Welt-Down-Syndrom-Tag

Nur wenn alle offen sind, gelingt Inklusion wirklich

Familie Fischer und ihre Tochter Laura fühlen sich in Königheim gut aufgehoben und durch den Verein Lebenshilfe hervorragend unterstützt

Von 
Elisabeth Englert
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Der 21. März ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Das Datum erklärt sich von selbst. Das Chromosom 21 ist bei Betroffenen drei Mal vorhanden. Die Fränkischen Nachrichten nahmen diesen Tag zum Anlass, eine Familie mit einem Down-Syndrom-Kind zu besuchen.

Königheim/Tauberbischofsheim. Ein strahlendes Lächeln empfängt mich an der geöffneten Tür. Es gehört zur zwölfjährigen Isabella, die mich bittet ihr zu folgen. Noch im Treppenhaus begrüßt mich erwartungsvoll und freundlich ihre 14-jährige Schwester Laura, stellt sich vor und fragt umgehend wie ich denn heiße.

Ein großes Herz

Laura leidet am Down-Syndrom, einer Chromosomenanomalie, wobei das Wort „leiden“ völlig unzutreffend ist. Denn zum einen leidet sie nicht an einer Krankheit, ist vielmehr nur langsamer in manchen Dingen und entwicklungsverzögerter, zum andern ist sie offen, herzlich, fröhlich, empathisch, den Menschen gegenüber sehr zugewandt.

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Von
Marc Herwig
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„Sie hat therapeutische Fähigkeiten“, berichtet ihre Mutter Edith und erinnert sich an Begegnungen mit Menschen, die deren Seele streichelten. Down-Syndrom-Kinder haben große Herzen, verströmten Liebe, seien tolerant und akzeptierten jeden Menschen so wie er ist. „Laura bereichert unser Leben“, bekräftigt sie. Und das tut sie bereits gemeinsam mit ihrer Schwester seit gut sieben Jahren, als Edith und Christof Fischer die beiden Mädchen aus Kolumbien adoptierten.

Es sei für sie immer klar gewesen, diesen Schritt zu gehen, nachdem sie als Eltern für die beiden ausgewählt wurden. Beide nennen dies ihr „großes Glück.“ Beobachtet man die Familie, wie sie am Tisch sitzt mit dem herrlichen Blick übers Brehmbachtal, wie sie alle erzählen, lachen, miteinander umgehen, aufeinander zugehen, so bekommt man einen Eindruck von ebendiesem „großen Glück.“

Es sei immer etwas los, wie bei jeder „normalen“ Familie mit Kindern. Schule, Vereine, Freunde, Berufstätigkeit, dies alles gelte es unter einen Hut zu bringen. Isabella ist im DLRG, spielt Fußball im Verein, Laura turnt beim SV Königheim im Mädchenturnen, schwimmt ebenfalls und muss in Kürze zum Training. Doch vorher zeigt sie stolz ihren Showtanz der jüngst vergangenen Faschnachtssaison, den sie an etlichen Kinderprunksitzungen aufführte. Sie schlägt ein Rad nach dem andern und geht in den Spagat. Der Berichterstatterin wird schon beim Zuschauen schwindlig und sie ist maximal beeindruckt.

Ihre Eltern sind sehr dankbar und wertschätzen das Engagement und die Offenheit von Trainern, Vereinskameraden sowie deren Eltern. Diese offene Vereinsstruktur ermögliche ihrer motorisch fitten und gesunden Tochter ihre Begabungen und Talente auszuleben, zu vertiefen und daran zu wachsen. Überhaupt komme die Bewegung der quirligen, energiegeladenen Frohnatur zupass.

Aufgeschlossenheit aller wichtig

Bedauerlicherweise finde man diese Aufgeschlossenheit nicht überall, obgleich es sehr wichtig sei, dass die Kinder am Vereinsleben partizipieren könnten. Als Meilenstein bezeichneten beide die Teilnahme ihrer Mädels am Sommerferienlager der DLRG-Ortsgruppe, bei dem durch die gemeinsam verbrachten zwei Wochen ein neues, anderes Kennenlernen Hemmschwellen Laura gegenüber abbaute. Bereits dreimal waren die beiden aktive Teilnehmerinnen und freuen sich schon auf den nächsten Sommer.

Nie bereut habe man, dass Laura eine sonderpädagogische Schule mit entsprechend ausgebildetem Fachpersonal besuche. Andere Schulen böten nicht die erforderlichen Rahmenbedingungen. Laura würde untergehen, ist ihre Mutter, eine gelernte Erzieherin, überzeugt.

Sämtliche Familienmitglieder wirken sehr geerdet, gefestigt, überzeugt und auch entspannt. So wie die Adoption der Geschwister positiv entschieden wurde, so hätten sie sich auch für ein Kind mit Down-Syndrom entschieden, hätten sie es auf natürlichem Wege zur Welt gebracht.

Sie sind klar der Meinung, dass jeder ein Recht auf Leben habe. Und die für ihr Alter sehr reife Isabella ergänzt: „Ich kann mir ein Leben ohne Laura nicht vorstellen. Es wäre schade, wenn sie nicht da wäre.“ Denn was normal sei oder was nicht, bestimme die Gesellschaft und nicht derjenige, über den geurteilt werde.

Noch einen Schritt weiter geht Peter Büche, Geschäftsführer der Lebenshilfe Main-Tauber: „Was erträgt die Gesellschaft an nicht-konformen Menschen?“

Es gehe nicht nur um das Down-Syndrom, auch um alte oder kranke Menschen oder um Kinder oder Erwachsene, die durch einen Unfall eingeschränkt seien. Das könne schließlich jedem passieren. Man dürfe keineswegs „aussortieren“, weder vorgeburtlich, noch im hohen Alter, postuliert Büche mit Nachdruck.

Paare sollten mutig sein

Problematisch sehe er die seit letztem Jahr von den Krankenkassen finanzierten Bluttests, die Chromosomenanomalien wie Trisomie 21 feststellten. Paare würden durch dieses Angebot dem Druck ausgesetzt, auch diese Untersuchung zu machen und dann stürze ein positives Ergebnis über sie herein. Zudem sei dies lediglich ein Test, keine abschließende Diagnose. Bei falsch-positivem Ergebnis bestehe überdies keine Pflicht zu genauerer Diagnostik.

Daher wünsche er, der viele glückliche Menschen in seinem Tätigkeitsfeld kenne, jungen Paaren Mut und appelliert „mutig zu sein und nicht alles wissen zu wollen.“ Der Welt-Down-Syndrom-Tag, so hoffe er, gebe Anlass zu reflektieren.

Und Fischer ergänzt: „Wir sind froh, dass es Institutionen wie die Lebenshilfe gibt, die mit ihrer Infrastruktur an Beratung und Betreuung sehr hilfreich sind.“ Gut erinnere er sich an einen Vater-Töchter-Kuraufenthalt, an dem er von Teilnehmern aus Großstädten um diese Angebote der Lebenshilfe beneidet wurde. Wochenendfreizeiten oder -nachmittage, aber auch extra Angebote für Geschwisterkinder, die manchmal zurückstecken müssten, seien sehr wertvoll, insbesondere wenn keine Großeltern im Hintergrund seien.

Mit diesem Ineinandergreifen von offener Vereinsstruktur, Lebenshilfeangeboten und Familie sei der Alltag gut zu bewältigen, betonen beide. Zudem habe man sich nichts „aufgebürdet“, sondern übernehme Verantwortung für die Kinder wie alle anderen Eltern auch.

So können Isabella und Laura heranwachsen, sich entwickeln und mit Hilfe, Zielstrebigkeit und Selbstvertrauen ihren Weg finden.

Übrigens – für den Zeitungstermin hat Laura sich extra chic herausgeputzt, weißes Kleid, dunkelblaue Strickjacke mit Rüschen und blickdichte schwarze Strumpfhosen. Ein ganz normales, glückliches, junges Mädchen.

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