Studienheim „Maria Hilf“

Beim Sommercamp im Bad Mergentheimer "Kasten" Gemeinschaft erleben

Von 
Hans-Peter Kuhnhäuser
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Es ist Ferienzeit, aber eben nicht für alle gleich. Während viele sich unter südlicher oder nördlicher Sonne am Strand tummeln, bleiben andere im Lande – eine Urlaubsreise ist finanziell oft nicht drin.

Bad Mergentheim. Das Sommercamp für Kinder und Jugendliche im Studienheim „Maria Hilf“ – in der Stadt allgemein als „Kasten“ bekannt – ist da ein ganz spezielles pädagogisches und vor allem bezahlbares Angebot.

Seit 2018 wird es angeboten. Der pädagogische Mitarbeiter im Kasten, Nicolaj Imhof, kann dabei stets auf freiwillige Helfer bauen. Heuer sind es zwei junge Männer und eine junge Frau. Die Gymnasiastin ist selbst „Kästlerin“, von den jungen Männern ist der eine Azubi, der andere Selbstständiger, einer von ihnen war früher selbst im Kasten. Sie machen mit, „weil’s Spaß macht“.

Pädagogische Unterstützung

Warum ein solches Angebot so wichtig ist, kann Imhof schnell erklären: „Es gibt viele Familien, die sich eine Ferienreise nicht leisten können. Und es gibt viele Jugendliche, die einfach etwas pädagogische Unterstützung brauchen.“

Die neun Jungs und sechs Mädchen zwischen zwölf und 15 Jahren kommen aus den gesamten Südkreis. Imhof hat die Woche organisiert und die Jugendlichen ausgewählt. Bei der Finanzierung haben sich der Lions Club, der „Round Table“ sowie die Badische Sportjugend engagiert, das Studieninternat stellt dafür Räume und Fahrzeuge zur Verfügung. Und auch private Sponsoren leisten einen Beitrag für die 15 Jugendlichen.

Besonderes Ferienerlebnis

Es ist ein ganz „besonderes Ferienerlebnis mit Langzeitwirkung“, berichtet Imhof, denn „Chillen“ steht nicht auf dem Programm. Vielmehr Spaß und Spiel, aber auch eine eigene Beteiligung an den diversen Angeboten. Einkaufen und das Mittagessen zubereiten etwa, aber auch Basteln, sowie Erlebnisse, die die Mädchen und Jungs sonst nicht haben und vor allem Gemeinschaftsleben. „Gebüffelt“ wird auch, aber nicht übertrieben. So ist die „Küchensprache“ Englisch und fürs Einkaufen wird ja auch „ein bisschen Mathematik“ gebraucht.

„Alle müssen mal ran“

Die Küchencrew ändert sich täglich, auch für weitere Angebote müssen sich die Jugendlichen täglich neu in die Listen eintragen. „Alle machen alles“, erklärt Imhof das Prinzip, „alle müssen mal ran!“

Dass das Konzept ankommt, zeige sich alleine schon daran, dass immer wieder ehemalige Sommercamp-Teilnehmer erneut dabei sind oder als Betreuer mitwirken wollen. „Alle, die das Sommercamp unterstützen, leisten einen wichtigen Beitrag“, unterstreicht Imhof. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus dem gesamten Altkreis. Familien, die sich keinen Urlaub leisten können, soll hier eine Möglichkeit geboten werden, dass wenigstens ein Kind ein Ferienerlebnis hat. Wobei „Ferien-„ oder „Urlaubsangebot“ nur die halbe Wahrheit ist, denn beim Sommercamp handelt es sich um eine sozialpädagogische Erlebnis-Woche.

Die Jugendlichen lernen sich kennen, unterstützen sich gegenseitig, müssen Rücksicht auf einander nehmen, bilden Teams und lernen sich selbst besser kennen.

„Hier kommen alle einmal an ihre Grenzen, und das ist gewollt“, sagt Imhof. Es sei schon deshalb wichtig, damit die Jungs und Mädchen erkennen, „wann es nötig ist, einander zu helfen und zu unterstützen“.

In verschiedene Rollen schlüpfen

Das zeigt sich auch beim Mittagessen, denn alle müssen eine Karte aus einem speziellen Kartenset ziehen. Je nach Karte ist man dann ein Mensch mit Beeinträchtigungen oder Handicap – ob Rollstuhl, Seh- oder auch Hörbehinderung – oder eben ein Helfer, der die nötige Unterstützung geben muss. Und hinterher sind natürlich Aufräumen und Abwasch zu erledigen.

Was sonst noch geboten ist? Eine Bootstour auf der Tauber etwa, ein Rundflug in einem Sportflugzeug und eine Übernachtung außerhalb von Bad Mergentheim. „Mit allen und ohne Extras: kein Handy, kein Strom, kein fließend Wasser“, erklärt Imhof.

Das sei zweifellos „eine Herausforderung, aber da lernen die Jugendlichen viel über sich selbst und auch darüber, wie man sich in der Gruppe verhalten muss, wenn’s mal kritisch wird“.

Die Mädchen und Jungs sind nicht allesamt „pflegeleicht“, wie man schnell bemerkt. Einige von ihnen haben echte Probleme und sind genau deshalb auch ausgewählt worden. „Sie brauchen besondere Unterstützung“, sagt Imhof.

Kein erhobener Zeigefinger

So kann ein Junge nicht lesen und schreiben, ein Mädchen hat ganz offensichtlich ein psychisches Problem. Bei der Ferienwoche „tanken“ auch diese Jugendlichen, so wie alle anderen Teilnehmer, Selbstvertrauen, Kraft und Zuversicht. „Auch sie können etwas, auch sie lernen hier etwas für sich und ihr Leben“, freut sich Imhof. Und das sei schließlich das „übergeordnete Ziel“. Wichtig sei, dass sowohl er als Leiter als auch sein Helfer-Team nicht mit erhobenem Zeigefinger agieren: „Hier wird alles spielerisch vermittelt und geübt.“

Die Jugendlichen seien zwar nicht permanent auf der Sonnenseite des Lebens. Doch wolle man ihnen vermitteln, dass sie „genau so wichtig wie alle anderen ihrer Altersgruppe sind. Sie brauchen halt etwas mehr Aufmerksamkeit“. Und so können sie, „wenn die Schule wieder anfängt, berichten, dass auch sie ein tolles Urlaubserlebnis hatten. Nicht in fernen Ländern, sondern beim Sommercamp im „Kasten“.

Und dieses Erlebnis hat sicherlich Langzeitwirkung, für die 15 teilnehmenden Mädchen und Jungs ebenso wie für Imhof und seine drei Helfer.

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