Bad Mergentheim. Die schweren Vorwürfe gegen einen Physiotherapeuten aus der Region beschäftigen – nach knapp einjähriger Unterbrechung – erneut das Amtsgericht Bad Mergentheim. Nach wie vor wirft eine ehemalige Patientin dem Mann vor, er habe sie während mehrerer Behandlungen unangemessen an den Brüsten und im Schambereich berührt. Strafbar wäre das nach Paragraf 174c des Strafgesetzbuchs, der den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer Betreuungs-, Beratungs- oder Behandlungssituation thematisiert.
Bereits im März 2024 gab es mehrere Verhandlungstage in dieser Sache. Aufgrund eines Antrags der Verteidigung zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens wurde der Prozess dann für längere Zeit unterbrochen. Nun liegt das vorläufige Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Frau vor, sodass die Verhandlung wieder aufgenommen wurde.
Inhaltlich bleibt es bei gegensätzlichen Aussagen. Die ehemalige Patientin, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, bleibt vor Gericht bei ihren Vorwürfen gegen den Physiotherapeuten. Dieser bestreitet durch seine Verteidigerin Charlotte Warken-Luxenburger die Vorwürfe als „abwegig“. Zu keinem Zeitpunkt habe er die Frau in irgendeiner Weise unsittlich im Intimbereich oder an den Brüsten berührt. „Es war eine völlig normale Behandlung. Mein Mandant hat ein feinfühliges Gespür, es gab kein Signal des Unwohlseins durch die Patientin“, erklärt Warken-Luxenburger im Namen des erfahrenen Physiotherapeuten.
„Es ging mir zu weit, Punkt!“, ruft die Nebenklägerin wütend
Die anschließende Befragung der Nebenklägerin durch die Verteidigung hat es in sich. Zahlreiche Fragen stellt Warken-Luxenburger der jungen Frau, will es immer wieder ganz genau wissen. Welche Berührung sie bei welchem Behandlungstermin wahrgenommen habe? Wie genau und in welcher Körperhaltung habe der Physiotherapeut sie behandelt? Wo exakt waren die Hände des Mannes: ‚nur’ in der Nähe oder direkt auf dem Geschlechtsorgan? Wie schon beim ersten Mal sind der Nebenklägerin die vielen intimen Fragen sichtlich unangenehm, sie wird emotional. „Es ging mir zu weit, Punkt!“, ruft sie wütend, als die Verteidigerin bei der Frage nach der exakten Position der Hände des Angeklagten einfach nicht locker lässt. Doch mit mehreren Unterbrechungen schildert sie ausführlich ihre Vorgeschichte mit dem Therapeuten, die vermeintlichen Taten und auch deren Auswirkungen auf ihr Leben danach.
Denn die Berührungen waren nicht nur während der Behandlungen unangenehm für die Frau. Sie beschreibt eine „starke Belastung“ auch danach, habe am Abend des Behandlungstages im Bett geweint, weil sie sich „eklig“ fand. „Ich habe teilweise 17 Stunden am Stück geschlafen, konnte bestimmte Berührungen meines Mannes nicht ertragen“, schildert sie. Das ging sogar so weit, dass ihr Mann keine Jogginghosen oder Drei-Tage-Bärte mehr tragen durfte, weil diese sie zu stark an den Angeklagten erinnerten. Ihr Mann bestätigt die Aussage. „Sie hat Nähe oft zurückgewiesen“, erzählt er. Und: „Ich habe gemerkt, es ging ihr einfach nicht gut. Ihr hat die Energie gefehlt und sie hat sich zurückgezogen. So kannte ich sie vorher nicht.“
Verteidigung legt großen Wert auf Details
Die Verteidigung legt im Prozess größten Wert auf Details, auf genaue Formulierungen und Dinge, die der Laie wohl als Kleinigkeiten abtun würde. Für die Rechtsanwältin sind diese Aspekte jedoch von Bedeutung. „Genau darauf kommt es an“, meint sie. Denn unstrittig sei, dass es Behandlungen der Frau durch ihren Mandanten gegeben habe. Doch ob eine Berührung nun eine sexuelle Belästigung oder therapeutisch notwendige Berührung „nach den Regeln der Kunst“ darstellt, hängt demzufolge von derartigen Details ab. Schon in den Verhandlungstagen vor rund einem Jahr wurden solche Fragen daher ausführlich besprochen.
Auch ein Kriminalhauptkommissar äußert sich vor Gericht. Nach den Hauptverhandlungsterminen im März 2024 seien mehrere Frauen vernommen worden, die in der Praxis waren, eine weitere habe zudem von sich aus eine Anzeige erstattet. Insgesamt sechs Frauen würden so nun Vorwürfe gegen den Angeklagten erheben. Eine kürzlich erfolgte FN-Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen ergab jedoch, dass bislang keine weitere Anklage erhoben wurde.
Nach der Vernehmung des Polizisten endet die Verhandlung am Amtsgericht, es sind noch weitere Termine angesetzt. Dann soll sich auch die Gutachterin zu der Frage der Glaubhaftigkeit der Nebenklägerin äußern.
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