Bad Mergentheim. Vor exakt 194 Jahren, am 7. September 1831, wurde Herzog Paul Wilhelm von Württemberg zum Ehrenbürger der Stadt Mergentheim ernannt – ein geschichtsträchtiges Ereignis, das bis heute jedes Jahr mit großer Sorgfalt und viel Herzblut beim Herzog-Paul-Abend des Historischen Schützen-Corps gefeiert wird. Auch in diesem Jahr war die Festveranstaltung ein eindrucksvoller Höhepunkt im Kalender historisch interessierter Mergentheimer.
Schon zu Veranstaltungsbeginn füllte sich das Katholische Gemeindehaus mit Gästen aus nah und fern. Vertreter und Abordnungen historischen Bürgerwehren waren ebenso zugegen wie diverse Ehrengäste. Ein besonderer Gruß galt Oberst Jürgen Rosenäcker, Landeskommandant des Landesverbands Historischer Bürgerwehren und Stadtgarden Württemberg-Hohenzollern, der mit seiner Anwesenheit die Verbundenheit der deutschen Traditionskorps zum Ausdruck brachte.
Nach dem Antreten des Corps in der Marienstraße begrüßte HSC-Vorsitzender Hauptmann Andreas Schweizer die Gäste. Bürgermeister Udo Glatthaar betonte in seinem Grußwort die immense Bedeutung des Ehrenabends – nicht nur als Erinnerung an Herzog Paul, sondern auch als gelebte Tradition, die Generationen verbindet und Identität stiftet.
Ernennung und frühe Jahre des Schützen-Corps
Ein feierlicher Moment des Abends war die Verlesung der historischen Ernennungsurkunde durch Hauptmann Andreas Schweizer – ein Blick zurück in eine bewegte Stadtgeschichte. Die Ursprünge des Historischen Schützen-Corps führen zurück in die Zeit des Casinoschießens, das der Revierförster Arnold 1820 für die damalige gehobene Bürgerschaft und die württembergischen Beamten ins Leben rief. Damals hätte noch niemand geahnt, dass sich bald auch die Mergentheimer Bürgerschaft mit großem Enthusiasmus dem Schießen und der Kameradschaft widmen würde. Aus dieser Initiative entwickelte sich die Schützengesellschaft zu Mergentheim, deren Mitglieder sich neben dem geselligen Beisammensein auch militärisch exerzierten und bald zum unverzichtbaren Bestandteil des Stadtlebens wurden.
Nach dem Entwaffnungsedikt von 1809 – veranlasst von König Wilhelms Vater – war es dessen Verdienst, dass 1816 die Volksentwaffnung zurückgenommen und das Tragen von Waffen sowie die Gründung von Schützengesellschaften wieder erlaubt wurde, so Schweizer weiter. Die Folge: 1824 bildete sich unter Führung des vormaligen Obristleutnants von Speeth ein exerzierendes Corps aus, das mit einer damals neuen Uniformierung stolz in der Öffentlichkeit auftrat.
Die Geschichte brachte auch illustre Persönlichkeiten hervor: Im Haus der Familie von Speeth, Sitz der ersten Corps-Veranstaltungen, wohnte zeitweilig der Dichter Eduard Mörike, der sich in die Tochter des Hauses verliebte und sie schließlich auch heiratete. Obrist-Leutnant von Speeth wurde damit postum zum Schwiegervater eines großen Dichters – ein weiterer Beleg dafür, welch prominente Gestalten im Schützen Corps zusammenkamen.
Mit dem langsamen Niedergang des alten Kapuzinerklosters begann auch das Interesse am Corps zu schwinden. Heimstatt und Schießplatz gingen verloren – und schließlich war nach dem Ableben Herzog Pauls und der Umwandlung des Mergentheimer Schlosses in eine Garnisonskaserne das fürstliche Zeitalter des Schützen-Corps beendet.
Die Geschichte verlief sich in den späten 1870er Jahren. Doch genau ein Jahrhundert später, als 1975 geschichtsbegeisterte Mergentheimer Bürger gemeinsam mit Stadtrat Hermann Hettenbach im Hotel Victoria zusammenkamen, wurde das HSC wieder gegründet. Glücklicherweise sind mit Wolf-Dieter Mentgen und Oberleutnant Nikolaus Schmid noch zwei Gründungsmitglieder aktiv. „Dass unser Wiedergründer Hermann Hettenbach 2025 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, erfüllt uns mit großer Dankbarkeit. Dank diesem Engagement lebt die Tradition bis heute fort – ein Traditionsfaden, der nie abgerissen ist“, so Andreas Schweizer abschließend.
Vortrag zum Bauernkrieg 1525: „Ein Taubertal im Aufruhr“
Auch für Mergentheim bedeutete der Bauernkrieg von 1525 einen tiefen Einschnitt. Schon zuvor war die Region um die Stadt von sozialer Unruhe erfasst worden: Bewegungen wie der „Bundschuh“ und der Aufstand des „Armen Konrad“ zeigten die angespannte Stimmung im Südwesten. Die politischen Verhältnisse waren instabil – nach langem Ringen mit Habsburg stand Württemberg seit 1519 unter österreichischer Verwaltung. Zusätzlich befeuerte die Reformation die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Im Frühjahr 1525 sammelten sich in der Umgebung Mergentheims erneut zahlreiche Bauernhaufen, etwa aus dem Taubertal und dem Odenwald, angeführt von Georg Metzler und Wendelin Hipler. Am 26. März kam es zu ersten Plünderungen, zum Beispiel im Schöntaler Propsteihof. Die Unruhen griffen rasch auf benachbarte Dörfer über.
Der Deutschordens-Komtur Wolfgang von Bibra versuchte in Mergentheim, durch Verhandlungen mit Bürgern und Bauern, die Lage unter Kontrolle zu halten. Doch immer wieder wechselten sich Unruhe, Gewalt und Zugeständnisse ab. Am 6. April zogen die Bauern schließlich nach Mergentheim ein. Zusammen mit Teilen der Bürgerschaft forderten sie politische Mitsprache und besetzten das Stadtregiment. Dabei kam es vermehrt zu Plünderungen und Übergriffen auf Besitztümer des Deutschen Ordens, der Komtur wurde unter Hausarrest gestellt. Nachdem Vorräte beschlagnahmt und die Forderungen der Bauern festgehalten worden waren, zogen die Aufständischen weiter nach Lauda und Würzburg – unterstützt von einem Teil der Mergentheimer Bevölkerung.
Als die Bundestruppen unter Georg von Waldburg-Zeil mit der Niederschlagung der Revolte begannen, geriet Mergentheim wiederholt zum Schauplatz von Verhandlungen und Strafen. Nach der schweren Niederlage der Bauern bei Königshofen am 2. Juni 1525, bei der 122 Mergentheimer Bauern ihr Leben verloren, verhängten die Sieger harte Strafgerichte: Hinrichtungen, Verstümmelungen und andere Erniedrigungen prägten das Bild der Stadt. Dennoch gelang es einigen der damals Bestraften, schon bald wieder in Ämter zurückzukehren. Der Bauernkrieg hinterließ in Mergentheim tiefe Spuren: Es gab große Zerstörungen an Burgen und Klöstern und den Tod vieler Menschen. Die Bürgerschaft blieb verunsichert, aber auch die Machtverhältnisse verschoben sich nachhaltig. Eine der wenigen bleibenden Verbesserungen war die Aufhebung der Leibeigenschaft im Jahr 1537. Wenige Jahre später wurde Mergentheim zeitweise sogar Sitz des Deutschmeisters. Erst langsam kehrte wieder Ruhe in die Stadt ein und der Wiederaufbau begann.
Ehrungen und Ausblick
Gegen Ende des Abends stand die Ehrung verdienter Mitglieder auf dem Programm: Roland Eck wurde für 20 Jahre aktive Mitgliedschaft das Verdienstkreuz in Silber überreicht. Michael Spachmann erhielt für 40-jährige Treue das Verdienstkreuz in Silber des Landesverbandes sowie das St. Sebastians-Verdienstkreuz in Silber des Historischen Schützencorps – beides Zeichen besonderer Wertschätzung und Ausdruck tiefer Dankbarkeit der gesamten HSC-Familie.
Mit angeregten Gesprächen, Erinnerungsaustausch und stolzem Blick auf die bewegte Geschichte klang der Herzog-Paul-Abend in Bad Mergentheim aus. Das Historische Schützen-Corps blickt – dank Tradition und Engagement – zuversichtlich in die Zukunft. Und so, wie es Bürgermeister Udo Glatthaar formulierte: „Die Pflege der Vergangenheit ist das Fundament für eine lebendige Gemeinschaft von morgen.“
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