Zum Artikel „Streit über Schularten“ vom 24. September:
Im „Rest“ der Republik hat sich seither wenig verändert: Vier Jahre Grundschule, dann die Selektion mit Hilfe der sogenannten Grundschulempfehlung und die Aufteilung der Kinder in drei verschiedene Schubladen. So machen es die Deutschen, weil sich das gut „bewährt“ hat, sagen sie. Was sie nicht sagen, ist, für wen sich das bewährt hat. Wer profitiert von diesem System der Selektion und Trennung nach Klasse vier?
Ich habe gute Freunde, meist Akademiker, Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer (einer sagte mir sogar unverblümt, er sei dezidiert für Selektion!) und auch einige Geschäftsleute, die mir gegenüber fast unisono erklären, sie lehnten solche integrierten Systeme wie die Gesamt- und Gemeinschaftsschule ab. Sie wollten nicht, dass ihre Kinder zusammen mit den „Schmuddelkindern“ in einer Schule, wo möglich noch in einer Klasse oder gar Schulbank sitzen. Sie behaupten (übrigens genau wie die Eltern weißer Kinder in den USA während der Zeiten der Segregation in den 50er Jahren), dass ihre Kinder nicht mehr genug lernten, weil die schwarzen – pardon – schwachen Kinder ihre eigenen Kinder vom Lernen abhalten würden. (Siehe Hamburg: Schulstreik 2010, „Wir wollen lernen!“).
Das ist aber genau der springende Punkt, weil die Gesamt- und Gemeinschaftsschulen versuchen, eben diesen gesellschaftlichen Knoten zu durchschlagen. Sie sagen: Nur eine Schule für alle Kinder ist eine demokratische Schule ohne Rassismus und Diskriminierung. Der Kampf, der da tobt, ist also kein Streit über „die Leistung“ der Gemeinschaftsschule („Komplettversagen“), sondern ein gut verhüllter Klassenkampf! Wer schon neunjährige Kinder in der Schule selektiert, in drei verschiedene Schubladen steckt, um sie so auf das Leben in der (Klassen-) Gesellschaft „vorzubereiten,“ der sollte nicht ständig über den Verlust des Zusammenhaltes in unserer Gesellschaft klagen. Der beginnt nämlich schon in der vierten Klasse!