Saisoneröffnung in der Tauberphilharmonie

Frisch, unbeschwert und enthusiastisch

Jetzt startet in Weikersheim die neue Saison

Von 
Bettina Semrau
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Saisoneröffnung Weikersheim Tauberphilharmonie © FN

Bad Mergentheim. Weikersheim Was für eine Saisoneröffnung! Mozart und Beethoven – natürlich, so etwas überrascht erst mal nicht wirklich. Aber wie Fabian Müller und sein erst 2023 gegründetes „The Trinity Sinfonia“-Orchester die beiden Granden interpretieren, ist eine so mitreißende Erfahrung, dass das Publikum atemlos Lauschte, gar nicht genug Beifall spenden konnte und sich Dirigent und Orchester nach der Aufführung beglückt in den Armen lagen.

Und das nach der bislang kürzesten Sommerpause, die die TauberPhilharmonie seit ihrer Eröffnung jemals einlegte. Noch klingt vom Abschlusskonzert mit den rund 170 Musizierenden des Bundesjugendorchesters und des Weltjugendchors unter der begnadeten Leitung von Tan Dun Beethovens „Neunte“ in den Ohren, lockt schon ein ganz und gar anderer Beethoven, von Fabian Müller, dem ersten von der TauberPhilharmonie als „Wohnzimmerkünstler“ zur Residenz geladenen Pianisten, Dirigenten, Komponisten und Musikvermittler kongenial mit Mozart zusammengespannt: gewagt, gewiss, entsprechend leider auch nicht ausverkauft. Und doch für die, die es erlebten, am besten beides, ein unvergessliches Erlebnis.

So frisch, so unbeschwert, so enthusiastisch durchatmet und durchglüht sind diese drei vorwiegend heiter gestimmten Klangwerke – Mozarts Klavierkonzert A-Dur KV 488 und die beiden Beethoven-Sinfonien Nr. 8 F-Dur op.93 und 4 B-Dur op.60 – kaum jemals zu hören und – nicht zu vergessen bei einem Live-Konzert – eben auch zu sehen.

Das liegt an diesem Dirigenten, der frei bekennt, er „dürste nach Musik“. Mit nicht einmal Mitte dreißig gehört er zu den gesuchtesten Pianisten seiner Generation, sorgte in der New Yorker Carnegie Hall ebenso für Furore wie in der Elbphilharmonie, beim Rheingau Musik Festival, den Schwetzinger Festspielen und beim Bonner Beethovenfest. Und das liegt an seinem Orchester: handverlesen aus dem kammermusikalischen Schatzkästlein der Gegenwart. „The Trinity Sinfonia“ vereinigt rund 30 Spitzenmusiker und -musikerinnen aus Aris Quartet, vision string quartet und Monet Quintett mit weiblichen und männlichen Solobläsern führender deutscher Sinfonieorchester. Wenn sie gemeinsam musizieren, unterziehen sie Klassiker einer Frischzellenkur, die die Altmeister zu ganz neuem Leben weckt. Und sie musizieren zu sehen, ist eine eine Freude, die Musikliebhaberherzen vor Verzückung ins Stolpern bringt. Wie animiert, beseelt und regelrecht liebend sie ihrem vom Flügel oder ohne Pult und Noten aus ihrer Mitte heraus nicht nur führenden, sondern von Kopf bis Fuß mitschwingenden Dirigenten folgen, ist eine Klasse für sich. Es ist ein einziges Klangwesen, das da agiert, Zelle für Zelle, Nerv für Nerv, Facette für Facette ineinander verwoben, das sich miteinander atmend und spürend gegenseitig energiesprühende Funken zuwirft, die jedes Publikum einfach mitreißen, zu einem einzigen Ohr zusammenführen müssen. Das ist es wohl, was Müller meinte, als er im Vorfeld des Bonner Beethovenfests meinte, als er einen Konzertbesuch als „eine ganz direkte Demokratiemaßnahme“ bezeichnete.

TauberPhilharmonie-Intendant Johannes Mnich hatte vor dem Konzert das Publikum ermuntert, „im Kopf gute Bilder entstehen zu lassen“; es lohne sich gerade in Zeiten, die reich sind an Dystropien und Schreckensszenarien.

Was wäre fürs Entstehen guter Bilder im Kopf besser geeignet als dieses heiter geprägte, parallel zu Mozarts Arbeit an „Figaros Hochzeit“ komponierte Klavierkonzert A-Dur, das mit so wunderbar weich-erdigem Eingangston der Streicher in quick-lebensvolle Pianoläufe und brillant funkelnde Lichtklangreflexe führt? Wunderbar verzögernd knetet Müller vom Klavier aus nach dem Allegro das tief atmende Adagio, erwinkt im dritten Satz ein furioses, wunderbar austariertes und ausformuliertes Frage-, Antwort- und Zusammenspiel – eben genau das, was Interessierte in der auch in Talkshows kulturlos gewordenen Debatte so kläglich vermissen.

Dann, nach kurzer Umbaupause, Beethovens 8. Sinfonie, machtvoll, fein tänzelnd, sinnierend, auftrumpfend: ein freier Geist schuf eine Hymne an die Unabhängigkeit, die Müller bis in die feinsten Töne und Zwischentöne gekonnt zu modulieren vermag. Wie köstlich klingt hier ein humorvoll die Lippen des Komponisten umspielendes Lächeln durch, das sich auch im dritten, eher vorgeblich als Menuett formulierten Satz fortsetzt, in dem aus stolzem Schritt ein kaum gezügeltes „Ich! Schaut! Hier!“ erwächst, das nur mit Mühe versucht, nicht allzu arrogant aufzutreten. Und dann, im vierten, surren Bienenvölker und Gerüchte vorm energischen „Kusch“ von Komponist und Dirigent. Dass sich an manchem Instrument Pferdehaar auf Pferdehaar aus dem Bezug der Bögen löst: kein Wunder. Der Qualität der Aufführung tut‘s keinen Abbruch.

Und nach der Pause Beethovens „Vierte“, ein Werk, entstanden zwischen „Eroica“, der heroischen Dritten, und der Fünften, der „Schicksalssinfonie“ mit ihrem eingangs drohend klopfenden Ta-ta-ta-taaaa. Dazwischen Leichtigkeit, Romantik, Klangbilder, die auf Licht, Idylle, Freundlichkeit verweisen? Die Basis wohl: Verliebtheit. Jene Comtesse Josephine Brunsvik vermochte es wohl, den oft schwerblütigen Komponisten heiter, witzig, satirisch-lebenslustig zu stimmen, wie Ignatz von Seyfried, der 1805 die Premiere der Originalfassung von Beethovens „Fidelio“ dirigierte, mutmaßte. Sie stehe – Johannes Mnich hatte auf Robert Schumanns Charakteristik verwiesen – „wie eine griechisch schlanke Maid zwischen zwei Nordlandriesen“.

Nicht nur: das nordisch kühle klingt in Eingang durch in langen Einzelklängen, als weine sich ein Gletscher sacht tauend aus dem Winter, ehe ein heiteres Frühlingsbächlein munter aus dunklen Wäldern sprudelt, sich über Felsgratstufen und durch tiefe Grotten den Weg bahnt. Wahrhaft romantisch der Einstieg in den zweiten Satz, verträumt, auf leises Tütatü hin sein im Traum sich regendes singendes Orchester, das selbst über die eingewebte kleine Schöpfung zu staunen scheint. Das Menuetto: Allein schon ein Konzert. Und das Allegro, vierter Satz: darüber verliert sich jeder Alltagsrest im Kopf.

Stürmischer Beifall, logisch, für einen Auftakt zur Saison, der Seinesgleichen sucht.

Redaktion Redakteurin bei den FN

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