Maßstäbe verrutscht

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Zum Artikel „Problematischer Cannabis-Konsum hat zugenommen“ vom 25. April:

In dem fünfspaltigen Artikel mit der fetten Überschrift „Problematischer Cannabis-Konsum hat zugenommen“ geht es eigentlich um den Suchtbericht der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Gut drei Viertel des Artikels beschäftigt sich mit Cannabis-Konsum und seinen Folgen, ergänzt durch das Bild eines Joints. Ein Viertel des Artikels behandelt Tabak- und Alkohol-Konsum. Das suggeriert, dass Cannabis das Hauptproblem beim Konsum von Suchtmitteln sei. Tatsächlich ist aber der Tabak- und Alkohol-Konsum und dessen Missbrauch ein viel größeres Problem und verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten.

Dass in Deutschland Menschen über 15 Jahre mit durchschnittlich zehn Litern Reinalkohol zwei Liter mehr konsumieren, als der Durchschnitt der Menschen der OECD-Länder ist die eigentlich besorgniserregende Erkenntnis und hätte in die Hauptüberschrift gehört. Alkoholkonsum wird bei uns noch immer als völlig normal betrachtet und Wein wird als Lifestyle Produkt beworben. In derselben Ausgabe des „MM“, in dem der oben genannte Artikel abgedruckt war, lag ein „Themen-Special“ Heft bei, zu Weingütern und Weinstuben in der Metropolregion. Dort sah man schöne Bilder von fröhlich feiernden Menschen und tollen Etablissements. Unter anderem wurde eine App beworben, für alles rund um Weinfeste in der Pfalz. Ein Hinweis auf die gesundheitlichen Folgen von Alkoholkonsum fand ich allerdings nicht.

Ein Weingut wirbt damit, dass im Hof ausreichend Pkw Stellplätze vorhanden sind. Man darf sicher davon ausgehen, dass alle Fahrer die dort hinkommen abstinent sind und nur die Mitfahrer dem Wein zusprechen. Ich bin gespannt, ob ich demnächst ein Themen-Spezial zu Cannabis-Clubs in meiner Zeitung finden werde. Irgendwie scheinen mir die Maßstäbe verrutscht zu sein.

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Rainer Ringelstein
Ort
Mannheim
Datum

Info: Originalartikel unter https://t1p.de/84nrv