Mainfranken-Theater

Wenn Träume keine Fantasie bleiben

Operette „Märchen im Grand Hôtel“ von Paul Abraham begeisterte

Von 
Felix Röttger
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Trügerisch ist die Hoffnung auf den Wert einer vermeintlich kostbaren Perlenkette: Bis Anfang März 2025 ist in der Blauen Halle mit Paul Abrahams Operette „Märchen im Grand Hôtel“ ein außergewöhnlicher Operetten-Abend zu erleben. © Nik Schölzel

Gerne setzen neuerdings deutschsprachige Bühnen die Operetten des ungarisch-jüdischen Komponisten Paul Abraham auf den Spielplan. Kein Zufall, denn die von den Nationalsozialisten verpönten Werke wie „Ball im Savoy“ und „Die Blume von Hawaii“ sind Anfang der 1930er Jahre große Publikumserfolge, verschwinden dann aber für Jahrzehnte von der Bildfläche.

Einst verpönte Werke sind wieder angesagt

Wie beim Lehár Festival in Bad Ischl ist derzeit die Jazz-Operette „Märchen im Grand Hôtel“ besonders angesagt, weil nach der Rekonstruktion der Partitur die jazzige und energiegeladene Musik mit einer Mischung von Tanz, Gesang und ansprechenden Dialogen auch den Nerv unserer Zeit trifft. Dazu wesentlich beigetragen hat Regisseur Barrie Kosky seit 2010 mit seinen Inszenierungen an der Komischen Oper Berlin.

Jetzt erfreut das Mainfranken Theater Würzburg in der Blauen Halle mit einer geschickten Verknüpfung der 1934 uraufgeführten Revue „Märchen im Grand Hôtel“ mit einer Dialogfassung von Regisseur Tristan Braun. Seine Inszenierung mit einem Vor- und Nachspiel erinnert an das Schicksal vieler Künstler, die aus Deutschland nach 1933 vertrieben werden und in Frankreich auch über Marseille auswandern; unter anderem mit einer Radioansprache von Thomas Mann, der aus Kalifornien über die BBC deutschen Hörern mit Anti-Kriegsreden ins Gewissen redet.

Die Nationalsozialisten verbieten Werke des jüdischen Komponisten

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Der von Franz Lehár als „Kronprinz der Operette“ gelobte Abraham muss zur Uraufführung des „Märchen im Grand Hôtel“ mit den Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda 1934 nach Wien ausweichen: Der Komponist dirigiert dort selbst und wird mit über 60 nachfolgenden Aufführungen begeistert gefeiert.

Dank üppig sprudelnder Einnahmen hat er in Berlin auf großem Fuß gelebt. Der Rausch des Erfolgs währt nur kurz. Während Abraham und Grünwald über Paris und weitere Länder in die Vereinigten Staaten flüchten und dort vergeblich versuchen, an die Vorkriegserfolge anzuknüpfen, bleibt Fritz Löhner-Beda in Österreich und bezahlt dies nach dem „Anschluss“ mit dem Leben. 1942 stirbt der promovierte Jurist im KZ Auschwitz.

Im Mittelpunkt der Operettenhandlung steht die selbstbewusste Marylou, die ihrem Vater, dem Filmproduzenten Sam Makintosh, Chef der vor der Pleite stehenden Universal Star Picture Ltd., eine Idee zur Rettung der Produktionsfirma in Hollywood vorschlägt. Sie liest in der Zeitung von der verarmten spanischen Infantin Isabella, die mit ihrer Entourage nach dem Sturz der Monarchie an der Côte d’Azur im mondänen Grand Hôtel in Cannes lebt. Retten könnte sie eine Perlenkette, die sich später als Fälschung herausstellt.

Mit von der Partie ist Isabellas Verlobter Prinz Andreas Stephan und Gräfin Pepita Inez de Ramirez. Marylou darf nach Cannes fliegen, um die im Exil lebende Adelige als Star für ihren Film zu gewinnen. Nur so kann sie die ihrem Vater vorschwebende arrangierte Ehe mit dem reichen Tommy Davies abwenden.

Eine Fusion mit dessen erfolgreichem Hollywood-Unternehmen würde Makintosh vor dem Ruin bewahren. Im mondänen Hotel bringt der rettungslos in Isabella verliebte Hotelkellner Albert mit einigen Fauxpas Hoteldirektor Matard zur Verzweiflung.

Nach einigen Umwegen und Intrigen finden Albert und Marylou mithilfe der Zofe Mabel Zugang zur Infantin, die mit ihrem Hofstaat tatsächlich Marylou nach Hollywood folgt. Nur Albert ist verschwunden. Kommt es noch im Leben und im Film zum Happy End, auf das Sam Makintosh eisern beharrt?

Aufführung besticht auch durch zeitgemäße Kostüme

Die Aufführung besticht nicht nur durch zeitgemäße Kostüme von Heike Seidler und ein sehr variables, von Inge Jooß stimmig ins Licht gesetztes Bühnenbild von Valentin Mattka, sondern überzeugt auch mit einer präzisen Abstimmung zwischen Orchester, Gesangssolisten, Gesangsquartett, Chor und Tanzcompagnie. Das Philharmonische Orchester mit Dirigent Gábor Hontvári zieht alle Register und wird verdientermaßen bejubelt. Es sind diese Synergieeffekte, die für ein fesselndes Gesamterlebnis sorgen.

Da reiht sich nahtlos sogar der Regisseur Tristan Braun als Prinz Andreas Stefan ein, der für den wegen einer Fußverletzung kurzfristig verhinderten Mathew Habib auf der Bühne einspringt und bei einer Tanzparodie als gelehriger Schüler seiner Verlobten Isabella für Schmunzeln sorgt. Die Gesangsstimme leiht ihm aus dem Graben Florian Wugk mit einem geschmeidigen Tenor, der kürzlich schon bei dieser Operette im Gesangsquartett bei der Deutschen Oper am Rhein zu hören war.

Julian Habermann bringt als Albert und künftiger Hotelerbe die richtige Prise eines bis über die Ohren verliebten Zimmerkellners ohne jegliches Serviertalent auf die Bühne. Sein geheimnisvoller Vater ist Präsident Chamoix, der ein Herz für die politisch Verfolgten hat, die im Hotel Zuflucht suchen. Barbara Schöller beweist in dieser Hosenrolle ihr vielseitiges Können. Katrin Merkl bringt als selbstbewusste Filmregisseurin ihre vielfältige Erfahrungen als Musical-Darstellerin mit Verve ein.

Vero Miller macht als Infantin Isabella die Wandlung von Standesdünkel und Illusionen geprägten Adeligen zu einer sympathischen Verliebten nachvollziehbar.

Daniel Fiolkas Stimme und seine Bühnenpräsenz als Filmproduzent Makintosh sind viel zu kurz zu genießen.

Paul Henrik Schulte verkörpert einen formidablen Hoteldirektor Matard. Das Gesangsquartett mit Veronica Brandhofer, Sangmog Lee, Paul Henrik Schulte und Taiyu Uchiyama beweist gutes Timing bei effektvollen Auftritten und erinnert an den Gesangsstil der Comedian Harmonists.

Politische Umwälzungen werfen großen Schatten

Das große Plus dieser Würzburger Inszenierung ist das immer präsente Gefühl, dass bei aller Leichtigkeit der eingängigen, durchaus auch sentimentalen Melodien, bei den humorvoll-frechen Dialogen und der furiosen Choreografie (Mariana Souza) mit allen Tanzstilen bis zum Stepptanz die bevorstehenden gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen ihre großen Schatten werfen.

Der Tanz auf dem Vulkan ist vorbei, als die Gäste aus der Nobelherberge in Alltagskleidung mit Koffern zur Abreise in Katerstimmung das Hotelfoyer bevölkern. Mit dieser Schlusssequenz wird die Erinnerung an die verheerenden gesellschaftlichen Umwälzungen und Verbrechen vor und in den Kriegsjahren mahnend in Erinnerung gerufen. Felix Röttger

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