Prozess am Amtsgericht

Bad Mergentheim: „Er hat versucht, jemanden zu töten“

Dass Clubbesucher im Alkoholrausch aneinander geraten, kommt regelmäßig vor. Vor dem Bad Mergentheimer Nachtclub, der damals noch unter dem Namen P2 läuft, kam es zu einer folgenschweren Schlägerei – nun gab es Urteile.

Von 
Simon Retzbach
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Der Eingangsbereich zur Diskothek. Noch auf den unteren Treppenstufen begannen die Schläge, aus denen später schwerste Verletzungen entstanden. © Simon Retzbach

Bad Mergentheim. Angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung waren zwei Rumänen, die im Juni 2022 die Diskothek im Bad Mergentheimer Gewerbegebiet Braunstall besuchten. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sollen sie an besagtem Abend im Eingangsbereich gewartet haben, nachdem sie vorzeitig der Diskothek verwiesen wurden. Als mehrere Besucher den Club verließen, lieferten sie sich dort eine wüste Schlägerei und verletzten einen Geschädigten schwer.

Mittels verschiedener Videoaufnahmen und Aussagen der Angeklagten ließ sich die Tat in Teilen rekonstruieren. Der Angeklagte N. sei vorzeitig der Diskothek verwiesen worden, der Mitangeklagte G. folgte seinem Freund daraufhin nach draußen.

Sie sollen dort, so erklärte G., einen Bekannten angerufen haben, der sie mit einem Taxi abholte, was jedoch einige Zeit dauerte. Als dann gegen 5 Uhr morgens die späteren Geschädigten den Club verlassen, kommt es noch am Fuß der Treppen des Nachtclubs zu einer Schlägerei.

Was letztlich die Verbindung zwischen den Angeklagten und den Geschädigten war, ließ sich im Prozess nicht mehr überzeugend klären. Im Club habe es „Stress“ und eine kleine Rangelei gegeben, jedoch sei dies letztlich keine große Sache gewesen, wie der Geschädigte schilderte. Im Anschluss kam es jedenfalls zu massiver Gewalt, die sich nicht einfach nur auf wilde Faustschläge beschränkte.

Denn der Angeklagte N. hatte laut Schilderungen plötzlich eine etwa eineinhalb Meter lange Eisenstange in der Hand, mit der er dann auf zwei Geschädigte einschlug. Während der eine Geschädigte den Schlag gegen den Kopf gegen den Arm bekam und eine ausgekugelte Schulter von dem Abwehrversuch davontrug, hatte ein zweiter Diskobesucher weniger Glück.

Als dieser nach mehreren Schlägen zu Boden ging und sich gerade wieder aufrichten wollte, traf ihn ein Schlag mit der Eisenstange am Kiefer. Es war ein Schlag mit großer Wucht, der dem Mittzwanziger den Unterkiefer zertrümmert. Er ist blutüberströmt, wird noch in der Nacht notoperiert.

„Aus dem Leben geworfen“

Auch knapp zwei Jahre nach der Tat hat der Mann immer noch mit den Folgen der schweren Verletzungen zu kämpfen. „Ich darf wegen der Verletzung nicht mehr arbeiten. Ich konnte Monate nicht richtig kauen, hatte drei Operationen und immer noch Ausfallerscheinungen im Gesicht durch das Schädel-Hirn-Trauma.“, erzählt er vor Gericht. Er sitze zuhause, sei „von 0 auf 100 aus dem Leben geworfen“ worden.

Die Situation im Club habe er mit dem Rauswurf gedanklich schon abgehakt, sei von den später wartenden Angeklagten selbst überrascht gewesen. Er habe eigentlich nur nach Hause gehen wollen, als er unmittelbar am Fuß der Treppe die ersten Schläge abbekam und sich gegen die Angeklagten zu wehren versuchte.

Die Verletzungen setzten ihm sichtlich zu, seine Stimme wurde im Prozessverlauf mehrfach brüchig. Neben den immensen Kosten für künstliche Zähne und den körperlichen Schäden sei es auch psychisch enorm belastend, er verlasse alleine nicht mehr das Haus.

Schläge mit der Eisenstange eingeräumt

Die Angeklagten hatten eingangs die Bewaffnung mit der Eisenstange als eine Art Notwehrreflex beschrieben, man habe sich gegen eine Überzahl an Angreifern verteidigen müssen. Fragen der Verteidigung, beispielsweise nach einer vorangegangenen Provokation, wurden jedoch allesamt verneint.

Auch der zweite Geschädigte sprach von plötzlichen Schlägen. Zudem habe gesehen, dass nicht nur der N., sondern auch dessen Freund G. und ihr Bekannter die Eisenstange in der Hand gehabt hätten. Faustschläge habe es zudem von allen drei gegeben. Die Handlungen des N. kann er sich nur so erklären: „Er hat versucht, jemanden zu töten.“

Nach einer kurzen Besprechung räumten die Angeklagten über ihre Verteidiger die Schläge mit der Eisenstange ein und erklärten sich zu einer Zahlung von jeweils 5000 Euro an den schwer verletzten Geschädigten bereit. Wobei es jedoch nicht bleiben wird, wie Richterin Susanne Friedl deutlich machte: „Da kommt noch einiges auf Sie zu, das wird eine teure Sache.“

Die Staatsanwaltschaft forderte für die „folgenschweren, gegen den Kopf gerichteten Schläge“ drei Jahre Haft für zwei Fälle gefährlicher Körperverletzung gegen N., für G. mit „geringerer Tatbeteiligung“ eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten, ausgesetzt zur Bewährung.

„Blanke Rache“

„Das Leben des Geschädigten hat sich an diesem Abend deutlich verändert, es wurden Zukunftspläne über den Haufen geworfen. Da wurde einem Menschen das Leben zerstört“, fand Nebenklagevertreter Frank Gangl deutliche Worte für die Taten.

Verteidigerin Shanna Zelmer, die den N. vertrat, wiederholte in ihrem Plädoyer die These der Eisenstange als eine Art „Meinungsverstärker“ in einer Notwehrsituation. Angesichts fehlender Vorstrafen, erheblicher Mengen Alkohol (beide gut ein Promille und „positiver Sozialprognose“ hielt sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, für angemessen.

Christoph Wingerter sah seinen Mandanten G. letztlich als wenig beteiligt und „blind in die Situation geraten.“ Es sei ein schwerer Fehler gewesen, deren finanzielle Konsequenzen er noch Jahrzehnte spüren werde. Mit Verweis auf zwölf Jahre alte Vorstrafen des Geschädigten fügte er hinzu: „Es gibt hier kein klares Gut und Böse.“ Für beide Angeklagten sieht er zur Bewährung ausgesetzte Strafen als angemessen.

Nicht weit weg vom Tötungsdelikt?

Dem folgten Richterin und Schöffen nicht. Ein Jahr und sieben Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, erhielt G. für einen Fall, zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe erhielt N. für zwei Fälle gefährlicher Körperverletzung. Hinzu kommt die Geldauflage.

„Es war vermeidbar. Nun steht ein 26-Jähriger möglicherweise vor der Erwerbsunfähigkeit. Sein Leben ist ziemlich zerstört. Es war keine Notwehr, Sie waren im Unrecht und wollten nichts anderes als blanke Rache“, erklärte Friedl. An N. gewandt: „Wir waren nicht weit weg von einem Tötungsdelikt und das nur, weil Sie aus der Disco geflogen sind. Dabei gibt es kein Grundrecht auf Discozugang.“

Redaktion

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