Edelfingen. Carolin und Harald Schneider halten Schafe aus Leidenschaft. Tag für Tag haben sie mehr als zehn Stunden zu tun, um ihre 500 Merinoschafe und 50 Coburger Fuchsschafe zu versorgen. Ihre wertvolle Arbeit der „tierischen“ Landschaftspflege ist jetzt im Frühjahr nach dem Ergrünen der Hänge des Taubertals nicht nur an der Blütenpracht der Orchideen zu erkennen. Durch die seit Jahrzehnten betriebene Wanderschäferei auf 60.000 Quadratmetern wurden wertvolle Biotope erhalten und geschaffen.
Die Wacholderheiden oberhalb von Edelfingen sind ein typisches Beispiel für eine eindrucksvolle Kulturlandschaft. Mit ihren Schafen sorgen sie für Biodiversität. Es werden Lebensräume seltener Pflanzen, Insekten und Reptilien erhalten. Und der Tourismus profitiert ebenfalls. Im Gegensatz zur Maschinenpflege kann nur die Schafbeweidung diese gefährdeten Biotoptypen erhalten. Ihre genügsamen Merinoschafe kommen mit ebenem und steilem Gelände und den hier vorherrschenden trockenen Standorten mit geringstem Futterertrag zurecht.
Wegen der geringen Trittbelastung durch die Schafbeweidung besteht kaum Erosionsgefahr. Ganz gezielte Naturschutzbelange werden durch flexibles und unterschiedlich intensives Abhüten erreicht. Mit seiner Schäferschippe hilft Harald Schneider bei der Dauerpflege mit, indem er für ihn unerwünschte Arten wie Disteln oder Gehölzjungwuchs aussticht. Die Schäferei in Edelfingen ist ein erfreulicher Sonderfall, denn sie besteht in der ersten Generation und wurde 1985 gegründet. Lediglich hundert Schafhaltungen werden hauptberuflich im ganzen Ländle betrieben, die meisten auf der Schwäbischen Alb.
Viele Schäfereibetriebe leiden unter fehlender Betriebsnachfolge. Zum Glück begeistert sich der 20-jährige Juri , der Sohn des Ehepaars Schneider, nicht nur an der Landtechnik, mit der das Dauergrünland, die Mähwiesen und Weiden und das Ackerland des Biobetriebes bewirtschaftet werden. Juri erlernt den Beruf Landwirt, als reiner Schäfer wäre die Ausbildung zum Tierwirt vorgegeben. Aber dabei käme sein Steckenpferd Agrartechnik zu kurz. Er lernt in seinem dritten Ausbildungsjahr auf dem konventionellen Milchviehbetrieb Schreck in Königheim. Das zweite Jahr seiner Lehrzeit absolvierte er ebenfalls auf einem Milchviehbetrieb. Im kommenden Winter möchte er seine Ausbildung an der Akademie in Kupferzell fortsetzen. Seit Juli letzten Jahres ist er im elterlichen Betrieb Mitglied der GbR. Mutter Carolin (55 Jahre ) und Vater Harald (57 Jahre) freuen sich, wenn ihr Sohn seine Arbeitskraft in Zukunft voll dem Betrieb widmen kann. Denn die Mutter ist zu 80 Prozent als Lehrerin in Künzelsau tätig und der Vater erwerbsgemindert.
Aus Liebe zu Schafen
Carolin Schneider hatte schon als junge Frau eine Leidenschaft für die wolligen Tiere. Ihr Hobby waren Heidschnucken, aus der Wolle filzte sie Teppiche nach Vorbildern aus Turkmenistan. Sie suchte einen Schafbock per Annonce und lernte von Mainhardt aus ihren zukünftigen Mann auf diese ungewöhnliche Weise kennen. In ihren Schulferien kam sie ins Taubertal und hütete seine Schafe. Nicht leicht fiel ihr der Abschied aus dem kühlen Mainhardter Wald mit seinen immergrünen Wiesen ins sommertrockene Taubertal. Aber jetzt hat sie Heimweh nach ihrer Familie und den ihr anvertrauten wolligen Geschöpfen, wenn sie diese drei Tage nicht gesehen hat.
Die Schafherde verbringt 90 Wintertage in einem Weihenstephaner Rundholzstall. Daneben ist der Bergeraum für Heu und Stroh. 250 Siloballen, 200 Rundballen Heu und 150 Strohballen bilden das Grundfutter. Das eigenerzeugte Dinkel- und Hafergetreide wird an die Schafe verfüttert. Die Herde besteht hauptsächlich aus Merinolandschafen , diese Rasse wurde früher auch Württemberger Schaf genannt. Einst waren sie wegen ihrer Wolle begehrt. Die Tiere zeichnen sich durch Widerstandsfähigkeit, Robustheit, wirtschaftliche Lammfleischerzeugung bei unterschiedlichen Produktionsintensitäten während des gesamten Jahres aus. Sie bestechen durch beste Eignung zur Landschaftspflege bei Hüte- und Koppelhaltung. Das Schaf wird als Haus- und Nutztier von Menschen seit Tausenden von Jahren genutzt. Das Mufflon ist die Stammform.
Bevor andere Textilien auf den Markt kamen spielte das Schaf früher in Deutschland als Wolllieferant eine große Rolle. Heute ist es vor allem Fleischlieferant. Wolle ist für den konventionellen deutschen Schafzüchter nur noch ein „unerwünschtes Nebenprodukt“. Dennoch müssen die Schafe jedes Jahr geschoren werden.
Erlebnis Schafschur
Die Schur einer ganzen Schafherde ist ein besonderes Erlebnis, erklärt Steven Michelbach, der selbst mehrere Obst- und Orchideenwiesen überwiegend in Handarbeit pflegt. Von Hektik und Stress gegenüber den Tieren ist überhaupt nichts zu spüren. Das Schafschur-Team der Familie Dürr aus Mulfingen arbeitet ruhig und sicher, absolut professionell. Dem Zuschauer nötigt es großen Respekt ab, wenn ein 80-kg-Schaf mit gekonntem Griff aus der Boxengasse gehoben, in Ringermanier auf den Rücken gelegt und mit festem Griff in Position gehalten wird. Der Schafscherer oder die Schafschererin muss gleichzeitig das Schaf unter sich festklemmen, um dann mit sicherem Schnitt das automatische Schneidmesser zu führen.
Geduldig ergeben sich die Tiere in die Prozedur. Je ruhiger das Tier, desto schneller ist das gesamte Wollvlies in einem Stück abgenommen. Jeweils nur wenige Minuten werden für ein Tier benötigt, so dass es schnell wieder zur Herde zurück kann. Der Scherer hat derweil keine Zeit zum Ausruhen, sondern er greift sich ohne Pause das nächste Schaf aus der Boxengasse. Nach gut einer Stunde harter Arbeit ohne Verletzungen für die Schafe bekommt er eine Pause.
Schon nach 15 Minuten geht das gesamte Team wieder an die schweißtreibende Arbeit. Daneben gibt es Helfer, welche die Schafe zu- und wegführen. Auch die gewonnene Schafwolle muss ständig aus dem Arbeitsbereich gebracht und in großen Ballen verwahrt werden. Enttäuschend für die Schäferfamilie Schneider ist, dass die Schafschur teurer ist als der Wert der Wolle. Zwischen 0,70 und 1,10 Euro werden pro kg konventionelle Schafwolle bezahlt, die Schur kostet jedoch 3,50 Euro. Pro Schur liefert ein Schaf drei bis vier Kilogramm Wolle. Der Preisverfall ist unverständlich, denn die Wolle hat hervorragende Eigenschaften.
Früher „verschenkten“ Schneiders ihre Wolle. Sie wurde zu Dünger oder zu Isoliermaterial und war sogar „Risikomaterial“. Seit ihre Wolle als Biowolle anerkannt wurde, ist sie nicht mehr Abfallprodukt , sondern plötzlich 2,5 Euro pro Kilogramm wert. Über eine Schäfereigenossenschaft in Süddeutschland wird die Wolle zu modernen, funktionalen und hochwertigen Produkte verwertet.
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