Ellwangen/Bad Mergentheim. "Ich wollte nie, dass sie die Treppe runterstürzt, ich wollte niemals, dass sie dabei hätte zu Tode kommen können". So äußerte sich gestern die Angeklagte vor der Ersten Schwurgerichtskammer am Landgericht Ellwangen. Die psychisch kranke und möglicherweise schuldunfähige Frau soll am 16. September vergangenen Jahres in einem Pflegeheim für psychisch Kranke im südlichen Main-Tauber-Kreis eine Mitarbeiterin eine Treppe hinuntergestoßen haben, versuchter Totschlag lautet der Vorwurf. Für die 33-Jährige steht eine dauerhafte oder lebenslange Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie auf dem Spiel.
Es gehe darum, eröffnete gestern Morgen die Staatsanwalt die Anklage, ob die Frau eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeute und inwieweit sie schulfähig oder schuldunfähig sei. In mehreren psychischen Kliniken lebte die Frau bereits zuvor, das Amtsgericht Bad Mergentheim hatte eine Unterbringung bis nächstes Jahr angeordnet, aktuell beim Prozessauftakt ist sie in einer Einrichtung in Bad Schussenried untergebracht. Ausführlich ging gestern die Kammer auf den Lebenslauf der Angeklagten ein. Nach ihrer Schulausbildung ging sie in die Lehre eines großen Unternehmens in der Region und wurde während der Ausbildung schwanger. Offenbar war dies ein großer und schwerer Einschnitt für die Frau und deren Verwandte. Der Vater der heute elfjährigen Tochter verließ sie sofort und zahlt auch keinen Unterhalt, erklärte die Angeklagte. Um das Kind kümmerten sich die Verwandten, der Vater der Angeklagten hat das Sorgerecht. "Mein Kind weiß, dass ich krank bin, aber sie versteht es noch nicht," erklärte sie. Sie verstehe auch nicht ganz, erklärte die Vorsitzende Richterin Sabine Roggenbrod, wie man sich genau die seelische Situation vorstellen muss, in der sich die Frau beim Zeitpunkt der Tat befand. Die Frau, die bereitwillig Auskunft gibt, hatte von "Paranoia, Angstzuständen und "dem Gefühl des Verfolgtsein" gesprochen. Sie könne es selbst nicht erklären, warum sie die Pflegehilfskraft die acht bis zehn Treppen hinuntergestoßen habe - "ich bin kein Arzt, ich weiß nicht, woher das alles kommt". Sie dachte öfter, dass ihr jemand etwas Böses will - "ich habe Angst, dass mich jemand vergiftet."
Aggressives Verhalten
Manchmal neige sie schon zu aggressivem Verhalten, erklärten einige der Zeugen, geladen sind über 20. Wenn sie im Heim für eine halbe Stunde fixiert wurde, erklärte die Angeklagte, sei sie wieder "ruhig und zufrieden" gewesen. Auch Medikamente hätten sie beruhigt. Am Tag der Tat hätte sie um Tabletten gebeten, aber keine bekommen.
Die Schwester der Angeklagten berichtete gestern davon, dass sich ihre Schwester in einem anderen Heim viel wohler gefühlt hätte. Die Betreuung zu Hause sei jedenfalls keine Lösung gewesen: "Die Familie war völlig überfordert". Zudem erklärte sie, ihre Schwester sei von einem Heim ins nächste verschoben worden und sei nie richtig therapiert worden: "Hätte man die psychischen Störungen früher erkannt, hätte man alles in Bahnen lenken können".
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