Assamstadt. „Ich war schon bei vielen Fanclubs, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich bin wirklich geflasht“, sagte Bayern-München-Legende Klaus Augenthaler am Samstagabend, als er die Bühne in der Asmundhalle betrat und in die große Zuschauermenge blickte. An den Wänden hingen FC-Bayern-Fahnen, zahlreiche Gäste hatten Trikots des Topclubs an und natürlich durfte nach bayrischer Tradition das ein oder andere Weißbier nicht fehlen.
Der 68-Jährige ehemalige Fußballspieler stellte seine Biografie „Immer nur rot-weiß gedacht“ zusammen mit Autor Albrecht Breitschuh vor. Zwischen vielen Lachern und Applaus gab Augenthaler dabei Einblick in seine Karriere, von der Entwicklung der „Mia san mia“-Mentalität beim FC Bayern München bis zum WM-Titel 1990.
„Bayern, Bayern!“-Rufe in der Asmundhalle
Dass die Stimmung blendend war, zeigte sich direkt zu Beginn, als Assamstadts Bürgermeister Joachim Döffinger nach seiner Begrüßung die Zuschauer anheizte und wenig später „Bayern, Bayern!“-Rufe von Süd nach Nord durch die Halle tönten. Gert Mauersberger, langjähriger Boss der Schiedsrichter-Abteilung des Rekordmeisters, hielt eine Laudatio auf den Stargast des Abends, in der er die Rolle Augenthalers hervorhob. „Der Titel des Buchs: ,Immer nur rot-weiß gedacht‘, hebt ihn von anderen Bayern-Stars ab“, betonte Mauersberger. Denn während viele Spieler vor und nach ihrer Zeit in München noch für andere Vereinen spielten, war Augenthaler Zeit seiner Anfänge in der Jugend des FCB immer dortgeblieben, bis er 1991 seine Karriere als Spieler beendete.
Beinahe wäre Augenthaler 1990 gar nicht dabei gewesen
Sein größter Erfolg dabei war der WM-Titel 1990. Doch Augenthaler erklärte im Gespräch mit Moderator Michael Fürst, dass vor dem Turnier noch gar nicht klar gewesen war, dass er überhaupt mitfährt: „Für mich war Bayern wichtiger als die Nationalmannschaft. Deshalb habe ich auch nur 27 Länderspiele“, sagte der Niederbayer. Vor der Weltmeisterschaft sei er verletzt gewesen, weshalb lange nicht klar war, ob er überhaupt mitfahren kann – oder vielmehr will. „Franz Beckenbauer [zu dieser Zeit Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft; Anm. d. Red.] hat mich vor dem Turnier zweimal angerufen. Da kannst du nicht Nein sagen“, nannte er den Grund, wieso er letztlich doch dabei war. Der Weltmeister erinnerte sich noch genau an das Finale im Olympiastadion in Rom und an den Moment, als er den Pokal beim Einlaufen sah: „Da habe ich mir gesagt: Ohne den gehst du heute nicht heim.“ Und so kam es dann auch. Nach dem Endspiel gegen Argentinien stemmte Augenthaler mit seinen Teamkollegen den Pokal in die Höhe.
So gelang der Kunstschuss im Waldstadion
Bereits ein Jahr zuvor, 1989, trug sich Augenthaler in die Geschichtsbücher ein: Denn mit seinem Tor im DFB-Pokalspiel bei Eintracht Frankfurt gelang ihm ein Kunstschuss, der später zum Tor des Jahrzehnts wurde. Der damalige Kapitän des FC Bayern dribbelte in der 34. Minute durchs Mittelfeld und bewies Auge! Er stellte auf Höhe der Mittellinie fest, dass sich SGE-Keeper Uli Stein etwas weit aus dem Tor gewagt hatte. Zu weit, wie wenig später feststand, denn der Bayern-Libero fackelte nicht lange und zog aus rund 50 Metern ab. Der Ball flog über die komplette Eintracht-Hintermannschaft und Torwart Stein zum 1:0 in die Maschen. „Es war damals sehr heiß im Waldstadion. Ich bin ein paar Meter gelaufen und konnte nicht mehr. Als ich dann gesehen habe, dass Stein so weit vorne steht, habe ich es einfach mal probiert“, erklärte Augenthaler schmunzelnd die Entstehung des Treffers.
„Ihre saftigen Grätschen und Ihr Weitschuss waren lange Ihre Markenzeichen. Warum sieht man das heute nicht mehr?“, wollte Fürst anschließend wissen. Der „Tiki-Taka“-Fußball, den Pep Guardiola bei Bayern etablierte, gab Augenthaler die Antwort. In diesen Spielstil, der auf kurzes Passspiel, Positionsspiel und ständige Bewegung ausgelegt ist, passe ein Weitschuss nicht rein.
Deshalb wurde Augenthaler vom Stürmer zum Libero
Dass der damalige Libero aber überhaupt von dieser Position Tore schoss, stand nicht von Anfang an fest. Augenthaler kam als Stürmer zum FC Bayern und hatte es Co-Trainer Werner Olk und Gerd Müller zu verdanken, dass er auf die Position vor den Torwart rückte. Nachdem Hans-Josef Kapellmann Augenthaler während des Trainings immer wieder zurechtgewiesen hatte, gab Olk ihm den Tipp: „Du musst dich wehren, sonst kannst du wieder heimfahren“, beschrieb Augenthaler die damalige Situation. „Beim nächsten Training habe ich gegen Kapellmann dann wirklich rasiert und die Ellenbogen eingesetzt. Als ich da zu Olk geschaut hatte, zeigte der mir einen Daumen hoch.“ Dieses Verhalten fiel dann auch Gerd Müller auf, der später zu Cheftrainer Dettmar Cramer gegangen war, Augenthaler Wettkampfstärke attestierte und ihn als Defensivspieler vorschlug. „Das, was Olk mir damals sagte, war die erste und wichtigste Lektion, die ich gelernt habe“, blickte Augenthaler zurück.
„Mia san mia“ und „das Wunder von Mailand“
Nichts steht mehr für die Haltung und Identität des FC Bayern als der Ausdruck „Mia san mia“, der sich in den 80er-Jahren etablierte. „Ist das mit Ihnen entstanden?“, fragte Fürst. „Ich habe einen großen Teil dazu beigetragen“, ist sich Augenthaler sicher. Für ihn stehe dieses Motto für Teamgeist und Zusammenhalt. Als ein Beispiel, wo sich das „Mia san mia“ auf dem Fußballplatz deutlich gezeigt habe, nannte er „das Wunder von Mailand“ im Rückspiel des Europapokals der Landesmeister 1988 im Giuseppe-Meazza-Stadion vor 75.000 Zuschauern. Die Bayern drehten damals einen 0:2-Rückstand aus dem Hinspiel, gewannen 3:1 und zogen ins Viertelfinale ein. „Das waren die schönsten Spiele, wenn wir zeigen konnten: ,Nicht mit uns!‘“, schwelgte Augenthaler in Erinnerungen.
Seine Biografie „Klaus Augenthaler – Immer nur rot-weiß gedacht“, ist letztlich nur entstanden, weil NDR-Reporter Albrecht Breitschuh „keine Ruhe gegeben hat“, wie der 68-Jährige sagt. Binnen eineinhalb Jahren schrieb Breitschuh das 264-Seiten lange Werk, für dessen Entstehung Augenthaler noch einmal tief in seine Vergangenheit als Profispieler eingetaucht ist. Es ist beim „Arete Verlag“ erschienen.
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