Adelsheim. Klack, klack, klack - So klingt es durch die Halle beim SV Adelsheim, wenn der Tischtennisball auf die Platte springt. Es ist Freitagabend. Matthias Schirm holt mit seinem Schläger aus und schlägt den Ball zielgenau auf die ihm gegenüberliegende Ecke der Tischtennisplatte. Sein Gegenspieler streckt sich, kann den Ball aber nicht mehr erreichen.
Dass Schirm Parkinson hat, sieht man ihm beim Spielen nicht an. „Wenn ich länger stehe, fangen meine Hände und Beine an zu zittern. Spiele ich, spüre ich keine Symptome mehr“, erzählt der 63-Jährige im Gespräch mit den FN. Das sei ein schönes Gefühl. Tischtennis sei der beste Sport, um die Symptome einer Parkinson-Krankheit zu verlangsamen. Das würden auch wissenschaftliche Studien bestätigen, erklärt der Schlierstadter. Darum hat er im Sommer eine Tischtennisgruppe für Parkinson-Erkrankte beim SV Adelsheim ins Leben gerufen.
Japanische Studie stellt bessere Balance fest
Dass Tischtennisspielen bei einer Parkinson-Erkrankung helfen kann, bestätigt Dr. Ralph Bier, Arzt bei der AOK Baden-Württemberg. Der Sport könne bei Patienten motorische Fähigkeiten, Alltagsfunktionen und auch kognitive Leistungen verbessern. „Die bisherigen Forschungen sind vielversprechend, beruhen aber überwiegend auf Pilot- und Kleinstudien. Größere Studien fehlen noch“, informiert Bier. Ein Beispiel sei eine Studie aus Japan. Forschende der „Fukuoka University“ hätten mit zwölf Parkinson-Patienten (Durchschnittsalter 73 Jahre) ein sechsmonatiges, wöchentliches Tischtennis-Programm durchgeführt und dabei Verbesserungen beim Sprechen, Speichelfluss, Anziehen, der Handschrift sowie beim Aufstehen aus dem Bett, Auto oder Sessel und beim Gehen und der Balance beobachtet. Tischtennis erfordere eine ständige Augen-Hand-Koordination, sagt Bier. Auch seien kurze Reaktionszeiten und präzise Bewegungen notwendig. „Das sind genau die Fertigkeiten, die bei Parkinson betroffen sind. Die Haltung und die Gangsteuerung werden durch das Bewegen zum Ball trainiert“, erläutert er.
Weitere Informationen
- Das Training findet dienstags und freitags ab 18 Uhr in der Eckenberghalle statt.
- Weitere Informationen sind unter www.tischtennis-adelsheim.de/aktuell.html zu finden.
- Über den Verein Ping-Pong-Parkinson kann mehr auf der Internetseite www.pingpongparkinson.de nachgelesen werden. ra
Schirm spielt seit seinem 17. Lebensjahr mit dem kleinen Ball. „Mich hat der Sport von Anfang an nicht losgelassen“, sagt er. Vor rund zehn Jahren sollte sich das aber ändern. Damals habe er festgestellt, dass er keine Chance mehr gegen Spieler hatte, die er sonst immer besiegte, erzählt er. „Ich wusste nicht, was mit mir los war. Es war frustrierend und ich verlor den Spaß“, sagt der 63-Jährige. Er hörte mit dem Sport auf. Später kam die Diagnose: Parkinson. Das sei ein Schock gewesen. Er suchte nach Möglichkeiten, die ihm bei seinen Symptomen helfen könnten, und wurde beim Verein „Ping-Pong-Parkinson“ fündig. Zwei an Parkinson erkrankte Tischtennisspieler gründeten den Verein im Jahr 2020. Es gibt in Deutschland 300 Stützpunkte. „Auf Videos habe ich dann gesehen, dass bei Parkinson-Erkrankten beim Tischtennis spielen keine Symptome auftraten“, erzählt er. Das habe ihn motiviert, wieder an eine Platte zu gehen. Seit zwei Monaten spiele er wieder.
Verein war schnell von der Idee überzeugt
Das befreiende Gefühl wollte Schirm auch anderen Erkrankten vermitteln. Da sich der nächstliegende „Ping-Pong-Parkinson“-Stützpunkt etwa 50 Kilometer entfernt in Neckarsulm befindet, überzeugte er die Verantwortlichen des SV Adelsheim, einen eigenen Stützpunkt zu errichten. Von Schirms Idee waren die Verantwortlichen beim Sportverein begeistert. „Wir wollen immer neue Sportarten bei uns anbieten und unser Angebot erweitern“, sagt Vorstandsvorsitzender Ralf Remmler. So einen Vorschlag würden sie gerne unterstützen. Der Vorteil sei gewesen, dass er die Verantwortlichen des Sportvereins gut kenne, sagt Schirm. Acht Jahre war er Abteilungsleiter der Tischtennissparte.
„Wir freuen uns, neue Menschen für Tischtennis zu begeistern“, sagt Etienne Zinkel, einer der zwei Abteilungsleiter für Tischtennis. Das Schöne an der Sportart sei, dass Jung und Alt, Frauen und Männer, Erfahrene und Neueinsteiger zusammenspielen können. Die Parkinson-Erkrankten würden gemeinsam mit den Spielern des SV Adelsheim spielen. Sie wollen die Spieler in die Mannschaft integrieren. Oliver Niemann, zuständig für die Presse beim Sportverein, ergänzt, dass in diesem Sport vieles im Kopf entschieden werde. „Mit Finesse und Routine können schon mal stärkere Gegner ausgespielt werden“, erzählt er. Beim Tischtennis spielen verletze man sich zudem nicht so schnell.
Zurzeit ist die Tischtennisgruppe für Parkinson-Erkrankte noch klein. Fünf bis sechs Leute treffen sich am Dienstag- und Freitagabend in der Eckenberghalle in Adelsheim. Eine der Spielerinnen ist Ursula Münch: „Wenn ich Tischtennis spiele, fühle ich mich frei. Ich denke an meine Krankheit nicht mehr.“ Durch die Bewegung habe die 68-Jährige das Gefühl, dass ihre Muskeln nicht mehr so steif seien. Der Austausch mit anderen Menschen tue ihr zudem gut. „Jeder kann einfach vorbeikommen und ausprobieren, Tischtennis zu spielen“, sagt Schirm. Es seien keine Vorkenntnisse nötig. Nur viel Spaß sollte man mitbringen.
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