Markelsheim. Irgendwann fiel es auf, vielleicht beim Waldspaziergang, auf einer Blumenwiese, oder beim Essen: alles etwas fad. Erkältung? Vielleicht roch auch manches einfach anders als gewohnt. Dass die Störung des Geruchssinns ein frühes Vorsymptom einer bislang nur symptomatisch behandelbaren Erkrankung sein könnte, erfahren Betroffene oft erst viele Jahre später.
Kontakt und Information
Kontakt zum Parkinson-Stammtisch können Betroffene und ihre Familien über Telefon 0175 2633 979 erhalten.
Bereits in den nächsten Tagen steht die E-Mail-Adresse (parkinsonstammtisch@gmail.com), die gerade eingerichtet wird, zur Verfügung.
Die Gruppe freut sich immer über neue Gesichter.
Information zur Entwicklung der Forschung und Medikation ist für Parkinson-Betroffene und ihre Angehörigen wichtig.
Beim Parkinson-Stammtisch am Dienstag, 14. November (Anmeldung erforderlich) informieren die Mergentheimer Neurologie-Oberärztin Barbara Schweigert und ihr niedergelassener Kollege Herbert Hock über die Krankheit.
Beide stehen in diesem Rahmen auch für Fragen zur Verfügung. ibra
Dann kommen auch andere Frühsymptome hinzu wie erhöhte Reizbarkeit, depressive Verstimmungen, diese nervende Verstopfung und der nicht mehr erholsame Schlaf. Alles lässt sich auch ganz einfach durch Stress, Überlastung, das Alter oder hormonelle Schwankungen zurückführen. Zipperlein kennt schließlich jeder.
Jahre bis zur Diagnose
Oft erst Jahre, manchmal Jahrzehnte später fallen einem aufmerksamen Angehörigen oder Freund andere Dinge auf: Ist der Freund beim gemeinsamen Spaziergang vielleicht umgeknickt? Er oder sie läuft irgendwie unrund, hat auch schon mal über Schmerzen geklagt.
Der Sportkollegin fällt auf, dass beim leichten Joggen ein Arm nicht so flüssig mitschwingt wie sonst. Oder die einst so stolzen Buchstaben, die auf den Weihnachtskarten der Tante prangten, sind irgendwie dieses Mal viel kleiner. Jemand wird steifer, stolpert häufiger, und das so vertraute Lächeln strahlt nicht mehr übers ganze Gesicht. Irgendwann zieht man einen Arzt zurate, den Hausarzt zuerst, der einen dann vielleicht zum Orthopäden oder Neurologen überweist. Manchmal vergehen Jahre bis zur Diagnose der Nervenerkrankung „Morbus Parkinson“, an der in Deutschland Schätzungen zufolge über 400 000 Menschen leiden, die oft erst erkannt wird, wenn auch ungeübten Beobachtern das Zittern der Hand oder plötzliches Erstarren mitten in einer Bewegung aufgefallen sind.
Schon in der Antike wusste man um die damals als Alterserscheinung wahrgenommene „Schüttellähmung“. Der englische Arzt James Parkinson beschrieb die langsam fortschreitende „Shaking Palsy“ 1817. Dass das nach ihm benannte Syndrom nicht, wie er vermutet hatte, durch eine Rückenmarksstörung im Halswirbelbereich ausgelöst wird, sondern auf einen Dopaminmangel in bestimmten Hirnstammregionen zurückzuführen ist, wies erst gut 140 Jahre später der schwedische Pharmakologe Arwid Carlsson nach.
Seit gut vier Jahren finden sich einmal im Monat von Parkinson Betroffene gemeinsam mit Angehörigen zum „Parkinson-Stammtisch“ der Parkinson-Selbsthilfegruppe Bad Mergentheim.
Anfahrten von bis zu 30 Kilometer
Gern nehmen die gut 30 Mitglieder der Selbsthilfegruppe Anfahrten von bis zu 30 Kilometern in Kauf, um immer am zweiten Dienstag eines Monats im Markelsheimer Landgasthof Taubertal im nicht formalisierten Rahmen miteinander zu sprechen, sich über neue Informationen auszutauschen, sich gegenseitig zu stärken, miteinander zu lachen, auch gemeinsam zu trauern. „Darüber zu sprechen ist wichtig“, bestätigen die knapp 20 Teilnehmenden, die sich beim jüngsten Treffen im Oktober gern und offen den Fragen der Journalistin stellten.
„Allein das Zusammensein tut gut,“ bestätigt Joachim Matthey, der das Treffen mit der Pressevertreterin initiierte. „Es tut schon weh, wenn man ausgelacht wird,“ berichtet einer. Der Ausgeschlossenheit setzt der Stammtisch Zugehörigkeit entgegen – eine Zugehörigkeit, die auch die Partner und Partnerinnen der Betroffenen dringend brauchen.
„Der komplette Familienalltag muss auf Parkinson abgestimmt werden,“ berichtet die Partnerin eines Patienten.
Die Medikamente, meist mehrere, müssen zu genau geplanten Zeiten eingenommen werden, um eine Über- oder Unterversorgung mit dem vom Körper nicht mehr selbst produzierten für die Reizleitung erforderlichen Signal- und Botenstoff Dopamin zu vermeiden. Und darauf müssen nicht nur Unternehmungen, sondern auch die Essenszeiten abgestimmt werden – eine echte Herausforderung besonders für Familien mit Kindern, die eigenen Zeitplan-Taktungen folgen müssen. Aber auch L-Dopa, ergänzt ein Betroffener, könne nur Symptome lindern und müsse immer wieder dem Fortschreiten der Krankheit angepasst werden. Ein anderer fällt ein: „Die Einnahmeabstände werden immer kleiner.“
Ein Dritter ergänzt, dass das in Ausnahmezeiten besonders schwierig zu organisieren sei. Zwar brauche man hin und wieder eine Urlaubsauszeit, aber da versäume man leicht einen Einnahmetermin. Schwierig auch: Rehamaßnahmen, Kuren oder Behandlungen im Krankenhaus, die zum Beispiel bei erforderlichen Narkosen besondere Vorkehrungen erforderlich machen. Lernt man, mit Parkinson zu leben? „Man muss sich neu definieren, lernen, sich helfen zu lassen,“ so ein Betroffener. Und Partner müssen lernen, zu unterstützen, ohne die Entscheidungsfreiheit des Gegenübers einzuschränken. Bei fortschreitender Erkrankung wird manches erst immer schwerer, dann unmöglich: Autofahrer etwa müssen auf Unvorhergesehenes schnell reagieren – für Parkinson-Betroffene, die teilweise unter verlangsamten Bewegungen, plötzlichen „Freeze“- oder Zitteranfällen (Tremor) leiden können, schwierig. Immer wieder geht es um Hilfsmittel: Lifter, Gehhilfen, Rollatoren; ums seniorengerechte Wohnen, Pflegegrad-Einordnung, Vorsorgevollmacht.
Den regen Informationsaustausch untereinander ergänzt der Parkinson-Stammtisch in gewissen Abständen durch die Einladung von Fachleuten: Zu Vorsorgefragen kann ein Notar Auskunft geben, bei Fragen zu Behandlung, ergänzenden Ansätzen – Bewegung ist wichtig, Entspannungstraining, Massagen, Ergo- und Logotherapie – sowie Medikation und aktuellen Forschungsergebnissen sind Mediziner gefragt.
Unter anderem darüber berichten beim nächsten Stammtischtermin am Dienstag, 14. November (14.30 Uhr, Landgasthof Taubertal in Markelsheim) Barbara Schweigert (Neurologie-Oberärztin am Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim) und der niedergelassene Neurologe Herbert Hock, die auch für Fragen zur Verfügung stehen.
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