Odenwald-Tauber. Man fühlt sich ein bisschen an die Coronapandemie zurückerinnert. Als schließlich nach erfolgreicher Entwicklungsphase Impfstoffe zugelassen wurden, dauerte es in Deutschland einige Zeit, bis die zahlreichen Impfwilligen mit Impfdosen versorgt werden konnten. Die Knappheit des Impfstoffs war lange Zeit entscheidender Faktor für langsamen Fortschritt beim Impfen, es mussten Priorisierungen vorgenommen werden und die Terminvergabe ging mit teils langen Wartezeiten einher.
Doch diese Knappheit beschränkt sich nicht nur auf Corona-Impfstoffe, mittlerweile gilt sie für hunderte Medikamente. Schmerzmittel, Fiebersenker, Antibiotika und eben auch die für Diabetes und Übergewicht so wichtigen Präparate Ozempic und Wegovy – in den Apotheken sind hunderte Medikamente teils rar oder überhaupt nicht mehr verfügbar.
Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte bezeichnet es offiziell als Lieferengpass, wenn ein Arzneimittel länger als zwei Wochen nicht verfügbar ist. Anfang Dezember werden in Deutschland bei über 500 Medikamenten Lieferengpässe gemeldet.
Zwar bedeutet ein Lieferengpass nicht unbedingt gleich, dass es zu einem Versorgungsengpass kommt. Gerade im Falle der Diabetes- und Abnehmpräparate ist die Knappheit nach Schilderungen von Ärzten und Apothekern aus der Region tatsächlich gleichbedeutend mit einer Unterversorgung.
Verengung im Markt
Doch warum ist die Versorgung mit Medizinprodukten in Deutschland so lückenhaft geworden? Hubertus Kranz vom Bundesverband der Arzneimittelhersteller nannte in einem SWR-Interview als Ursache eine „Verengung im Markt“, die aufgrund einer sinkenden Zahl an Herstellern und einem in Deutschland sehr niedrigen Preisniveau entstanden sei.
Ökonomische Gründe werden oft als Ursache für die Knappheit herangezogen. Im Zuge der Globalisierung produzieren die meisten Arzneimittelhersteller aus Kostengründen nicht mehr in Europa, sondern fast nur noch in Asien (hier vor allem in China und Indien). Treten dort Probleme in der Produktion auf, hat dies globale Folgen, die man in der heimischen Apotheke spüren kann.
Eine „schnelle Lösung“ für die Problematik sieht Hubertus Kranz nicht. Als nachhaltige Lösung plädiert er für mehr europäische Kapazitäten in der Arzneimittelherstellung und -lagerung, um so unabhängiger von globalen Lieferketten zu werden.
Insofern gibt es gute Nachrichten für den Standort Deutschland: Der US-Pharmakonzern Eli Lilly will für einen Milliardenbetrag eine neue Produktionsstätte in Alzey, südlich von Mainz gelegen, errichten. Hier soll ebenfalls ein Diabetes- und Abnehmpräparat hergestellt werden, das der Konzern erfolgreich testete. Auch die Politik reagierte, im Juni hatte der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, damit in Zukunft die Medikamente in Deutschland nicht mehr knapp werden.
Neben einer besseren Vergütung für die Medikamente sollen auch pragmatische Lösungen, beispielsweise der Ersatz von Medikamenten in Tablettenform durch eine gleichwertige Alternative, gesetzlich erleichtert werden. Doch diese Maßnahmen wirken bestenfalls langfristig. Für die unmittelbare Zukunft ist die Prognose von Apotheker Ulrich Doerner mit Blick auf die Abnehmpräparate pessimistisch. „Bestenfalls im Frühjahr“ sei eine Entspannung der Situation zu erwarten.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-deutschland-als-medikamentenwueste-_arid,2154289.html