FN-Interview - Tony Levin über "King Crimson" und die anstehenden Konzerte in Stuttgart

"Die Belohnung erhalte ich durch die Musik"

Von 
Eva-Maria Lechner
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Tony Levin am 10. August 2013 bei einem Konzert des Würzburger Hafensommers. Der Ausnahmebassist tritt mit seiner Band King Crimson in Stuttgart auf.

© Timo Lechner

Tony Levin ist nicht nur einer der bekanntesten Bassisten weltweit, er ist auch nach wie vor einer der neugierigsten - und das mit 70 Jahren. Zusammen mit den Progressive-Rock-Urvätern "King Crimson" tritt Levin am 8. und 9. September im Beethoven-Saal der Liederhalle in Stuttgar auf. Im Interview spricht Levin über seine Projekte und seine Leidenschaft zur Musik.

Herr Levin, wenn man sich Ihre vielfältigen Aktivitäten in den vergangenen Jahrzehnten anschaut fällt auf, dass Sie zwar mit verschiedensten Musikern gespielt haben, eine lange währende Treue Sie aber mit Peter Gabriel und King Crimson verbindet. Woher kommt das?

Tony Levin: Ich bin sehr froh, mit Peter Gabriel und Robert Fripp, dem King-Crimson-Chef, so eng verbunden zu sein. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit Treue zu tun. Es ist vielmehr ein Bassistentraum, Musik zu spielen, die so anspruchsvoll und gleichzeitig zugänglich ist. Ich denke, es ist jetzt etwa 40 Jahre her, seit ich sie beide in einem Studio in Toronto traf, und ich bin nach wie vor so aufgeregt wie damals, wenn ich neue Musik von ihnen höre. Und dankbar, immer wieder daran beteiligt zu werden.

Sie sind für das Spielen sehr unterschiedlicher Stile gut bekannt. Was sind die interessantesten Aspekte für Sie, mit King Crimson zu spielen?

Levin: Es ist schwer, einen Aspekt bei King Crimson herauszupicken, eigentlich bei jeder Band. Ich kann aber sagen, dass mit King Crimson die Musik immer eine große Herausforderung für mich ist, und ich mag das. Es ist eine Band, die sich sowohl als Band und als einzelne Spieler gegenseitig anschiebt, um nicht zu spielen, was wir bisher gespielt haben, keine der Techniken zu verwenden, die bisher schon verwendet wurden, sondern zu versuchen, neue Wege zu schmieden. Ich kann nicht sagen, dass ich mit diesem Ansatz oft erfolgreich bin, aber für mich ist es großartig in einer Band zu sein, die mich auf diese Weise fordert.

Auf welche Kooperationen und Aufnahmen sind Sie noch stolz?

Levin: Ich gehe weder zurück und höre Platten, die ich gemacht habe, noch reflektiere ich viel über meine Karriere als solche. Ich denke, es ist ein großes Glück, bei so mancher Musik beteiligt gewesen zu sein. Manchmal war es für einen bekannten Künstler, manchmal für jemand völlig unbekannten. Aber die Belohnung erhalte ich durch die Musik, nicht dafür, wie gut sie aufgenommen wird vom Publikum.

Und gibt es Platten, an die man Sie besser nicht mehr erinnert?

Levin: Ich bin sicher, ich habe schon einige Bass-Parts gespielt, für die ich noch gerne eine zweite Chance gehabt hätte. Und, vor allem in den alten Tagen spielte ich Bass auf einigen Alben, die nicht sehr gut waren. Vielleicht habe ich glücklicherweise noch nicht nachgeforscht, welche das waren.

King Crimson sind bekannt dafür, regelmäßig die Besetzung zu ändern. Sie dagegen sind seit Anfang der 80er ein konstantes Mitglied. Wieso?

Levin: Ehrlicherweise muss ich sagen, ich war bei der vorübergehenden Inkarnation in den frühen 2000er-Jahren nicht dabei. Es war Trey Gunn, der die Bassisten-Rolle übernahm. Aber für mich liegt die Natur dessen, was King Crimson ausmacht, in der musikalischen Seele von Robert Fripp. Irgendwo im Inneren kann er spüren, welches Material und welche Spieler für die Richtung richtig sind. Meiner Meinung nach hat er hierfür ein sehr gutes Gespür, so muss man ihn einfach machen lassen. Und ich bin begeistert, wenn ich es bin, der die tiefen Töne spielt. Aber als Fan werde ich immer noch King Crimson genießen, wenn jemand anderes in dieser Rolle ist.

Wenn Fans, die jetzt zu den Konzerten nach Stuttgart kommen, King Crimson nur von den Alben her kennen - was erwarten sie bei einer Show der Band?

Levin: Sie können damit rechnen, eine Band zu sehen, die mit ihrer Musik sehr gewissenhaft umgeht. Dass sie lange und hart daran geübt haben, die Musik gut zu spielen. Dabei wurde nicht immer der einfachste Weg gewählt bei der Materialwahl oder der Instrumentierung. Die Band pusht sich immer wieder aufs Neue, ein musikalisches Erlebnis wie keine andere Band zu sein.

Sie werden mit drei Schlagzeugern auf die Bühne gehen. Ist das mehr eine Show-Effekt, oder ist eine echte musikalische Notwendigkeit?

Levin: Es ist eine kühne Richtung. Robert wählte sorgfältig die Trommler, die dieser Herausforderung gewachsen sind, das Rock-Drumming neu zu erfinden. Sie hämmern nicht einfach ihre Parts herunter, sondern haben eine Vielzahl von Möglichkeiten erarbeitet, sich in jedem Abschnitt jedes Stückes zu nähern. Ja, gerade die Trommler zu erleben, ist durchaus eine Show an sich, aber die Musik ist das Gebot, nicht das Spektakel, und es ist wirklich beeindruckend zu hören und zu sehen, was sie erreicht haben.

Nur wenige Musiker Ihres Alters sind nach wie vor so neugierig, neue Erfahrungen mit verschiedenen Stilen zu machen. Woher kommt Ihre Neugier ?

Levin: Wie soll ich das beantworten? Als Spieler möchte ich erweitern, was ich tun kann, oder es zumindest versuchen. Das scheint wie eine natürliche Sache für mich.

King Crimson und gerade Tony Levin stehen für den Begriff "Prog Rock". Was bedeutet Ihnen dieses Wort?

Levin: Ich mag den Begriff "progressiv". Das kürzere Prog Rock hat sich für mich ein wenig abgenutzt, weil viele Hörer dieses Begriff mit den Bands der 60er und 70er Jahre, die damals progressiv waren, assoziieren. Progressiv zu sein bedeutet für mich, weiter alte Regeln zu brechen und die Musik nach vorne zu treiben. Abgesehen davon mache ich mir ein bisschen Spaß damit. Der Titeltrack unseres nächsten Stick-Men-Albums lautet "Prog Noir".

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