Bad Mergentheim. Auch Bad Mergentheim erlaubt nun die Realisierung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Die Interessenten stehen bereits Schlange. Doch während die Grünen einen schnellen und weitreichenden Ausbau im Stadtgebiet ermöglichen wollten, forderte die CDU klare Grenzen zu ziehen und setzte sich damit am Ende in mehreren Kampfabstimmungen auch durch. Ein Kriterienkatalog wurde verabschiedet.
Pro Jahr soll künftig maximal ein Bebauungsplan für Freiflächen-Photovoltaik aufgestellt werden. Das entschied die CDU-Fraktion, unterstützt von Stefan Dietz (Freie Wähler) und Artur Schmidt (FDP), mit 15:13-Stimmen. Dass die Gesamtfläche der Freiflächen-Photovoltaik im Stadtgebiet auf 50 Hektar begrenzt wird, wollte ebenso die CDU und fand wieder 15 Befürworter bei 13 Ablehnungen von Grünen, SPD und Freien Wählern. Strittig blieb zudem bis zum Schluss, ob es eine Sichtbarkeit der Anlagen von bebauten Wohnbereichen und Wohnstellen aus geben dürfe. Sie wird es auf CDU-Drängen nicht geben. Auch hier versammelten sich 15 Stimmen hinter dem CDU-Antrag, bei 13 Gegenstimmen von Grünen, SPD, Teilen der Freien Wähler und Oberbürgermeister.
Der gesamte Kriterienkatalog für die Standortbewertung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen in Bad Mergentheim erhielt dann 22 Ja-Stimmen und sechs Nein von Grünen und zwei SPD-Vertretern. Geregelt ist damit nun auch, dass der 1. Oktober jedes Jahr als Stichtag gilt, für die Berücksichtigung von Anträgen zur Aufstellung eines Solarpark-Bebauungsplanes in einem bestimmten Bereich für das Folgejahr. Es gibt eine Begrenzung der Größe der einzelnen Anlagen auf fünf Hektar. Wenn ein Energiespeicher gebaut wird, kann die Anlage bis zu zehn Hektar groß sein. Bei konkurrierenden Plänen bekommt die Anlage mit Energiespeicher den Vorzug. Ein Mindestabstand von 50 Metern zu Waldflächen ist ebenfalls festgelegt. Der Sitz der Betreibergesellschaft muss in Bad Mergentheim sein und der Anschluss der Freiflächen-Photovoltaikanlage ans Stromnetz muss per Erdverkabelung erfolgen.
Scharfer Widerspruch der CDU
Mit überdeutlichen Worten kritisierte Hubert Schmieg für die Grünen-Fraktion die CDU und bezeichnete sie als „Bremser“ in Sachen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Er verknüpfte seine Klage auch mit dem Ukraine-Krieg und dessen Folgen und erntete darauf scharfen Widerspruch von der CDU.
„Wir Grüne weisen bereits seit langem darauf hin, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht nur dem Klimaschutz dient, sondern auch der Sicherheit unseres Landes. Er macht uns unabhängig von Energieimporten aus Diktaturen und Staaten, die die Menschenrechte missachten. […] Um Putins Kriegskasse nicht weiter zu füllen, müssen die Erneuerbaren Energien bei uns mit höchster Priorität ausgebaut werden. Wir müssen die Bremse lösen und alle bürokratischen Hindernisse auf diesem Weg beseitigen. Die Anträge der CDU-Fraktion haben leider das Gegenteil zum Ziel. Es werden Barrieren aufgebaut, die den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen be- beziehungsweise verhindern sollen“, so Schmieg.
Nur eine Anlage pro Jahr, nur 50 Hektar Fläche insgesamt, dass sei zu wenig. „Und man soll die Module nicht sehen dürfen. Warum eigentlich? Wir sehen Kohlekraftwerke, Atomkraftwerke, Braunkohletagebaue, Hochspannungsleitungen und Umspannwerke. […] Wie erklären wir den Ukrainern, dass wir weiter Energie aus Russland importieren, nur weil wir uns den Anblick von Photovoltaik-Modulen ersparen wollen?“, fragte Schmieg.
„Beispielloses Versagen“
Weiter sagte Schmieg: „Leid tun uns in jedem Fall die Landwirte. Die finanziellen Entschädigungen, die sie für Bauland, Straßen oder Gewerbeflächen bekommen, sind irgendwann aufgebraucht. Wenn sie dagegen als Energiewirte auf ihren Flächen nachhaltig Erträge erwirtschaften wollen, wird ihnen das möglichst schwer gemacht oder ganz verboten. Gegenüber der Ukraine ist die Verhinderungsstrategie Erneuerbarer Energien der CDU ein beispielloses ethisch-moralisches Versagen.“ Empörung in den Reihen der CDU machte sich breit.
Empörung und Wut
Doch Schmieg legte nach: „Die CDU-Anträge zeigen einmal mehr, dass es den Kollegen nicht um eine werteorientierte Kommunalpolitik geht, sondern um eine ideologische. In Mergentheim soll alles so bleiben wie es ist, egal was in der Welt passiert, Klimawandel oder Krieg. Hier wird eine Politik des ’Mergentheim first’ gemacht, die wir bei Trump alle heftig kritisiert haben.“
Oberbürgermeister Udo Glatthaar zeigte sich betrübt ob der verbalen Angriffe und plädierte für eine Mäßigung in der Debatte. CDU-Fraktionschef Andreas Lehr aber kochte vor Wut und wies die Vorhaltungen der Grünen aufs Schärfste zurück: „Das ist einmalig! Wir erwarten eine Entschuldigung!“ Lehr sprach weiter davon, dass das Klima im Gemeinderat dauerhaft beschädigt werde. Er verteidigte die CDU-Positionen: „Wir wollen Freiflächen-Photovoltaik mit Ziel und Augenmaß und verträglich für die Bürger.“
Jordan Murphy (SPD) bedauerte, dass es Projekte für derartige Anlagen im Stadtgebiet gebe, die seit eineinhalb Jahren in der Warteschleife hängen. Auch er kritisierte die CDU für zu viele Bremsklötze, während über das Stadtwerk auswärts, hinter Külsheim, die größte Freiflächen-Photovoltaikanlage des Landes vorangetrieben werde.
Rainer Moritz (Grüne) unterstrich die Kritikpunkte an der CDU, während Wolfgang Herz und Hariolf Scherer (beide CDU) betonten, dass man „70 Fußballfelder“ (50 Hektar) an Zubau ermögliche und für einen Energiemix eintrete, wenn die Sonne mal eben nicht scheine. Fraktionskollege Hanspeter Fernkorn warnte zudem davor, den Fachbereich „Bauen“ der Stadtverwaltung mit zu vielen Bebauungsplanverfahren lahmzulegen. Stadtbaudirektor Bernd Straub sprach von aktuell 18 Bauleitplanungsverfahren in seinem Zuständigkeitsbereich.
Philipp Lutzmann (Grüne) warb dafür, die Wertschöpfung durch Freiflächen-PV-Anlagen nach Bad Mergentheim zu holen und endlich etwas für die Energiewende zu tun. Ulrich Gebert (CDU) plädierte für klare Regeln, wohingegen Dr. Alexandra Kurfeß (Grüne) den CDU-Vertretern zurief, „einfach mal loszulegen und nicht immer alles infrage zu stellen“, bremsen könne man später immer noch.
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