Bad Mergentheim. Vorträge des Historikers Hartwig Behr sind stets etwas Besonderes. Er erforscht seit vielen Jahren die lokale Geschichte und kann sie wie kein Zweiter vermitteln. Seine Vorträge veranschaulicht er mit Fotografien und historischen Dokumenten.
Behr baut einen Spannungsbogen auf, durch den es ihm gelingt, seine Zuhörerschaft über 90 Minuten zu fesseln. Durch den Bezug zu Orten, die man aus dem täglichen Leben kennt, und mit konkreten Biografien vermittelt er Geschichte lebensnah und emotional anrührend. Einen solchen Vortrag über das kurze Leben des in Mergentheim geborenen jüdischen Journalisten Felix Fechenbach erlebten die Zuhörer am Mittwoch im Deutschordensmuseum.
Kämpfer für die Freiheit
Hartwig Behr war es ein Anliegen, Felix Fechenbach als "einen bedeutenden Mann der Demokratiegeschichte Deutschlands" vorzustellen. Er sieht in ihm einen Kämpfer für die Freiheit der Bürger, einen Pazifisten, einen Menschen, der sich für die Nichtprivilegierten einsetzte - und ein frühes Opfer des Nationalsozialismus im Jahr 1933. "Kein anderer Mergentheimer Politiker hat sich so große Verdienste um die Demokratie erworben wie er", so Behrs Fazit.
Fechenbach wurde 1894 als Sohn des jüdischen Bäckers Noe Fechenbach und seiner Frau Rosalie geboren. Sein Geburtshaus stand am Gänsmarkt und ist vor etwa zehn Jahren einem Neubau gewichen.
Noch im Jahr seiner Geburt übersiedelte die Familie nach Würzburg, wo der Vater eine Bäckerei betrieb. Die Familie lebte in eher ärmlichen Verhältnissen. Noch vor Schulbeginn musste Felix Backwaren austragen. In der Schule sei er daher müde und wenig erfolgreich gewesen. 1912 kam er nach München, seiner wichtigsten Station. Trotz seiner geringen Schulbildung verfasste er schon Artikel und hielt Vorträge. 1914 musste Felix Fechenbach in den Krieg ziehen. 1915 wurde er so schwer verwundet, dass er anschließend nur noch Garnisonsdienst verrichten konnte. Er kam zurück nach München, wo er dem für ihn prägenden Menschen Kurt Eisner begegnete. Oskar Maria Graf zufolge war es Fechenbach, der im November 1918 die Menschen in München mitriss, um gewaltfrei die erste Republik - den Freistaat Bayern - zu gründen. Kurt Eisner wurde erster Ministerpräsident und machte Fechenbach zu seinem persönlichen Sekretär. Reaktionäre Kräfte, insbesondere der Herausgeber der "Süddeutschen Monatshefte", Paul Nikolaus Cossmann, vertrat die Dolchstoßlegende und griff Eisner und Fechenbach publizistisch an. Im Februar 1919 wurde Eisner hinterrücks ermordet und Fechenbach verlor seine Arbeit.
Prozess war Justizskandal
Es kam zu Prozessen gegen Felix Fechenbach. Er wurde von Richter Hass in München zu elf Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Das Urteil erging im Namen des Freistaats Bayern, man kann sagen, gerade weil er geholfen hatte, an der Seite von Kurt Eisner eben diesen zu schaffen. Es war ein Justizskandal, ein politisch motiviertes Racheurteil des alten monarchistischen Systems, von dem der Richter ausgebildet worden war. Man wollte damit Rache an Kurt Eisner nehmen. Da dieser aber nicht mehr lebte, rächte man sich an einem Prügelknaben, an seinem Sekretär. Dieser "Fechenbach-Prozess" wurde viel beachtet, auch im Berliner Reichstag diskutiert. Am selben Tag wie Adolf Hitler, am 20. Dezember 1924, wurde Fechenbach aus der Haft entlassen. Seine Erfahrungen im Zuchthaus verarbeitete er in seinem Buch "Im Haus der Freudlosen".
Im Oktober 1929 übernahm Felix Fechenbach die Redaktion des Volksblattes Detmold, einer sozialdemokratischen Zeitung. Vermutlich wollte er, dass seine Kinder, die er gemeinsam mit seiner Frau Irma hatte, in ruhigerem Umfeld aufwachsen. Bei den Nationalsozialisten machte er sich bald Feinde, indem er unter der Figur des "Nazi-Jüsken" Interna der NSDAP ausplauderte. Das reizte diese umso mehr, als sie das Leck in ihren Reihen nicht fanden. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler wurde es für Felix Fechenbach gefährlich. Er schickte seine Familie nach Augsburg. Sie floh später in die Schweiz. Seinen letzten Artikel veröffentlichte er am 28. Februar 1933. Am 3. März bekam er Redeverbot und am 11. März wurde er in "Schutzhaft" genommen.
Im August 1933 wurde Felix Fechenbach auf dem Transport ins Konzentrationslager Dachau von hinten erschossen, angeblich "auf der Flucht", wie es in der offiziellen Mitteilung hieß. Kameraden gegenüber hatte er Flucht aber ausdrücklich ausgeschlossen. Er ist auf dem jüdischen Friedhof in Rimbeck beerdigt. In Westfalen, in Detmold und in der Region, in der er ermordet wurde, wird Felix Fechenbachs vielfach gedacht. In Detmold wurde eine Hauptstraße nach ihm benannt. Es gibt einen sieben Kilometer langen Felix-Fechenbach-Weg, der von der Stelle seiner Ermordung, an der eine Gedenkstätte angelegt wurde, bis zu seinem Grab führt. In Würzburg, wo Fechenbach aufwuchs, gibt es einen Hinweis auf die Bäckerei seines Vaters sowie das Felix-Fechenbach-Haus, ein Veranstaltungsgebäude im Stadtteil Grombühl. In Bad Mergentheim aber, seiner Geburtsstadt, findet man lediglich zwei Exponate im Deutschordensmuseum. Das möchte Hartwig Behr ändern. Er spendet dem Museum ein Exemplar des 1936 in der Schweiz erschienen umfangreichen Erinnerungswerks an Felix Fechenbach. "Ich hoffe aber", so Behr, "dass sich die Stadt Bad Mergentheim entschließen kann, für diesen Miterbauer der Republik von 1918 und frühes Opfer des Dritten Reiches ein öffentliches Zeichen zu setzen". Dies könne zum Beispiel in einer Plakette oder einem Stolperstein vor seinem Geburtshaus bestehen. tt
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