Forum Mittelstand - Akteure aus Politik und Wirtschaft diskutierten über die Perspektiven im ländlichen Raum / Gute Prognosen für die Zukunft

"Ballungsraum inklusive Parklandschaft"

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Katja Hesslinger
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Im Gespräch mit Moderator Michael Weber-Schwarz (von links): Jungunternehmer Marcel Bauer, CDU-Fraktionschef Prof. Dr. Wolfgang Reinhart und der Wertheimer Oberbürgermeister Stefan Mikulicz (rechts).

© Katja Hesslinger

Steuert der Mittelstand im Main-Tauber-Kreis in eine düstere Zukunft? Im Gegenteil - wenn in den Bereichen Bildung und Internet mehr getan wird, so das Fazit einer Podiumsdiskussion.

EDELFINGEN. "Wie kommt man darauf, gerade in Weikersheim eine eigene Firma zu gründen, die dann ausgerechnet noch ihren zentralen Schwerpunkt im Bereich Medien hat", mit dieser Frage an den Jungunternehmer Marcel Bauer eröffnete Redakteur Michael Weber-Schwarz die Podiumsdiskussion des CDU-Kreisverbandes Main-Tauber und der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung zum Thema "Mittelstand im ländlichen Raum: Zukunft oder bald Vergangenheit?" im Edelfinger Hof.

"Meine Motivation zur Selbstständigkeit beruhte darauf, dass ich etwas gesehen habe und dachte, das kann ich noch besser", so Bauer. Und gerade, weil man die Leute hier kennt, sei die Arbeit in der Medienbranche auch in Weikersheim gut möglich. "Selbstverständlich ist es kein Selbstläufer. Aber wenn man es im ländlichen Raum schafft, dann schafft man es überall", betonte er überzeugt.

Zudem verneinte Bauer eine Krise des Mittelstands. "Der ländliche Raum hat in Zukunft die meisten Chancen, es gibt keine Kriminalität, es gibt gute Schulen und der Netzausbau schreitet voran".

Den Zugang zum Internet beziehungsweise die Digitalisierung sieht auch MdB Alois Gerig als Thema Nummer eins auf der Agenda und als einen äußerst wichtigen Standortfaktor. "Der Breitbandausbau muss in kürzester Zeit bewerkstelligt werden", erklärte er. "Wir können den Urbanisierungstrend wieder umkehren. Ich glaube an die Zukunft mit Breitband".

Chance oder Gefahr?

Ob die Digitalisierung jedoch eine Chance oder eine Gefahr darstelle, komme darauf an, was man daraus mache, stellte Dr. Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) fest. "Wir sind noch nicht so weit, dass wir von einer Chance sprechen können. Wir sollten uns erst auf die Schulter klopfen, wenn es tatsächlich so weit ist", insistierte er. Denn es sei noch nicht ganz abzusehen, was die Digitalisierung tatsächlich bringe.

Wertheims Oberbürgermeister Stefan Mikulicz erteilte dem Mittelstand eine gute Prognose für die Zukunft. "Aber wir müssen dafür auch etwas tun". Themen wie DSL, Kinderbetreuung und Schulen gehörten zu den Aufgaben der Kommune, seien aber ohne die finanziellen Mittel des Landes nicht machbar. Mit Blick auf den ländlichen Raum, insbesondere den Main-Tauber-Kreis, sprach er von einem "Ballungsraum mit Parklandschaft", der gegenüber den Ballungszentren unschlagbar sei.

"Wir müssen alles dafür tun, dass der ländliche Raum nicht abgehängt wird. Dafür müssen wir der jungen Generation eine Perspektive geben", forderte der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, Prof. Dr. Wolfgang Reinhart. "Wir müssen einen Gründergeist schaffen und vor allem die Wertschätzung einer dualen Bildung etablieren", bekräftigte er mit Verweis auf den nach seiner Meinung nach vorherrschenden Akademisierungswahn.

Dr. Treier plädierte jedoch dafür, dass man sowohl die berufliche wie auch die akademische Bildung brauche. Zudem müsse die berufliche Bildung etwas Hochwertiges sein und dürfe nicht zu einer Art Resterampe degradiert werden. Alois Gerig verwies hier auf das Erfolgsmodell der dualen Bildung: "Das ist das Beste, was wir für die Menschen und die Betriebe tun können". Reinhart machte ferner deutlich, dass der Nachwuchs im Handwerk fehle, da dieses nicht den Stellenwert besitze. "Wir werden immer auch praktische Talente fördern müssen".

"Wir müssen die digitale Bildung im Auge behalten", warnte hingegen Nina Warken, MdB. "Wir waren jahrelang zu träge und haben Chancen zu spät erkannt." Oftmals stehe dem Fortschritt ein gesteigertes Bedenken in punkto Sicherheit entgegen. Aber gerade für den ländlichen Raum eröffne sich durch den Breitbandausbau eine erhebliche Chance. Mit Blick darauf stellte Marcel Bauer fest, dass die Leute wohl noch nie so viel Angst vor der Zukunft hatten wie in der heutigen Zeit. "Deshalb brauchen wir eine gebündelte Agenda darüber, was wir wann erreichen wollen."

Ärztliche Versorgung im Blick

Auf eine differenzierte Blickweise verwies auch Margaret Horb, MdB. So dürfe man beispielsweise nicht nur Startups fördern. Es erfordere auch im Nachgang die entsprechende Transparenz, wie viele es davon tatsächlich wirklich geschafft haben und sich als Unternehmen erfolgreich etablieren konnten. Ferne müssten Zukunftsdenken und Digitalisierungsstreben auch mit der Realität in Einklang gebracht werden, denn "was hilft es, wenn jeder ein Tablet hat, aber kein WLAN?"

Als einen weiteren wichtigen Standortfaktor für den ländlichen Raum machten die Diskutanten die ärztliche Versorgung aus. Man habe im Main-Tauber-Kreis ein gute Krankenhausdichte, so Nina Warken. "Aber viele kleine Gemeinden kämpfen mit Hausarztproblemen". Eine Abhilfe könne da eventuell die Verbindung von einem speziell geförderten Studienplatz mit der Verpflichtung, einige Jahre auf dem Land zu arbeiten, sein.

"Ich bin überzeugt, wenn ein Arzt mit seiner Familie drei oder vier Jahre hier ist, möchten diese hier eh nicht mehr weg", gab Warken zu bedenken. Mit Blick auf den Ärztemangel im ländlichen Raum bekräftigte Margaret Horb: "Jeder hat das Recht auf eine gesicherte Grundversorgung". Zugleich warnte sie jedoch davor, dass eine zu strikte Auferlegung von Verbindlichkeiten für Medizinstudenten und Ärzte nicht dazu führen dürfe, dass die Fachkräfte von anderen Ländern rausgekauft würden.

Ein attraktiver Ort

Obwohl der Optimalzustand im ländlichen Raum mit Blick auf Netzausbau, Gesundheits- und Bildungsversorgung sowie Kinderbetreuung noch in der Ferne liegt, waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig, dass der Main-Tauber-Kreis ein attraktiver Ort zum Leben und Arbeiten ist. Der habe sogar mancherorts mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick scheine.

Margaret Horb sprach sogar von einem "Marke Main-Tauber-Kreis", die weit über die Landesgrenzen Bekanntheit habe. Die gelte es verstärkt ins Bewusstsein zu rücken.

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