Adelsheim. Fast jeder Stuhl war besetzt am Freitag im Kulturzentrum in Adelsheim beim Historikertag des Neckar-Odenwald-Kreises. Im ersten Vortrag ging Thomas Roth, Doktorand an der Technischen Universität Darmstadt, auf den Bauernkrieg im Odenwald und Bauland ein. Dann widmete sich Doktorand Lukas Hofman von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg den Anfängen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim.
„Nach 500 Jahren ist der Bauernkrieg immer noch ein Geschichtsereignis, das die Menschen fasziniert und um das viele Mythen entstanden sind“, sagte Roth. Der Name „Bauernkrieg“ beschreibt die Gesamtereignisse, die 1524 aus ökonomischen und religiösen Gründen in weiten Teilen Thüringens, Sachsens, des süddeutschen Raums, des Salzburger Lands und Tirols ausbrachen. Die Ursachen des Krieges lassen sich in den zwölf Artikeln wiederfinden. Bauernvertreter kamen in Memmingen im März 1525 zusammen, um Forderungen gegenüber dem Schwäbischen Bund zu formulieren. Unter anderem seien die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Anpassung der hohen Pachtabgaben niedergeschrieben worden, erläuterte Roth. Fast alle Aufständischen bezogen sich auf diese Schrift.
Der Begriff etablierte sich bei Zeitgenossen
Der Begriff „Bauernkrieg“ hätte sich schon bei Zeitgenossen etabliert, informierte der Historiker. Bauernaufstände waren im Reich im 15. und 16. Jahrhundert im süddeutschen Raum keine Seltenheit gewesen. „Die Ereignisse von 1524 bis 1526 waren aufgrund ihrer Interregionalität und Intensität anders als die vorherigen Konflikte“, erläuterte Roth. In den Beschreibungen über diese Jahre sei es für die Menschen der damaligen Zeit nicht mehr ausreichend gewesen, den gebräuchlichen Begriff Aufruhr zu verwenden.
Je nach Region seien die Bauernhaufen, so wurden die Zusammenschlüsse genannt, unterschiedlich zusammengesetzt gewesen, erklärte der Historiker. So waren auch wohlhabende Landbesitzer, Kleinbauern, Stadtbewohner und Adelige involviert. „In der Forschung haben wir versucht, den Begriff umzudeuten. Da wir keinen besseren haben, sind Historiker bei dem Namen geblieben“, sagte Roth.
Zu den bekanntesten regionalen Anführern im Odenwald und Bauland zählen Georg Metzler (ein Wirt aus Ballenberg), Jäcklein Rohrbach (Leibeigener der Herren von Neipperg) und Götz von Berlichingen, sagte Roth. Erste organisierte Bauernproteste in der Region wurden im März 1525 in Rothenburg organisiert. Unter der Führung von Metzler sammelten sich über 2000 Bauern aus dem Taubertal und Odenwald. Der Neckar-Odenwälder Haufen besetzte das Kloster Schöntal an der Jagst und schloss sich mit den Bauern, die Rohrbach anführte, zusammen.
Eines der prägendsten Ereignisse dieser Zeit sei die Weinsberger Bluttat gewesen, erklärte Roth. Nach der Eroberung der Stadt im April 1525 wurden Adelige zum Tode verurteilt und mussten durch die Spieße laufen. Der Spießrutenlauf sei eine Bestrafung gewesen, bei der verurteilte Landsknechte durch eine Gasse von Spießträgern hätten laufen müssen, die dabei zustachen, erklärte er. „Die Bauern hatten erstmals bewiesen, dass auf ihre Drohungen auch Taten folgen können“, sagte er. Einige Adelige schlossen sich daraufhin den Bauern an. Langfristig sollte die Bluttat den Bauern mehr schaden als nutzen, erklärte der Historiker. Obrigkeiten, die bisher verhandlungsbereit und abwartend gewesen waren, rüsteten sich zur Niederschlagung der Bauern auf.
Götz von Berlichingen zum Hauptmann ernannt
Götz von Berlichingen stieß im April 1525 zum Neckar-Odenwälder-Haufen. „Zeit seines Lebens behauptete der Adelige, dass er sich widerwillig dem Haufen anschließen musste“, erläuterte der Historiker. Später sollte er aber ein Hauptmann im Bauernkrieg werden. Die Bauern übertrugen ihm dieses Amt, da er militärische Erfahrung hatte und in Fehden mit anderen Städten und Adeligen stand. Deshalb hätten sie angenommen, dass er aufgeschlossen für ihre Ziele sei, sagte Roth.
In der Amorbacher Erklärung verfassten die Anhänger des Bauernprotests im Mai eine abgeänderte Form der zwölf Artikel. In der Schrift sei unter anderem geschrieben gewesen, dass Plünderungen nicht erlaubt seien, erklärte Roth. Die Verfasser wollten mit der Erklärung Verhandlungen mit Städten und Adeligen ermöglichen. Roth erklärte, dass es zu langfristigen Verbesserungen für die Bauern im Odenwald und Bauland jedoch nicht kommen sollte. Im Juni 1525 wurden alle Bauernhaufen in der Region geschlagen. Metzler galt nach dem Krieg als verschollen, Rohrbach verbrannte man bei lebendigem Leibe und gegen Götz erhob man Anklage. Das Reichskammergericht erklärte ihn für schuldlos. Daraufhin nahm der Schwäbische Bund ihn gefangen, und er kam erst frei, als er beteuerte, seinen Stammsitz nicht mehr zu verlassen.
JVA Adelsheim war eine Modellanstalt
Der zweite Vortrag an diesem Tag behandelte ein Thema einige hundert Jahre nach dem Bauernkrieg. Nach den Worten Lukas Hofmanns war die JVA Adelsheim bei ihrem Entstehen in den 1970er Jahren eine Modellanstalt. In dieser Zeit versuchten unter anderem Wissenschaftler, neue Konzepte in den Strafvollzug einzubringen. „Die Idee war, dass sich der Vollzug an das Leben im Freien annähern sollte“, sagte er. Nicht nur die Strafe sollte im Fokus stehen. Diese neue Herangehensweise wurde vor 50 Jahren in Adelsheim teilweise umgesetzt. Dies hätte man schon beim Aufbau des Gebäudekomplexes erkennen können, erklärte der Doktorand. Das Gefängnis wurde so geplant, dass zum Beispiel Freigänger abgesondert von den anderen untergebracht werden konnten. „Es gibt nun nicht mehr nur einen langen Gang mit Zellen“, informierte Hofmann.
Ein Fußballfeld auf dem Gelände sollte den Sport fördern. Schulische Ausbildung und Arbeit galten als wichtige Maßnahmen zur Resozialisierung, informierte Hofmann. „Auf der anderen Seite können wir erkennen, dass auch eine Anstalt, die ihrer Zeit voraus war, den Ansprüchen an einen modernen Haftalltag meist nicht vollständig erfüllte“, erklärte er. Ordnung und Disziplin hätten Vorrang vor Erziehung gehabt.
Landrat Dr. Achim Brötel sah den Historikertag nicht nur als Blick in die Vergangenheit, sondern als Ort des Dialogs und der Verantwortung. „Wir schauen zurück, um die Gegenwart besser zu begreifen“, ergänzte Adelsheims Bürgermeister Wolfram Bernhardt. Er übergab Hofmann Unterlagen seines Großvaters über die JVA Adelsheim, in der dieser gearbeitet hatte, für mögliche weitere Forschungen.
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