Tauber-Odenwald/Crailsheim. Die Zukunft des Vion-Schlachthofs in Crailsheim hängt (gegenwärtig) am seidenen Faden. Nachdem das Bundeskartellamt die geplante Übernahme durch die Premium Food Group (ehemals Tönnies) untersagt hat, droht dem wichtigen Schlachtstandort in Süddeutschland Ungewissheit. Doch in dieser kritischen Phase betritt ein neuer, gewichtiger Akteur die Bühne: Westfleisch, die zweitgrößte Fleischereigenossenschaft Deutschlands, positioniert sich als potenzieller Übernehmer – und damit als Hoffnungsträger für die Landwirte in der Region, vor allem die Schweinerzeuger. Das bestätigte ein Konzernsprecher auf Anfrage den Fränkischen Nachrichten. Dieses Interesse könnte in der Branche durchaus für Aufbruchstimmung sorgen.
Immenses Interesse am montäglichen Hearing
Die angespannte Lage rund um den Crailsheimer Schlachthof hat den Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems dazu bewogen, ein Hearing zur Zukunft der Schlachthofstruktur in Süddeutschland einzuberufen. Aufgrund des immensen Interesses wurde die Veranstaltung, die am Montagm, 28. Juli, um 19.30 Uhr stattfindet, von Oberspeltach in die Arena Hohenlohe nach Ilshofen verlegt. Die Liste der hochkarätigen Teilnehmer unterstreicht die Dringlichkeit und Bedeutung des Themas: Peter Hauk (Agrarminister Baden-Württemberg), Günther Felßner (Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes), Clemens Tönnies (GF Gesellschafter der Premium Food Group), Thomas Wieser (Vorsitzender Schweineerzeugervereinigung Kreis Schwäbisch Hall) und Jürgen Maurer (Vizepräsident des Landesbauernverbandes) werden unter der Moderation von Helmut Bleher (Geschäftsführer Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems) die komplexe Situation erörtern.
Der Kern des Problems liegt in der Entscheidung des Bundeskartellamtes. Die Behörde untersagte die Übernahme von drei Vion-Standorten, darunter Crailsheim, durch die Premium Food Group. Die Begründung: Eine solche Akquisition hätte die Marktposition von Tönnies, die bereits führend in der Schweineschlachtung sind, auch bei Rindern zu dominant gemacht. „Die Übernahme hätte die Marktposition bedenklich gestärkt“, hieß es vonseiten des Kartellamtes. Diese Entscheidung ist ein herber Rückschlag für die Premium Food Group, die sich „enttäuscht“ zeigte. Clemens Tönnies wird sicherlich beim Hearing Stellung beziehen. Auch Vion Food, bisher Marktführer bei der Rinderschlachtung in Deutschland, äußerte sich überrascht.
Für die rund 600 Mitarbeiter am Vion-Standort Crailsheim kam die Nachricht einem Schock gleich. Sie waren zunächst tief verunsichert. Die Geschäfte liefen zwar aktuell gut, doch die Ungewissheit über die Zukunft sei für die Belegschaft eine enorme Belastung, so ein Sprecher des Schlachthofes. Uwe Rüttiger, Geschäftsführer der unabhängigen Erzeugergemeinschaft Hohenlohe-Franken (UEG), befürchtet weitreichende Konsequenzen für die regionale Schweineproduktion, sollte der Betrieb in Crailsheim eingestellt werden: „Das wäre der Worst Case für die Mitarbeiter und für die Bauern. Das würde für uns bedeuten, dass wir die Tiere weiter wegfahren müssen. Dann werden viele Betriebe aussteigen.“
Gerade in dieser angespannten Situation ist das neue Interesse von Westfleisch an einer Übernahme der Vion-Betriebe von immenser Bedeutung. Das Vion-Geschäft wäre eine ideale Ergänzung für Westfleisch, da das Unternehmen aktuell Rindfleisch extern zukaufen müsse, um die Nachfrage seiner Kunden bedienen zu können.
Dr. Wilhelm Uffelmann, Vorstandsvorsitzender der Westfleisch SCE, positioniert sein Unternehmen als verlässlichen Partner und potenziellen Retter für die süddeutschen Schlachtbetriebe - und bezieht gegenüber unserer Zeitung deutlich Stellung: „In der öffentlichen Diskussion ist der Eindruck entstanden, es gebe nur einen Interessenten für die Vion-Betriebe in Süddeutschland. Wir sind überzeugt, dass wir als Genossenschaft – von Landwirten für Landwirte – eine sehr gute Perspektive für die heutigen Vion-Betriebe und alle Landwirte, die sie beliefern, bieten können.“ Uffelmann betont damit den genossenschaftlichen Ansatz von Westfleisch, der den Landwirten eine nachhaltige und transparente Partnerschaft garantieren soll.
„Wir werden uns in den kommenden Wochen aktiv an die Landwirte vor Ort wenden, uns vorstellen und mit ihnen in einen Dialog treten. Bereits am kommenden Mittwoch stellen wir uns den bayerischen Landwirten und Verbänden vor. Und nach der Ernte im September werden wir auch in Baden-Württemberg vor Ort sein und mit den Landwirten sprechen“, so Uffelmann weiter. Dies zeige die proaktive Strategie von Westfleisch, direkt auf die Betroffenen zuzugehen und Vertrauen aufzubauen.
Die Tierhalter bräuchten eine effiziente, regionale Schlachthofstruktur. Die gelte es im Süden zu sichern und zukunftsfähig zu machen. „Dieses Ziel unterstützen wir“ - für den Westfleisch-Frontmann „ein klares Bekenntnis zur regionalen Verankerung und zur Sicherstellung der Wertschöpfungsketten in Süddeutschland“.
„Nach dem Beschluss des Kartellamts beobachten wir sehr genau, wie sich Marktteilnehmer und politische Entscheider positionieren. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen“, sendet Dr. Wilhelm Uffelmann das Signal an Politik und Wettbewerber, dass Westfleisch bereit sei, „die Lücke zu füllen, die durch die Kartellamts-Entscheidung entstanden ist“. Als Nummer zwei in Deutschland kenne man die Anforderungen an eine zukunftsfähige Wertschöpfungskette sehr genau. Der Süden brauche jetzt keine kurzfristigen Versprechen, sondern belastbare Perspektiven für Erzeuger, Verarbeiter, Kunden und die Region. „Wir haben das Verständnis für Landwirte, kennen den Markt und verfügen über die notwendigen Ressourcen, um all das zu bieten.“ Uffelmann unterstreicht Erfahrung und finanzielle Stärke von Westfleisch, um den Vion-Betrieben eine langfristige und stabile Zukunft zu ermöglichen.
Westfleisch, als Europäische Genossenschaft (SCE) mit fast 100-jähriger Tradition (gegründet 1928), vereint aktuell rund 5100 landwirtschaftliche Mitgliedsbetriebe und beschäftigt über 7000 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2024 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von etwa 3,4 Milliarden Euro. Damit steht Westfleisch hinter Branchenführer Premium Food Group und vor Vion Food. Diese solide Basis prädestiniere Westfleisch für eine mögliche Übernahme und eine Neuausrichtung der Schlachthofstruktur im Süden, so die Überzeugung der Firmenspitze.
Die kommende Woche wird entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft des Crailsheimer Schlachthofs und der gesamten süddeutschen Fleischbranche bringen - und damit auch für die Fleischerzeuger in Hohenlohe und Tauber-Odenwald. Neben dem nun konkretisierten Interesse von Westfleisch, das eine genossenschaftlich getragene Lösung für die Vion-Standorte bieten würde, bleibt die Premium Food Group zudem mit einem gerichtlichen Vorgehen gegen die Untersagung durch das Bundeskartellamt eine weitere potenzielle Option für die Zukunft der Schlachthöfe, auch wenn dieses Vorgehen mit längerer Unsicherheit verbunden wäre.
Hearing ein Schauplatz intensiver Diskussionen
Das Hearing in Ilshofen wird zum Schauplatz intensiver Diskussionen und könnte den Weg für eine neue Ära unter der Ägide von Westfleisch ebnen. Für die Landwirte und Mitarbeiter der Vion-Betriebe ist die nun eröffnete Option mit Westfleisch ein Lichtblick in unsicheren Zeiten. Es bleibt abzuwarten, welche Lösung sich am Ende durchsetzen wird, um die dringend benötigte stabile und zukunftsfähige Schlachthofstruktur in Süddeutschland zu sichern. Die Augen der gesamten Branche sind am Montag auf Ilshofen gerichtet.
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