Adelsheim: So sieht es für Asylbewerber vor Ort aus

Asylbewerber schneller in den Arbeitsmarkt integrieren, Aufnahmelager, Grenzkontrollen: In der Migrationsdebatte überschlagen sich die Vorschläge, um die Migration zu steuern. Wie es für Asylbewerber vor Ort aussieht, haben die FN erkundet.

Von 
Daniela Käflein
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Drei Männer teilen sich in der Asylbewerber-Unterkunft in Adelsheim 14 Quadratmeter. Gemütlich ist anders. Aber sie sind in Sicherheit. © Daniela Käflein

Adelsheim. Sozialbetreuerin Claudia Beckert von der Asylunterkunft in Adelsheim ist mit einem Asylbewerber unterwegs. Er hat Zahnschmerzen und zu viele Schmerzmittel genommen. „Das ist der Alltag. Es ist gut, helfen zu können. Denn häufig kommt die soziale Arbeit auch bei meiner Stelle viel zu kurz, weil die Bürokratie alles an Zeit verschlingt“, sagt die Leiterin der Sozialbetreuung des Caritasverbandes in der Asyl-Unterkunft in Adelsheim.

Bis zum 30. Oktober wurden nach Angaben des Landratsamtes dem Neckar-Odenwald-Kreis 431 Asylbewerber in diesem Jahr zugewiesen. Im November werden voraussichtlich weitere 85 hinzukommen. Die Container im Friedrich-Gerner-Ring in Adelsheim werden zurzeit von etwa 120 Menschen bewohnt. Sie wechseln ständig und kommen aus Syrien, Afghanistan und Serbien. Auch einige Kurden sind unter ihnen. Ehrenamtlich sind Stadt- und Kreisrätin Heide Lochmann, Christel Hiltscher, Dagmar Hufnagel und Heidi Schulz vor Ort.

Weniger Helfer als 2015

„Allerdings sind wir auch weniger Helfer geworden seit 2015. Und die Fluktuation in der Asylunterkunft ist viel größer“, sagt Heide Lochmann. Dadurch entstehe nicht mehr so viel Nähe. Mit den Familien, die 2015 in Adelsheim ankamen aus Syrien und dem Irak, hat sie heute noch Kontakt. Deren Kinder besuchten inzwischen Realschule und Gymnasium, Männer und Frauen hätten eine Arbeitsstelle. Und Christel Hiltscher, die Deutsch unterrichtet, moniert hohe bürokratische Hürden. So habe sie einen Flüchtling nach Sennfeld als Koch vermittelt, was letzten Endes an der Bürokratie gescheitert sei. Trotzdem freuen sich die ehrenamtlichen Helferinnen über die Tatsache, „dass man bei diesen Flüchtlingen von damals von echter Integration sprechen kann“.

Vor allem stellen die ehrenamtlichen Helferinnen fest, dass die Flüchtlingsarbeit von Seiten des Landratsamtes deutlich besser organisiert sei als letztes Mal. „Das Landratsamt hat gut reagiert und die Betreuung funktioniert“, unterstreicht Heide Lochmann. Denn wenn man ein friedliches Zusammenleben haben wolle, müsse die Gemeinschaftsunterkunft auch personell ausgestattet sein. So gibt es neben Stefanie Eschenlohr, die die Gemeinschaftsunterkunft in Adelsheim leitet, Claudia Beckert, die die Sozialbetreuung übernimmt, einen Hausmeister und zurzeit vier feste Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, die auch Arabisch sprechen.

Als deutliche Vorteile gegenüber der Flüchtlingswelle 2015 hebt Heide Lochmann auch die Tatsache hervor, dass die Kinder in Adelsheim sofort in Kindergarten und Schule unterkommen können.

Allerdings sei die Fluktuation wirklich groß. So bemerkt Christel Hiltscher: „Von den acht Familien, mit denen wir im Januar hier angefangen haben, ist gerade mal noch eine da. Auf diese Weise kann man nichts aufbauen, sondern immer nur Chaos verwalten.“ In diesem Sinne seien der hohe Verwaltungsaufwand und der enorme Durchlauf einfach unbefriedigend.

Die Küche wird von 70 Männern genutzt. Klar, dass das nicht immer alles reibungslos abläuft. © Daniela Käflein

Kontakt kommt zu kurz

Und die Sozialbetreuerin fügt an: „Eigentlich bin ich hierhergekommen, um mit Menschen zu arbeiten. Stattdessen bewältige ich Antragsfluten. Und das ist inzwischen so viel, dass sich meine Arbeit darin erschöpft“, gibt Claudia Beckert zu bedenken. Sie ist ausgebildete Erzieherin und Traumatherapeutin. „Aber der menschliche Kontakt in der Asyl-Unterkunft kommt viel zu kurz.“

Ihrer Meinung nach ist das umso schlimmer, als die Menschen, die in Adelsheim ankommen, ganz dringend Redebedarf hätten. Wie beispielsweise Naikmal Mohammad. Er ist 33 Jahre alt und durch einen Schleuser mit einem kleinen Schiff aus Afghanistan gekommen.

In Kabul hat er Wirtschaft studiert, spricht sehr gut Englisch und auch schon ein bisschen Deutsch. „Menschlichkeit, Demokratie und Freiheit“, zählt er als die Hauptunterschiede zwischen Deutschland und Afghanistan auf.

In Adelsheim lebt er mit zwei weiteren Männern auf 14 Quadratmetern zusammen. Was er unterwegs erlebt hat, war nach seinen Worten weitaus schlimmer. „Die Deutschen haben mir wirklich geholfen. Das werde ich nicht vergessen“, sagt er. Aber natürlich sei es sehr schwierig, mit so vielen unterschiedlichen Menschen, die anders denken und fühlen, auf so engem Raum zusammen zu leben.

„Ich hab gelernt, man kann nur so viel geben, wie man auch Ressourcen hat. Da muss man realistisch sein“, spricht Sozialbetreuerin Claudia Beckert an, was auch die ehrenamtlichen Helferinnen spüren: „Wir sind überfordert und können nicht alle aufnehmen“, meint Christel Hiltscher. Trotzdem ist Claudia Beckert überzeugt: „Jede Einsicht braucht ihre Zeit.“ Die europäischen Länder müssten Anreize gemeinsam setzen und könnten die Migrationsprobleme nur zusammen bewältigen.

Der Adelsheimer Bürgermeister argumentiert ähnlich: „Wir stecken in einem moralischen Dilemma. Alle, die wir hier in Deutschland geboren wurden und somit einen deutschen Pass und Anspruch auf das deutsche Sozialsystem haben, hatten mit diesem Start ins Leben ein riesiges Glück“, stellt er im Gespräch mit den FN fest.

Die Sorge wächst

Alle, die sich aus dem Nahen Osten oder Afrika auf den Weg nach Europa machen, hätten nicht dieses Glück. „Aber Fakt ist, dass wir nicht all diese Menschen aufnehmen können. Weder hält das unser Sozialsystem aus, noch würde die Integration gelingen, was jedoch wiederum Voraussetzung dafür ist, dass die Migration als Bereicherung und nicht als Problem wahrgenommen wird“, so das Stadtoberhaupt.

Es gebe so viele positive Beispiele für gelungene Integration in Adelsheim und im Neckar-Odenwald-Kreis, aber all diese Beispiele rückten immer mehr in den Hintergrund, weil die Sorge wachse, dass dies künftig nicht mehr so gut gelingt. Abschließend meint er: „Und diese Sorge sehe ich als berechtigt, weil die Kapazitäten nicht ausreichen, um eine gelingende Integration zu unterstützen.“

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