Bad Mergentheim. Es tat sich ein scharfer Kontrast auf zwischen dem feierlich beleuchteten Marktplatz, der festlichen Stimmung der Beteiligten des Neujahrsschießens und den allzu dramatischen Entwicklungen in der Region und weltweit. Ein fröhlicher Blick ins neue Jahr, während sich noch am Vortag in Tauberbischofsheim mit einer Amokfahrt der Wahnsinn Bahn bricht? Diese und weitere Geschehnisse waren Grund genug für die Redner, in den traditionellen Neujahrsansprachen einen gemischten Blick auf das vergangene und das kommende Jahr zu werfen.
Denn das Neujahrsschießen ist traditionell vor allem eines: Plattform für deutliche Worte, für einen kurzen, aber prägnanten Rück- sowie Ausblick. Oberbürgermeister Udo Glatthaar spannte hier den ganz großen Bogen von der Weltpolitik (Russlands Krieg gegen die Ukraine, den Konflikt im Nahen Osten sowie die Entwicklungen in Syrien) hin zur Kurstadt Bad Mergentheim und ihrer Entwicklung in jüngster Zeit. Vor Ort war für ihn neben der Eröffnung der Grundschule Nord vor allem der sichtbar veränderte Gänsmarkt ein Grund zur Freude. „Jetzt wird das bisher abstrakte Projekt Landesgartenschau erstmals konkret spürbar“, befand Glatthaar. Er freue sich auf eine weitere Aufwertung der Innenstadt. Und damit er nicht in den Verdacht der Schönfärberei geriet, gabs auch ein kritisches Eingeständnis. „Der Rückzug des Investors für das MediSpa-Projekt war ein herber Rückschlag. Es lief eben nicht alles nach Plan“, so Glatthaar. Doch er gab sich betont optimistisch, vor allem mit Blick „auf ein besonderes Jahr 2025“. Denn hier feiert Bad Mergentheim „50 Jahre Große Kreisstadt“, in jedem Stadtteil wird es Feierlichkeiten geben.
Wahlaufruf und deutliche Worte an die Politik
Optimismus trotz aller Widrigkeiten und schlimmen Erlebnisse – unter diesem Fazit ließen sich auch die Reden der beiden Stadthauptmänner Andreas Lehr und Andreas Schweizer (Historisches Schützencorps) zusammenfassen. Doch ihnen merkte man ebenfalls an, dass es kein Neujahrsschießen wie jedes andere war. Denn ein Wahlaufruf, wie ihn Andreas Schweizer formulierte, dürfte ebenfalls ein Novum in der Geschichte der Bad Mergentheimer Traditionsveranstaltung gewesen sein.
„Sie dürfen in Freiheit und Recht leben; aber wir wollen nicht rechts leben. Das ging schon einmal gewaltig schief“, forderte Schweizer mit klaren Worten zur Beteiligung an der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar auf. Deutliche Worte für die Welt- und Bundespolitik („Die europäische Gemeinschaft muss stärker und geschlossener auftreten“, „Ich hoffe, dass unser Land nach der Bundestagswahl wieder sachlich kompetent und umgänglich geführt wird“) sowie eine Mahnung an die Stadt – „Vergessen wir nicht die Gassen um unsere Hauptplätze, die seit Jahren auf eine Aufhübschung warten“ – rundeten seine Rede ab.
„Was soll man an so einem Tag sagen?“
Andreas Lehr griff die aktuellen Geschehnisse in Tauberbischofsheim auf. „Was soll man an so einem Tag sagen?“, fragte er sich. Und gab sich im Anschluss die Antwort gleich selbst: Er forderte zu einem Gedenken an alle Opfer und Betroffenen von Gewalt und Unterdrückung sowie zu einem „klaren Nein“ gegen Demokratiefeinde auf.
Gleichzeitig, so forderte Lehr, solle man auch „Ja“ sagen. „Ja“ zur Hoffnung auf ein friedvolles Jahr. „Gerade auch in der heutigen Zeit müssen wir Freude und Hoffnung bewusst zulassen“, sagte er. Denn Angst und Untergangsstimmung „sind die Waffen derer, die unsere Gesellschaft und Demokratie bedrohen“. So lässt sich in jedem Fall festhalten: Auch wenn es beim diesjährigen Neujahrsschießen besondere Umstände waren, die deutlichen Worte und Grund für den optimistischen Blick in die Zukunft fanden alle Redner auch 2025 wieder.
Nicht nur mit Blick auf die in Bad Mergentheim lebenden Ukrainer schloss Glatthaar mit dem Wunsch nach einem friedvollen Jahr, „in dem die Freiheit nicht durch Gewalt und Unrecht unterdrückt wird“, ab. Damit wäre alles gesagt. Bleibt abzuwarten, ob 2025 seinen Wunsch erfüllt.
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