Bad Mergentheim. Plötzlich war Schluss: Das „Königreich Deutschland“ (KRD) verboten, der „Oberste Souverän“ Peter Fitzek verhaftet. Sage und schreibe 13 Jahre lang durfte der Fantasiestaat seine eigenen Strukturen aufbauen. „Deutsche Heilfürsorge“, „Gemeinwohlkasse“, „Königliche Reichsbank“: Die Parallelstruktu-ren nahmen immense Ausmaße an. Mit dem „Königreich“ wurden 36 „Teilorganisationen“ sowie 85 Homepages und Social-Media-Kanäle verboten. Mit eigenen Ausweisdokumenten, eigenen Gesetzen und eigener Währung stellte der fiktive Staat die Legitimität der Bundesrepublik in Frage. Mehr noch: Er versuchte, ihre Legitimität zu untergraben. Daher sprach das Innenministerium von einem „Gegenstaat“.
Längst war das „Königreich Deutschland“ die größte Organisation des Reichsbürger-Milieus. Der Fantasiestaat hatte, nach eigenen Angaben, 6.000 Anhängerinnen und Anhänger. Fitzek erlaubte ihnen, „Betriebe im KRD“ zu gründen. Für die Gründung jener „Betriebe“ war die hauseigene „Gemeinwohlkasse“ zuständig. Sie beanspruchte, „für ein neues, dauerhaft stabiles und unabhängiges Geld-, Finanz- und Bankenwesen“ zu stehen. Zuletzt schrieb die „Gemeinwohlkasse“ im Netz, mehrere „Ein- und Auszahlungsstellen“ in Baden-Württemberg zu betreiben. Eine Stelle soll in Bad Mergentheim gewesen sein.
In Baden-Württemberg waren auch mehrere „Betriebe“ tätig. Wie das Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage mitteilt, eine „niedrige zweistellige Zahl“. Ein Pressesprecher erklärt, die Auflistung jener „Betriebe“ sei „als Verschlusssache eingestuft und kann daher nicht veröffentlicht werden“.
Nach Recherchen unserer Zeitung war seit längerem ein „Betrieb“ mit dem Namen „Kalla Lebensquelle“ in Bad Mergentheim ansässig. Die Inhaberin heißt Karolin G. An ihrem Briefkasten hing zwischenzeitlich ein kleiner Aufkleber mit der Auf-schrift „Kalla Lebensquelle / Ein Betrieb im KRD“. Die „Kalla Lebensquelle“ bot – auf Basis der „Germanischen Neuen Medizin“ nach Ryke Geerd Hamer (1935-2017) – Gespräche, Seminare und Vorträge an. Hamer lehrte jahrzehntelang, Krebs entstehe durch seelische Konflikte. Zum Beispiel durch den Tod eines Freundes oder Verwandten. Hamer empfahl, die Konflikte durch therapeutische Gespräche zu lösen. Die Deutsche Krebsgesellschaft erklärt, die Behauptung Hamers, Krankheiten wie Krebs seien Ergebnis seelischer Konflikte, sei nicht belegt. Belegt seien etliche Fälle, in denen Men-schen der „Germanischen Neuen Medizin“ zum Opfer gefallen und gestorben sind. Deshalb sei die Pseudomedizin „mit allem Nachdruck als gefährlich und unethisch zurückzuweisen“.
Betrieb wirtschaftete offenbar jahrelang im Verborgenen
Trotz alledem: Karolin G. machte Heilsversprechen. „Wie Du wieder vollständig gesund wirst und deine Symptome, Beschwerden wieder loswirst, ganz ursprünglich und natürlich, erkläre ich dir gerne“, sagte die Pseudomedizinerin in einem TikTok-Video. Sie erzeugte den Eindruck, es gäbe einen simplen Weg, eine Krankheit loszuwerden. Die Homepage der „Kalla Lebensquelle“ wurde im Frühjahr 2022 registriert und seither mehrfach überarbeitet. Die Betreiberin schrieb zwischenzeitlich, die Bundesrepublik sei „zer-störerisch“. Daher habe sie nach „Lösungen gesucht, wie sich Deutschland friedlich trans-formieren lässt“. Die „einzige Lösung“ sei das „Königreich“.
In der Frühphase besaß die Homepage ein Impressum (siehe Abbildung). Damals nannte Karolin G. die Adresse ihrer „Repräsentanz“ und des „Obersten Souveräns“ in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt). Die Adressen verschwanden später – wie der kleine Aufkleber auf dem Briefkasten. Aber: Bis zuletzt nannte die Homepage eine „Betriebsregister-ID“ des Fantasiestaates. Wer einen „Betrieb im KRD“ führte, musste keine Steuern an das „Königreich“ zahlen. Der fiktive Staat lehnte ein Steuersystem ab. Ist „Kalla Lebensquelle“ in der Bundesrepublik gemeldet? Unsere Recherchen ergaben: nein. Offenbar wirtschaftete das Unternehmen mehrere Jahre lang im Verborgenen.
Aber warum ist „Kalla Lebensquelle“ nicht als „Teilorganisation“ des Fantasiestaates verboten worden? Das Bundesinnenministerium erklärt auf Anfrage, die „bloße Bezeichnung als ‚Betrieb im KRD‘ allein“ sei „kein hinreichendes Indiz“ für eine „Teilorganisation“. Das bedeutet: Es braucht mehr. Funktionale, organisatorische, personelle Verflechtungen. Ob derartige Verflechtungen mit dem „Königreich“ vorliegen, sei im Einzelfall zu belegen. Da „Kalla Lebensquelle“ nicht verboten wurde, konnten die Verflechtungen offenbar nicht belegt werden. Nichtsdestotrotz ist die Homepage inzwischen nicht mehr aufrufbar. Am Klingelschild ist Karolin G.s Name verschwunden. Das Bundesinnenministerium teilt mit: „Verdachtsmomenten in Bezug auf etwaige Verstöße“ gegen die Gesetze der Bundesrepublik sei „von den jeweils zuständigen Behörden, etwa der Finanzverwaltung oder auch der Gewerbeaufsicht, nachzugehen“. Was sagt die Inhaberin zu all dem? Anfragen per Mail blieben unbeantwortet.
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