Bad Mergentheim. „Wenn man über den Wald sprechen will, sollte man das auch direkt dort tun“, so Patrick Halbauer, der stellvertretende Amtsleiter des Forstamts, im Vorfeld. Folgerichtig findet das Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten also vor Ort im Distrikt Steinbühl, einem Teil des Bad Mergentheimer Stadtwaldes bei Rengershausen, statt.
Warum ausgerechnet hier? „Man hat hier auf recht engem Raum alle Phänomene, die die Bad Mergentheimer Wälder im Allgemeinen betreffen“, erklärt Halbauer die Auswahl des Waldstücks. Zusammen mit Lea Moos, die das Forstrevier „Bad Mergentheim Süd“ leitet, erklärt er hier anschaulich den Zustand der lokalen Wälder. Vorneweg ist ihm wichtig zu betonen, dass die Zustände in der Region nicht zu vergleichen seien mit Teilen Ostdeutschland wie dem Brocken im Harz, wo aufgrund der Dürre große Waldflächen abgestorben seien.
Dennoch: „Wir haben seit 2018 jetzt das sechste Jahr sehr warmes, niederschlagsarmes Wetter. Die Bäume haben Klimastress“, beschreibt Halbauer die Situation. Man sehe es an fast jeder Baumart, auch bei der häufig vertretenen Buche, die mit solchen klimatischen Veränderungen eigentlich gut klar kommen sollte. Der relativ feuchte Jahresbeginn habe das Trockenheitsdefizit nicht ausgleichen können, die trockenen Monate Mai und Juni haben den erst im Frühjahr gepflanzten Bäumen zugesetzt.
„Man erkennt die Schäden oft direkt beim Blick auf das Laub“, erklärt Lea Moos und deutet auf eine Baumgruppe, bei der das fahle und zusammengerollte Laub an den höheren Ästen schon auf stärkeren Wassermangel hindeutet.
Erschwerend zur Trockenheit hinzu kommt der aktuell starke Schädlingsbefall. „Viele der Schädlinge gab es zwar schon immer hier, durch die Trockenheit sind die Bäume aber geschwächt und können dem Schädlingsbefall nichts mehr entgegensetzen“, erklärt Försterin Moos weiter.
Tannenborkenkäfer, Buchdrucker, Eschentriebsterben und vieles mehr – die Herausforderungen für die Förster werden nicht weniger, der Arbeitsaufwand wächst so deutlich. „Es sind momentan schon chaotische Zeiten mit dem Käferbefall, Dürreschäden und auch Sturmwürfen“, gibt Halbauer einen Einblick in die derzeitige Situation der Förster im Kreis.
Das größte Problem ist dabei eindeutig die Trockenheit. „Das ist vor allem auch für neu angepflanzte Bäume schwierig. Und beginnende Trockenheitsschäden sind kaum noch umzudrehen“, führt die Mergentheimer Försterin aus.
Schädlingsbefall sichtbar
Beim Besichtigen einer Fichtenkultur zeigen sich die Schäden am deutlichsten. „Die Bäume sind eigentlich schon tot und wissen es nur noch nicht“, bringt es Patrick Halbauer nüchtern auf den Punkt. „Auf den ersten Blick sehen sie sogar noch ganz ordentlich aus, aber wenn man näher kommt, sieht man die Schäden im Stamm sehr deutlich“, ergänzt die Revierleiterin.
In der Tat: überall ist braunes Mehl, das an Kaffeepulver erinnert, zu sehen. Dieses Bohrmehl ist zu beobachten, wenn sich die Schädlinge in die Baumrinde einbohren. Dann ist nichts mehr zu machen, nur eine Entnahme der Bäume kann dann noch helfen, zumindest die Verbreitung des Schädlings einzudämmen. Enge Kontrollzyklen im Zwei-Wochen-Takt sollen Befall hierbei frühzeitig aufdecken.
Vor dem Hintergrund der größer werdenden Herausforderungen geht es im Forstbezirk Bad Mergentheim auch darum, den klimatisch angepassten „Wald der Zukunft“ zu gestalten. Was für ein Anblick erwartet zukünftig also Spaziergänger in den Wäldern rund um die Kurstadt?
„Er wird stark durch Laubbäume sein und eine große Vielfalt haben“, blickt Halbauer in die Zukunft. Auch neue oder bislang eher wenig beachtete Arten wie die Zedern, der Tulpenbaum, die Hainbuche oder die Baumhasel werden vermehrt zu sehen sein, da sie mit den neuen Rahmenbedingungen trocken-heißer Sommer besser zurecht kämen als beispielsweise die Fichte, deren Vorkommen sich wohl stark verringern wird. „Man kann es natürlich nie mit endgültiger Gewissheit sagen, aber die Fichte ist hier vermutlich nicht zu halten“, erklärt Halbauer. Umso wichtiger die Teststadien mit Bäumen wie der Zeder, deren Pflanzung bislang zur Zufriedenheit der beiden Experten verläuft.
Grund zur Zuversicht
Doch es gibt auch Grund zur Zuversicht: „Die Nachpflanzungen funktionieren bislang gut“, erklärt Lea Moos. Die Setzlinge machen große Fortschritte und auch die sogenannte Naturverjüngung sei intakt. Hierbei wachsen neue Bäume durch herabgefallene oder angeflogene Samen von umstehenden Bäumen. Diese Art des Wuchses sei den menschlichen Pflanzungen überlegen, da das natürliche Wurzelwachstum dieser Bäume robuster sei.
Zur Pflanzung werden neue Setzlinge aus der Region bezogen, wenngleich es derzeit Probleme mit der Verfügbarkeit gibt, da die großen Schäden in Ostdeutschland für eine vermehrte Nachfrage von dort sorgen.
Insgesamt blicken Patrick Halbauer und Lea Moos optimistisch in die Zukunft. „Eine Sorge vor Waldflächenverlust habe ich nicht. Der Wald wird sich verändern und ein anderes Bild abgeben, das aber auch nicht von heute auf morgen“, prognostiziert der stellvertretende Forstamtsleiter.
Die Basis werden dabei auch weiterhin heimische Hölzer bilden, da diese den speziellen Anforderungen der Region (wie beispielsweise einem späten Frost) gewachsen seien. Monokulturen werden voraussichtlich weniger zu sehen sein, durch aktuelle Pflanzungen mit guten Zukunftsperspektiven steht jedoch die nächste, vielfältigere „Waldgeneration“ gewissermaßen in den Startlöchern.
So dürfte auch in Zukunft bei ausgedehnten Spaziergängen durch den Bad Mergentheimer Raum ein Abstecher in die Wälder lohnenswert sein, die Förster arbeiten mit naturnaher und nachhaltiger Bewirtschaftung daran, dass dieser auch weiterhin ein wichtiger Ort für Mensch und Tier bleibt.
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