztinnen und -ärzten Weikersheim sowie dem Beratungsdienst Schweinehaltung.
In seinem Grußwort zeichnete der Leiter des Landwirtschaftsamtes Marcus Köhler ein anschauliches Bild der aktuellen Stimmung und Situation der Schweinehalter. „Die Wirtschaftlichkeit der Schweinehaltung stellte sich im vergangenen Wirtschaftsjahr positiv dar. Die Notierung fürs 25 kg-Ferkel, wo ja noch keinerlei Zuschläge für Gewicht, Impfungen, Kastration, Qualität inbegriffen sind, hatte im Jahr 2023 zu Spitzenzeiten an der fast unvorstellbaren 100 Euro-Marke gekratzt. In den beiden Vorjahren gab es dagegen längere Zeiten mit nur 20 bis 25 Euro“.
2020 bis 2022 seien katastrophale Wirtschaftsjahre gewesen. Zwar seien momentan die Futterkosten günstiger, andere Kosten wie Energie-, Tierarzt oder sonstige Tierbedarfsmaterialien würden aber wohl nicht mehr auf das frühere Niveau sinken.
Die ISN habe kürzlich das Ergebnis einer Umfrage unter Schweinehaltern veröffentlicht, in der circa 600 Schweinehalter aus ganz Deutschland nach ihren Zukunftsplänen befragt wurden. In Süddeutschland stehe für gut ein Drittel der Ferkelerzeuger der Ausstieg aus der Sauenhaltung definitiv fest, aber auch für ein weiteres Viertel sei die Zukunft noch völlig unklar. 20 Prozent gaben an, in nächster Zeit aussteigen zu wollen und auch hier halten sich mehr als ein weiteres Viertel der Betriebe alle Optionen offen.
Nach Meinung Köhlers wäre viel gewonnen, wenn man EU-einheitliche Standards in den wichtigsten Schweineerzeugerländern Europas hätte. Es sei nicht zielführend, „wenn bei uns immer höhere Tierwohlstandards eingeführt und der Schweinebestand immer weiter abgestockt wird und im Ausland, auch in anderen EU-Staaten, dagegen Schweineställe mit deutlich geringeren Tierschutz- und Umweltauflagen nach wie vor gebaut werden“.
Im ersten Vortrag widmete sich die Referentin Dr. Johanna Vogels von MSD Tiergesundheit der Entwicklung des Darm-Mikrobioms beim Schwein und der Frage, wie das Mikrobiom von Krankheitserregern wie Salmonellen und Lawsonien beeinflusst wird. Ein gesunder Darm bestimme maßgeblich die Gesundheits eines Schweins, das nur dann seine Potenziale ausnutzen könne. „Das Mikrobiom ist der unsichtbare Dirigent im Konzert der Gesundheit“, unterstrich die Tierärztin.
Welche Möglichkeiten in der aktiven Bekämpfung der Lawsonien besonders in der Schweinemast stecken, arbeitete Dr. Vogels heraus. Der Schwerpunkt liegt außer auf den Tageszunahmen, den Verlusten und der Futterverwertung auch auf der Nachhaltigkeit.
Mehr Tierwohl ist nicht wirtschaftlicher
Spannend und praxisbezogen waren die Berichte der Schüler der Akademie Kupferzell. Die jungen Landwirte lösen in ihren Betrieben aktuelle Fragen durch praktische Versuche. Lukas Fischer verglich im elterlichen Familienbetrieb zwei unterschiedliche Haltungssysteme in der Schweinemast. Es werden 800 Schweine in der Haltungsstufe 2 (mehr Platz) und 200 Tiere in der Haltungsstufe 3 ( Außenklima), in zwei getrennten Ställen gemästet.
Beide Gruppen haben mit dänische Hybrid+ Duroc dieselbe Genetik. Die Tiere der Haltungsstufe 2 werden über Edeka und die Tiere der Stufe 3 über Aldi Fair Farm vermarktet. Der Meisteranwärter beschäftigte sich mit Fragen wie: „Kann man in Zukunft noch wirtschaftlich Schweine mästen?“ oder „Wie wirkt sich diese Veränderung auf die Arbeitswirtschaft des Betriebes aus?“. Die Haltungsstufe 2 ist ein Einraum-Stall von Gillig+Keller für 220 Tiere in zwei Buchten. Vermarktet wird an die Edeka-Gruppe über RVZ und geschlachtet in Crailsheim. Produziert wird im QS-Programm, Edeka-Gutfleisch und der Initiative Tierwohl. Gefüttert wird mit Getreide aus eigenem Anbau.
Die Haltungsstufe 3 geschieht im Altgebäude auf 50 Prozent Vollspalten, 50 Prozent Festfläche mit Stroh und mit Außenklima. Es sind 200 Schweine in einer Gruppe. Vermarktet wird an Aldi über RVZ GmbH und geschlachtet in Weißenfels. Die Produktion läuft mit der Initiative Tierwohl, QS-Programm und der Fakt-Förderung. Gefüttert wurde der Testdurchgang mit Fertigfutter. Parameter des Versuchs waren die Mastdauer, der Magerfleischanteil, die täglichen Zunahmen, die Futterverwertung, der Arbeitszeitbedarf, die Gesundheit der Tiere und der Strohbedarf. Die Unterschiede waren nur krass beim Arbeitszeitbedarf (43 oder 97,9 Stunden), und produktionsbedingt beim Strohbedarf, keine oder 12 Strohballen.
Weil die kalkulatorischen Lohnkosten,die Futter- und Strohkosten bei der Haltungsstufe 3 die höheren tierwohlbedingten Erlöse nicht wettmachen, ist Haltungsstufe 2 wirtschaftlicher als Haltungsstufe 3.
Der Meisteranwärter fragt sich nach seinem umfangreichen und wirtschaftlich exakt kalkulierten Arbeitsprojekt: Wie sieht das Ergebnis bei einem Stallneubau aus,denn das Altgebäude verursacht den hohen Arbeitsaufwand? Können die Futterkosten mit Futterprotein vom eigenen Acker gesenkt werden? Gibt es bessere Vermarktungsmöglichkeiten ? Eindeutig war das Ergebnis im Fütterungsversuch des Junglandwirts Tobias Brückmann in der Schweinemast. Er verglich die betriebsübliche einphasige Fütterung mit einer Mast bei der in der Vormast (30-50 kg) und der Endmast (50-120 kg ) unterschiedliche Futterrationen eingesetzt wurden. Im Versuch waren sowohl die Futterverwertung als auch die Futterkosten je Kilogramm Zuwachs besser. Zudem bewirkt die zweiphasige Fütterung eine bessere Ausnutzung der Vieheinheiten. In der Zukunft wird auf die zweiphasige Fütterung umgestellt und weiterhin ausgewertet und überprüft.
Abgerundet wurde die Fachtagung durch Johannes Häckel von der AgriConcept Beratungsgesellschaft,die seit vielen Jahren auch in der staatlich anerkannten Betreuung von landwirtschaftlichen Investitionsförderungsvorhaben tätig ist.
Im Unterschied zum klassischen Agrarförderungsprogramm (AFP), das über die Bundesländer abgewickelt wird, habe der Bund die Förderung der Schweinehaltung im Wesentlichen aus dem AFP herausgenommen und quasi an sich gezogen.
Mit dem Bundesprogramm können somit seither Um-, Ersatz- und Neubauten für Schweine gefördert werden.
„Wir als Ihre Landwirtschaftsverwaltung vor Ort sind hier nicht nur informativ relativ abgehängt, sondern in der Abwicklung dieses Förderverfahrens völlig außen vor“, bedauerte der Leiter des Landwirtschaftsamtes. Das Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung ist nicht sonderlich beliebt. Kritisiert werden die hohen Förderauflagen. Neben der Bereitstellung von mehr Platz und Außenklima dürfen die geförderten Betriebe nicht aufstocken und müssen sich an der 2 GV-Grenze beim Tierbesatz orientieren.
Johannes Häckel ist selbst Landwirt. Er stellte die Grundlagen des BUT (Bundesprogramm Umbau der Tierhaltung) vor. Vorhabenträger ist die BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung). Ziel sei ein artgerechter Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland.
Dabei sollen Landwirte unterstützt werden, Haltungsbedingungen zu schaffen,die über die rechtlich bindenden Mindeststandards hinausgehen.
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