"Stolpersteine" in Sennfeld verlegt - Aktion im Gedenken an drei frühere jüdische Mitbürger / Gunter Demnig vor Ort

Aus der Mitte der Gesellschaft herausgerissen

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Zum Gedenken an drei ehemalige jüdische Mitbürger wurden im Rahmen einer Feierstunde in Sennfeld drei "Stolpersteine" verlegt. Das Bild zeigt die Ehrengäste zusammen mit Bürgermeister Klaus Gramlich (Bildmitte), links das Ehepaar Eva und Wilhelm Reinmuth sowie ganz rechts Heimatforscher Reinhart Lochmann sowie Künstler Gunter Demnig (knieend).

© Frodl

Sennfeld. "Stolpersteine" ist ein Kunstprojekt für Europa, das vom Kölner Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, die Erinnerung zu bewahren an die Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Mitbürger und andere Verfolgte des Nationalsozialismus.

Nachdem vor zwei Jahren in der Stadt Adelsheim die ersten "Stolpersteine" verlegt wurden, fand nun in der Kirchgasse 2 in Sennfeld vor dem Wohnhaus Blum eine Feierstunde statt, bei der Gunter Demnig drei weitere "Stolpersteine" aus Messing verlegte.

Bürgermeister Klaus Gramlich begrüßte die Gäste, darunter Heimatforscher Reinhart Lochmann, die Stadträtinnen Eva Reichert und F. Götz, Pfarrerin i.R. Schulz sowie das Ehepaar Eva und Wilhelm Reinmuth, an diesem, wie er sagte, "jetzt historischen Ort".

Initiative gern aufgegriffen

Gerne habe man die Initiative des Ehepaares Reinmuth aufgegriffen, zum Gedenken an drei ehemalige jüdische Bürger, Salomon, Selma und Sigmund Emil Neuberger, je einen Stein des Gedenkens zu setzen. Der Dank des Bürgermeisters galt der Familie Blum für ihr Einverständnis zur Verlegung der "Stolpersteine" vor ihrem Haus. Gunter Demnig ergänzte, er werde im Januar den 50 000. Stolperstein in Turin verlegen.

Die Aktion verbinde man mit einem "großen Schritt", so Gramlich. Mit den "Stolpersteinen" solle an die jüdischen Bürger erinnert werden, die Teil der Gesellschaft waren. "Sie wurden aus der Mitte der Gesellschaft herausgerissen". Sie seien unfreiwillig weggegangen; die meisten von ihnen fanden den Tod.

Die Zeitzeugen werden immer weniger, welche die Menschen kannten, die hier in Sennfeld lebten, so Gramlich. Umso wichtiger sei es, wenn die Zeit voranschreite, dass man durch bleibende Marken diese in Erinnerung halte. Hätten die Menschen hier weiter gelebt, wären ihre Kinder auch heute noch Mitbürger der Stadt, so Gramlich.

Angesichts der Vertreibungen, die es auf der Welt gebe und der vielen Menschen, die fliehen, um ihr Leben zu retten, dürfe man sich glücklich schätzen, dass in Deutschland seit nunmehr fast 70 Jahren Frieden herrsche. "Aber Frieden auf der Welt wird es wahrscheinlich nie geben", betonte Gramlich. Der Bürgermeister bedankte sich namens der Stadt, des Gemeinderates und der Bürger bei den Initiatoren für ihr Engagement und den Spendern, Wilhelm Reinmuth und F. Schulz, für ihre finanzielle Unterstützung.

Wie Initiator Wilhelm Reinmuth nach einem musikalischen Zwischenspiel in bewegenden Worten erklärte, werde mit den neuen Gedenksteinen an die Opfer Salomon und Selma Neuberger sowie Sigmund Emil Neuberger erinnert. Ihr Wohnhaus mit Stall und Scheune stand in der Kirchgasse 2 und wurde im Jahre 1965 abgebrochen. Der Platz wurde mit dem Geschäftshaus des Schreinermeisters Ludwig Blum neu bebaut.

Salomon Neuberger entstammte einer alteingesessenen jüdischen Familie, die hauptsächlich vom Viehhandel lebte. Er war das achte Kind von Moses und Sara Neuberger. Sowohl Salomon als auch Ehefrau Selma wurden am Pogromtag 1938 misshandelt. Beide wurden am 22. Oktober 1940 mit anderen 19 Sennfelder Juden in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert.

Salomon Neuberger starb dort am 8. November 1941, seine Frau Selma wurde nach der Auflösung des Lagers 1942 in das Durchgangslager Drancy bei Paris und am 10. August 1942 mit Transport Nr. 17 weiter nach Auschwitz deportiert. Im gleichen Transport befanden sich auch ihre Schwester Jenny und deren Ehemann Josef Kaufmann, die in Sennfeld geboren wurden.

Von den 1000 Deportierten dieses Transportes wurden bei der Ankunft in Auschwitz 240 Männer und Frauen für die Arbeit in den dortigen Fabriken selektiert, die anderen wurden sofort mit Gas ermordet. Aus diesem Transport gab es nur einen überlebenden Mann.

Der dritte Gedenkstein erinnert an Emil, genannt Sigmund Neuberger, der am 15. September 1874 in Sennfeld geboren wurde. Er lebte im Haus seines Bruders Salomon und half ihm beim Viehhandel. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil, war körperlich eher schwach und blieb ledig. Auch er wurde nach Gurs deportiert und starb am 2. Januar 1942.

Würdiger Abschied

Pfarrerin Schulz sagte, dass die Verlegung der drei neuen Stolpersteine eine Fortsetzung des begonnenen Mahnmalprojektes sei und erinnerte an die schlimme Zeit.

Eva Reinmuth umrahmte die Feier mit jüdischen Musikstücken, während ihr Mann mit Gebeten Abschied von seinen ehemaligen Freunden nahm, die nie eine würdige Bestattung erhielten. F

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