Georg Möller lebt, wie er in seinem jüngst erschienenen Buch "Rauben und Spielen im Wohlfahrtsstaat. Machen Sie das Beste draus!" verrät, mit MS.
Bad Mergentheim. Georg Möller wohnt mitten in der Altstadt. Vom Schreibtisch aus schweift sein Blick über Baum- und Dachlandschaften. Den Aufzug benutzt er selten. Auch seinen Lesern rät er: "Bewegen, bewegen, bewegen."
Er rät nicht zu sportlicher Leistung, nur zu Bewegung, und zwar genau zu solcher, nach der der Körper sich gerade sehnt. Möller ist Autor - nein, nicht von Gesundheitsbüchern. Obwohl das Thema immer wieder eine Rolle spielt. Das hat Ursachen: Von einer heftigen Neurodermitis hat er sich selbst geheilt, ganz einfach, weil er "nie mehr so aussehen" wollte.
Selbstheilung durch Willenskraft? Das mag ein Teil sein der Erfahrung. Wichtiger wohl für den Endvierziger ist es, auf die Signale des eigenen Körpers zu hören. Der funkt auch jetzt noch manchmal dazwischen: Georg Möller lebt mit MS.
Ärzte werden nicht reich an ihm: Abgesehen vom jährlichen Pflichtbesuch sieht ihn sein Hausarzt eher mal im Kurpark, auf Waldwegen oder beim Radeln. Trotzdem: Es ist kein Gesundheitsbuch, das Möller vorgelegt hat. Aber lernen wir ihn doch erst einmal kennen.
Georg Möller, Jahrgang 1969, stammt aus Thüringen, damals DDR. Die ersten beiden Lebensjahre verbrachte er überwiegend bei den Großeltern: Die Mutter führte ihr Studium fort, der Vater war als Soldat bei der NVA. Bis die Familie dann endgültig in Ilmenau ansässig wurde, hatte das Kind bereits drei Kindergärten erlebt. Die neue Plattenbausiedlung: bombig; die gerade neu gebaute Schule: schick. Im unmittelbaren Umfeld lebten jede Menge Kinder, gemeinsames Austoben war an der Tagesordnung. Im Nachbarort lockte die Skisprungschanze, in unmittelbarer Nachbarschaft wohnte ein Doppelolympiasieger und mehrfacher Weltmeister. Das spornt an, diktiert Lebensziele.
Erst war es der Wunsch gewesen, Dampflokführer zu werden, dann folgte die Zielsetzung Olympia. "Was will man wohl werden als DDR-Kind?" Sieger, natürlich. Es hätte ja auch was werden können, wäre nicht ein Schlüsselbeinbruch beim Sprung von der großen Schanze dazwischen gekommen. Sporttalente ließen die Talentscouts der DDR natürlich auch nach solchen Karrierebrüchen nicht aus den Augen. Sie entdeckten den Jugendlichen als mögliches Ringertalent.
Andere Lebensinteressen
Der Scout hatte nicht unrecht: Schon ein paar Monate nach dem Wechsel war Georg Möller als 16-jähriger Kreismeister im klassischen Ringkampf der Klasse bis 60 Kilogramm. Hätte was werden können, wären da nicht andere Lebensinteressen gewesen - die Begeisterung für die Mathematik, die erste Freundin. Durchaus privilegiert seien seine Kindheit und Jugend in der DDR gewesen, berichtet Möller.
Vom Besuch des naturwissenschaftlich orientierten Spezialzweigs der Goetheschule führte der Weg unmittelbar an die Uni in Dresden: Studium der Elektrotechnik. Er hatte das Vordiplom noch kaum in der Tasche, als 1989 die "Wende" kam.
"Ich habe miterlebt, wie sich ein Staat zusammenfaltete", berichtet Georg Möller - sicher ein Motiv für das den im vergangenen Jahr entstandenen Umbruchsratgeber "Rauben und Spielen im Wohlfahrtsstaat".
Im Nach-Wende-Detuschland orientierte sich Möller neu, suchte einen Studienort, der eine wirtschaftswissenschaftliche Ergänzung des Studienfachs ermöglichte. In Paderborn wurde er fündig, fieselte sich ein in die noch ganz fremde Materie des angehenden Wirtschaftsingenieurs, finanzierte das Studium durch einen Job an einer Tankstelle. Als Tankwart machte er sich gut - im Studium ebenfalls.
Zäh und letztlich erfolgreich bewarb er sich mehrfach um eine der raren Hilfsassistentenstellen bei den Paderborner Wirtschaftsinformatikern. Nein, er werde nicht bei der vorzubereitenden Weihnachtsfeier in einem Engelskostüm auftreten, ließ er seinen Professor wissen, der in Aussicht gestellt hatte, das so ein Auftritt den Karrierechancen zuträglich sein würde. Dass der mit dem schrägen Ansinnen nur die Belastbarkeit des Möllerschen Rückgrats testen wollte, stellte sich erst am Tag vor der Feier heraus.
Für Möller blieb das eine Lehre fürs Leben: "Ich lasse mich nicht verbiegen." Der Maxime folgte der diplomierte Wirtschaftsingenieur auch, als er zunächst als Methodenplaner, dann als Controller in Friedrichshafen am Bodensee arbeitete. Sechs Jahre blieb er dort, ehe ihn ein Mitarbeiter eines Taubertaler Unternehmens in die Region lockte. Als Leiter des Bereichs Beschaffung standen Karrierechancen offen - doch Möller lockte anderes: Er sattelte um auf eine Tätigkeit als Trainer und Berater, erst im Angestelltenverhältnis, dann selbstständig.
Warum? Der Gedankengang eines Seminarleiters hatte ihn überzeugt: Was wirklich zähle, seien die knappen Güter Gesundheit und Lebenszeit; Geld sei nur Mittel zum Zweck. Dass ausgerechnet ein Kalkulator so nachrechnete, überzeugte Möller - und er versuchte, herauszufinden, was für ihn wirklich zähle. Und das war eben nicht die Maxime "schneller, höher, weiter", sondern der Wunsch, zu schreiben. Heute wundert es ihn nur noch, dass ihn die Perfektionierung der Maximierungs-Maxime jemals so interessiert hat, dass sogar mit "Auf Kurs bringen" ein Fachbuch für Führungspersonal daraus entstand.
"Geld ist keine Lebenswährung"
Veränderungen, hat Möller erfahren, entstehen im Kopf - und die Lebenswährung heißt nicht Geld, sondern Lebenszeit und Gesundheit. Zehn Jahre war er angestellt, zehn Jahre selbstständig.
"Erst ging es um Zahnräder, dann um Zahnräder mit Kabel und letztlich um Zahnrad mit Smartphone", fasst er zusammen.
Und jetzt? Jetzt sagt er: "Reich ist, der weiß, dass er genug hat!" Eine rare Einstellung - vielleicht aber eine heilsame in einer Zeit, in der eine Krise die nächste jagt und das Währungssystem, so Möller, auf eine Katastrophe hinausläuft.
Mit seiner Einschätzung steht Möller, der immerhin den Zusammenbruch der DDR hautnah miterlebte, nicht allein. Er nennt es "euphorisches Siechtum" und rechnet über kurz oder lang mit der Implosion von allem "Über" - von Überfluss und Überschuldung, Überproduktion und Überinformation. Sein Zukunftsrat: "In Deckung gehen, durchkommen, gesund bleiben und abwarten, bis sich der Staub verzieht."
Bücher in Arbeit
Bis dahin aber schreibt Georg Möller jeden Tag fünf Gründe auf, warum er sich freut.
Und er hat weitere Buchprojekte in Arbeit. Eines wird noch im ersten Halbjahr 2017 erscheinen: Verraten mag er noch nichts, außer, dass es sich nicht um Wirtschafts- oder Gesundheitsthemen drehen wird und doch ganz alltagstauglich mit beidem zu tun hat. Man darf gespannt sein.
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