Bad Mergentheim. Nachdem die niederschwelligen Bürger-Spaziergänge der Projektgruppe Landesgartenschau in den vergangenen Jahren bereits den Ketterberg, die Tauber, die Stadt-Bäume oder das ehemalige Sägewerks-Areal in den Herrenwiesen thematisiert hatten, ging es am vergangenen Wochenende um das Motto „Grün & Blau für morgen“. Dazu nahm Stadt- und Landschaftsplanerin Eva Müller gut 20 Interessierte mit auf einen Rundgang über große und kleine Stadtplätze im Bad Mergentheimer Zentrum. Sie gab Einblicke in laufende Planungen sowie in Daten und Prognosen. Im Mittelpunkt stand die Klimaanpassung, bei der es darum geht, den Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Eine wichtige Rolle dabei spielt die grüne und blaue Infrastruktur, also Bäume und Pflanzen sowie Wasser.
Gänsmarkt folgt dem Schwammstadt-Prinzip
Ausgangspunkt der Tour war der bereits zeitgemäß umgebaute Gänsmarkt mit seiner Begrünung und der dem Schwammstadt-Prinzip folgenden Fähigkeit, Wasser aufzunehmen, zu speichern und durch Verdunstung wieder abzugeben. Schon mit Blick auf die noch zu sanierenden Stadtplätze zeigte Eva Müller hier aber auch auf, wie komplex es sei, die verschiedenen Anforderungen in Einklang zu bringen. Ein großes Geflecht an Versorgungsleitungen und die unterirdische Archäologie müssten immer mit bedacht werden, wenn man Raum für funktionsfähige Baumquartiere oder Zisternen schaffen wolle.
Planung für Ledermarkt sehr anspruchsvoll
Dieses Thema bildete auch die Klammer der Veranstaltung, denn Schlusspunkt des Rundgangs war der Ledermarkt, der im kommenden Jahr saniert werden soll und somit als nächstes Projekt ansteht. Die Planung stehe vor mancher Herausforderung, so Eva Müller: „Zunächst einmal ist der Raum sehr eng. Die Parkplätze sind deutlich schmaler eingezeichnet als heutzutage notwendig. Dies führt dazu, dass die parkenden Autos häufig zu weit im Straßenraum stehen, was wiederum dazu führt, dass Autos und schwere Lkw, die anliefern, über die Baumscheiben der bestehenden Bäume fahren. Der Bauhof muss nicht nur die Baumscheiben regelmäßig reparieren, die Bäume tragen auch Stamm- und Wurzelschäden davon. Mit der anstehenden Sanierung des Ledermarktes besteht die Chance, die Situation zu verbessern, auch wenn es nicht leicht wird. Aber gesunde Bäume sind das Kapital einer lebenswerten Stadt der Zukunft.“
Zahl der Hitzetage wird sich verdoppeln
Im Verlauf des Spaziergangs unterstrich Eva Müller noch einmal, warum der Schutz vor Hitze in der Stadtplanung eine große Rolle spielen müsse: „Die Zahl der Hitzetage mit über 30 Grad wird sich in den nächsten 35 Jahren verdoppeln, längerfristig sogar verdreifachen. Und über 30 Grad heißt nicht in jedem Fall 31 oder 32 Grad, das kann auch deutlich über 40 Grad bedeuten.“ Dies belaste den menschlichen Organismus sehr stark, es brauche kühle Bereiche in der Stadt, damit man sich dort überhaupt noch länger aufhalten könne. Dem Thema könne sich keine Stadt verschließen, erst recht nicht eine vom Wetterdienst zertifizierte Kur- und Gesundheitsstadt wie Bad Mergentheim.
Am Marktplatz informierte Eva Müller darüber, wie es mit der Sanierung der großen Plätze im Zuge der Landesgartenschau aussieht. Derzeit werde von der Stadtverwaltung gemeinsam mit einem Fachbüro der freiraumplanerische Wettbewerb vorbereitet. „Hier werden dann Marktplatz, Hans-Heinrich-Ehrler-Platz, Burgstraße und Deutschordenplatz zusammenhängend geplant und die beste Idee und das schlüssigste Konzept können sich durchsetzen.“ Gebaut werde 2026 noch nicht. „Wir haben, was die großen Plätze angeht, ein Planungsjahr vor uns“, erläuterte Eva Müller.
Am Beispiel des Marktplatzes zeigte sie auf, dass Interessen abgewogen werden müssten. An diesem Ort gehe es nicht nur um das Bedürfnis von Schatten, sondern auch um eine zusammenhängende Veranstaltungsfläche – von Stadtfest bis Wochenmarkt – sowie die Blickachsen einer historischen Altstadt. „Im Rahmenplan zur Landesgartenschau haben wir das zunächst so aufgelöst, dass wir den Hans-Heinrich-Ehrler-Platz für Begrünung vorgesehen haben und den Marktplatz als Veranstaltungsfläche erhalten“, rief Eva Müller in Erinnerung. Nun dürfe man auf die Ideen aus den Wettbewerben gespannt sein.
Starkregen-Risikomanagement bei der Stadt in Arbeit
Am Hans-Heinrich-Ehrler-Platz ging Eva Müller nicht nur auf die Landesgartenschau-Idee ein, hier wieder mehr Wasser für angenehmeres Mikroklima auf den Platz zu bringen (mit einer stadtgeschichtlichen Reminiszenz an die „Wette“, wo einst Arbeitstiere getränkt und gebadet wurden), sondern vertiefte auch das Thema Starkregen. Denn Klimaanpassung bedeute auch, die Stadt und ihre Menschen vor den künftig häufiger auftretenden Extrem-Wettern zu schützen. „Wir arbeiten in der Stadtverwaltung an einem Starkregen-Risikomanagement, das noch nicht abgeschlossen ist. Wir wissen aber aus dem ersten Rechnungslauf, dass der anfallende Niederschlag vom Bereich Kaiserstraße über diesen Platz läuft.“
Es gelte, Wassermengen bei einem Starkregenereignis mit einem Bündel an Maßnahmen punktuell „abzupuffern“. Das könne mit speziellen Mulden im Wald und auf landwirtschaftlichen Flächen passieren, aber auch durch partielle Entsiegelung zur Schaffung von Versickerungsflächen im innerstädtischen Bereich. „Mit dem Klimawandel taugen alte Rechenmodell zur Vorhersage von Unwettern nicht mehr“, betonte Eva Müller, dass damit künftig häufiger zu rechnen sei.
Am Beispiel eines versiegelten Parkplatzes neben der Grundschule, der zu einer hohen thermischen Belastung der Kinder im Sommer beitrage, zeigte Eva Müller im Zuge des Spaziergangs auch auf, wie verschiedene Interessen zusammengebracht werden könnten. „Klimaanpassung muss nicht heißen, dass Parkplätze wegfallen. Ein Parkhaus mit einer intensiven Dach- und Fassadenbegrünung beispielsweise ist eine ebenso effektive Maßnahme, um Temperaturen zu senken.“
Thema Wasser auf dem Deutschordenplatz neu denken
Am Deutschordenplatz griff die Stadt- und Landschaftsplanerin noch einmal das Thema Wasser auf – hier auch im Hinblick auf die jüngsten Bürgerinnen, Bürger und Gäste. Während des Besuchs der Gruppe dort streckten viele Kinder ihre Hände hoch, um an das Wasser des Schalenbrunnens zu kommen. „Kinder werden von Wasser magisch angezogen, es ist in der Stadt jedoch noch zu wenig erlebbar“, stellte Eva Müller fest. In einer Badestadt sei das schade. Deshalb gebe es im Landesgartenschau-Rahmenplan die Vision, das Thema Wasser auf dem Deutschordenplatz neu zu denken und auch für die Kleinsten erreichbar zu machen. Nicht ohne Grund nehme das Element Wasser bereits im Landesgartenschau-Motto „Blühende Quellen“ einen prominenten Platz ein.
Klimaanpassungs-Projekte wie Hitzeschutz, Wasserspeicherung für Dürrephasen, Trinkwasserbereitstellung oder der Schutz vor Starkregenereignissen seien wichtig, um in Bad Mergentheim auch künftig gut leben und arbeiten zu können, fasste Eva Müller abschließend zusammen.
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