Im Tauberbischofsheimer Engel-Saal - Cartoon-Ausstellung mit Werken von Michael Holtschulte unter dem Titel „Tot aber lustig“ zu sehen

Alltagssituationen mit makabren Pointen

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Michael Holtschulte stellt nicht nur seine Cartoons im Tauberbischofsheimer Engel-Saal aus, sondern begeisterte auch mit seiner Cartoon-Show. © Juchwa

„Tot aber lustig“ – der Titel der jüngsten Cartoon-Ausstellung im Engelsaal ist gewissermaßen Programm: Michael Holtschulte, der Aussteller, hat sich den Sensenmann zum hauptsächlichen (allerdings nicht einzigen) Protagonisten seiner Arbeit gewählt, die sich nach Cartoonistenart mit allen möglichen alltäglichen Lebenssituationen befassen und ihnen unerwartete, in diesem Fall eben speziell makabre Pointen abgewinnen.

Der personifizierte Tod ist dabei nach üblicher Manier mit seinen üblichen Attributen Mönchskutte, Kapuze und dem gefürchteten Handwerkszeug gezeichnet, knapp und scharf konturiert wie die anderen Figuren des Künstlers – mit einer Ausnahme: Wo sich bei Kollegen sonst der grimassierende Schädel befindet, lässt unser Cartoonist eine dunkle Leerstelle frei, ein schwarzes Loch gewissermaßen, allerdings nicht rund, sondern eher spitzbogig gotisch geformt, das seinen Bildern mit all ihren lustigen Pointen etwas verhalten Unheimliches gibt. Vielleicht kommt da manchem Betrachter die berühmte Erzählung von E.A. Poe „Die Maske des roten Todes“ in den Sinn. Es ist inzwischen das Markenzeichen Holtschultes und wohl auch einer der Gründe, aus denen der Cartoonist im Internet mittlerweile Kultstatus erreicht hat.

Gottfried Müller skizziert in seiner Einführung einige berufliche Stationen des Cartoonisten (geboren 1979 in Herne), der schon mit 15 Jahren eigene Arbeiten veröffentlichte, und nebenbei immerhin noch Zeit fand, ein Studium an der Ruhr-Universität Bochum (Sozialpsychologie, Politik- und Literaturwissenschaft) zu absolvieren. Mit 28 machte der sich als Cartoonist, Karikaturist und Illustrator selbständig und arbeitet regelmäßig für renommierte Zeitungen und Zeitschriften, unter Anderem „Stern“, „Titanic“, „Eulenspiegel“, und hat auch schon bundesweit Anerkennung in Form des „deutschen Preises für politische Karikatur“(2012) und des „deutschen Karikaturenpreises“(2014) gefunden. Seit 2015 bringt der rührige Künstler seine Einfälle dem Publikum auch in Form einer mulitmedialen Cartoon-Show näher (dazu später noch mehr).

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Von
Jörg-Peter Klotz
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In seinem Vortrag ging Gottfried Müller auch auf weitere zeichnerische Eigenarten der Cartoons ein, beispielsweise ihre Dreidimensionalität und die Funktion der farbigen Hintergrundgestaltung. Die grafisch-illustrative Qualität der Arbeiten sei außergewöhnlich, auch im Vergleich zu manchen von Holtschultes Kollegen.

Michael Holtschulte war aus Anlass der Präsentation in Persona anwesend und nutzte die Gelegenheit, am folgenden Abend in einer gut besuchen Cartoon-Show dem Publikum einen Überblick über die Bandbreite seines vielseitigen Schaffens zu verschaffen. Der Abend dauerte (mit Pause) wie sonst die Veranstaltungen im Engelsaal seine zwei Stunden und wurde dennoch nicht langweilig.

Man erfuhr so einiges über die Arbeitsweise des Künstlers und das im wörtlichen Sinn: Einen Cartoon zu entwerfen und auszuführen ist nun einmal „harte Arbeit“ (Zitat Holtschulte), die man bei dieser Gelegenheit als Zuschauer des work in progress unmittelbar nachvollziehen konnte. Holtschulte selbst saß dabei und kommentierte, erläuternd und laut seine Sprechblasentexte nachsprechend, nach Themen geordnet die Arbeiten, wobei die Figuren in Kurz-Videos auf der Leinwand animiert wurden.

Dass ein Produzent der (in diesem Fall oft makabren) Lustigkeit in seinem Leben auch mit dessen Schattenseiten vertraut ist, erfuhr man ebenfalls, als der Cartoonist sich offen über phasenweise Depression in seiner Biografie äußerte.

Ein Hindernis für seine künstlerische Produktivität waren diese dunklen Phasen jedenfalls nicht, davon zeugen die immerhin 170 Arbeiten im Engelsaal , bei denen man mal länger mal kürzer nachdenken muss, bis man die Pointe versteht. Manchmal kommen sie fast ohne Text aus, wie etwa in dem Cartoon, wo auich eine Schlange vor der Tür einer Augenarztpraxis gebildet, der erste in der Schlange ist ohne Brille, der zweite dahinter trägt eine Brille, der dritte wieder ohne usw.

Auf der Tür steht: „Praxis heute geschlossen.“

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