Auftaktworkshop

Kaum Interesse am Fußverkehrs-Check in Bad Mergentheim

Von 
Hans-Peter Kuhnhäuser
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Zum Bürger-Workshop hat die Stadt am Montagabend ins Dorfgemeinschaftshaus Neunkirchen geladen. Wer nicht kam, waren die Bürger.

Bad Mergentheim. 50 Stühle hatten die Organisatoren aufgestellt – da war schon zu sehen, dass man wohl nicht mit einem Massenansturm rechnete. Und Rainer Moritz als stellvertretender Bürgermeister konnte sich bei seiner Begrüßung kurz fassen. Denn obwohl wir alle – auch – Fußgänger sind, fand gerade einmal eine Bürgerin sowie ein Igersheimer („Ich interessiere mich sehr für Bad Mergentheimer Themen“) den Weg ins Dorfgemeinschaftshaus. Daneben waren drei Stadträte (Thomas Tuschhoff und Philip Lutzmann (Grüne) sowie Klaus-Dieter Brunotte (SPD) anwesend – von den anderen Fraktionen kam niemand. Die Stadtverwaltung war mit Baudirektor Bernd Straub sowie Michael Wolfmaier vertreten.

Kurzum: Der Besuch, besser ausgedrückt: die Bürgerbeteiligung, war, wie es heute so schön heißt, suboptimal. Wer nicht kam, hat viel versäumt – auch die Gelegenheit, sich einzubringen und Hinweise auf bestimmte Punkte zu geben, an denen der Fußverkehr alles andere als optimal laufen kann oder Verbesserungspotenzial besteht.

15 Kommunen ausgewählt

Was Fußverkehr und ein Fußverkehrs-Check eigentlich ist – es ist weit mehr als nur „Laufen“ – erläuterten Neele Ashölter und Annika Jung vom Büro Planersocietät. Das Interesse der Kommunen an diesem vom Land geförderten Check ist groß – 20 Prozent aller Kommunen haben sich beworben, Bad Mergentheim zählt zu den 15 ausgewählten.

Das Land will den Anteil des Fußverkehrs am Verkehrsaufkommen stärken – von bisher 22 soll er auf 30 Prozent steigen. Nicht umsonst gibt es seit dem vergangenen Jahr in den Regierungspräsidien Fußgängerbeauftragte. Klar ist: Der Fußverkehr hat viele Vorteile, doch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern muss die Sensibilität für dieses Thema gefördert werden. „Wir brauchen eine neue Geh-Kultur“, sagte Jung. Dazu bedürfe es „sicherer und attraktiver Wege“.

Wie der Fußverkehrs-Check laufe, erläuterte dann Neele Ashölter. Was die Stadt sowie die Bürgerinnen und Bürger dafür tun können, das wolle man mit Workshops und Begehungen herausfinden, festhalten und dem Gemeinderat vorlegen. „Fußverkehrs-Förderung ist eine ganzheitliche Aufgabe“, sagte die Planerin. Dabei sei das zu Fuß gehen die „einfachste und elementarste Fortbewegung, umwelt- und sozialverträglich, flexibel, spontan und nicht zuletzt gesundheitsfördernd“. Jeder kenne die Begriffe Flanieren, Bummeln, Spazierengehen oder Wandern, und auch an Menschen mit Beeinträchtigungen, die einen Rollator nutzen, müsse dabei gedacht werden. Sogar Navis für Fußgänger gibt es schon – das Smartphone kann das auch. Nur ab und zu den Kopf zu heben und zu schauen, wo und wohin man sich bewege, könne nicht schaden, sagte sie mit Blick auf die „Generation ‘Kopf unten’“.

Interessante Zahlen konnten die Planerinnen auch liefern: Büroangestellte laufen täglich rund 3000 Schritte, Hausfrauen und -Männer mit Kind(ern) etwa 13 000 und Briefträger rund 18 000. Die Welt-Gesundheitsorganisation empfiehlt ein tägliches Pensum von 10 000 Schritten. Und da rund 35 Prozent aller Wege, die Menschen täglich zurücklegen, weniger als zwei Kilometer ausmachen, habe der Fußverkehr ein hohes Potenzial.

In der Hochphase der Corona-Pandemie sei eine deutliche Zunahme des Fußverkehrs zu beobachten gewesen, doch der geforderte Mindestabstand habe aufgezeigt, „wie eng der vorhanden Raum ist“. Was hält die Menschen ab, zu Fuß zu gehen? Ganz einfach: Hindernisse wie Mülleimer und parkende Fahrzeuge, fehlende Querungsmöglichkeiten und schlechte Sichtbeziehungen, wozu auch dunkle Bereiche zählen, die vielfach einen angsteinflößenden Charakter haben und folglich gemieden werden.

Hindernis- und barrierefrei

Was nötig ist? „Attraktive, hindernis- und barrierefreie Gehwege mit mindestens 2,50 Metern Breite.“ Und weiter: Situativ wahrnehmbare Leitelemente und (für Menschen mit Beeinträchtigungen) differenzierte Bordsteinhöhen von null bis drei beziehungsweise sechs Zentimetern. Letztere seien „für jeden Dritten notwendig, für jede zehnte Person unentbehrlich“.

Orientierungsmöglichkeiten

Auch „durchgängige Wegenetze mit guten Orientierungsmöglichkeiten für Ortsfremde und Ortskundige“ sprach die Planerin an. Die „Aufenthaltsqualität und Spielmöglichkeiten für Kinder“ seien weitere wichtige Kriterien, denn „attraktive Fußweg-Räume sind auch Treffpunkte“.

Für den Schüler(fuß)verkehr brauche man ein sicheres Umfeld und attraktive Schulwege, damit der Hol- und Bringverkehr möglichst wirksam reduziert werden kann. Bedenken müsse man dabei auch das Mobilitätsverhalten von Kindern und Jugendlichen, denn erst ab etwa 14 Jahren sei sicheres Radfahren möglich, wobei dann die Risikobereitschaft steige. Eine Aufgabe der Kommune sei daher, die Menschen für den Fußverkehr zu motivieren und zu sensibilisieren, auf Probleme aufmerksam zu machen und die gegenseitige Rücksichtnahme einzufordern.

Nach dem, wegen der geringen Beteiligung der Bevölkerung am Auftaktworkshop nicht gerade optimalen Start, geht es nun in die Arbeitsphase, und die startete eigentlich schon im Dorfgemeinschaftshaus. Die von den Planern vorgeschlagenen zwei Begehungen – die erste ist am 7. November , die zweite zum Schulverkehr am 9. November – wurden von den Teilnehmern in Augenschein genommen. Und da wurde bereits eifrig diskutiert und auf kritische Bereiche verwiesen. 2,2 Kilometer lang ist der Vorschlag des Büros für die erste Begehung – Herrenwiesen, Kreisverkehr Activ-Center und Seniorenheime, Bahnhof, Gänsmarkt, Martktplatz, Seniorentreff (Dominikaner) und Ärztehaus sind die Fixpunkte. Dass da vielfach Querungen – etwa ins „Ried“ – fehlen, wurde von den Teilnehmern ebenso angesprochen wie andere „kritische“ Punkte wie beispielsweise die Fußgängerunterführung am Schellenhäuschen, wo vielfach Radfahrer für Probleme sorgen. Gleich zwölf Hinweise nehmen die Planerinnen auf und vermerkten sie auf der Karte. Somit wird die Begehung um einige Stationen ergänzt.

Auch die zweite Begehung (Schulverkehr, 9. November) wurde auf Anregung der Teilnehmer deutlich erweitert. So wurden neun kritische Bereiche genannt, die bei dieser Tour genauer betrachtet werden sollen, und auch die Berufsschulen (Seegarten- und Wachbacher Straße) wurden hinzugefügt.

Viel Applaus gab es dann am Ende der Veranstaltung, die viel gebracht hat und den Planerinnen wichtige Hinweise gab. So bleibt zu hoffen, dass bei den Begehungen mehr Bürgerinnen und Bürger dabei sind, ebenso wie beim Abschlussworkshop. Schließlich soll der Fußverkehrs-Check dem Gemeinderat weitreichende Handlungsfelder aufzeigen – zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger sowie der Gäste, die ja alle vielfach zu Fuß gehen, auch wenn es oft nur kurze Wege sind.

Hinweise und Wünsche

Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, der Stadtverwaltung Hinweise und Wünsche zum Thema Fußverkehr in der Innenstadt zu übermitteln. Es genügt eine E-Mail mit dem Betreff „Fußverkehrs-Check“ und dem entsprechenden Inhalt an stadtbauamt@bad-mergentheim.de. Die Hinweise sollten bis Freitag, 28. Oktober, bei der Bauverwaltung eingegangen sein, um noch vor dem nächsten Termin (der Begehung am Montag, 7. November) berücksichtigt werden zu können.

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