Nur eine knappe Stunde dauert die Zugfahrt von Helsinki nach Lahti. Die moderne Stadt hat sich in den letzten Jahrzehnten als nachhaltige Ökostadt neu erfunden und ist der ideale Ausgangsort für Touren auf und entlang der finnischen Seen. Historische Dampfschiffe dümpeln im alten Hafen vor der Sibelius-Halle, in der sich vor 15 Jahren die EU-Regierungschefs mit Putin getroffen haben. Weniger um dem berühmtesten Komponisten Finnlands in der originellen hölzernen Konzert- und Kongresshalle zu huldigen als vielmehr der Sicherheit wegen. Das Hafengebiet um den alten Bahnhof, in dem sich jetzt eine Bäckerei mit angeschlossenem Café befindet, ist leicht abzuriegeln.
Auf der stillgelegten ehemaligen Bahntrasse führt ein beliebter Wanderweg an der nordwestlichen Seite des Vesijärvi-Sees durch die stillen Wälder, in denen sich die exklusiven Häuser einkommensstarker Finnen verstecken. Es nieselt. Wie so oft in Finnland, dem nach dem World Happyness Index glücklichsten Land der Erde. „Was macht die Finnen so glücklich?“, wird die junge Begleiterin Anu Huusko von Visit Lahti auf dem Rückweg gefragt. Am Wetter kann es nicht liegen. Freiheit und überall Natur“, lautet ihre spontane Antwort.
Lahti
Anreise Via Frankfurt mit Lufthansa nach Helsinki, www.lufthansa.com. Lahti ist von Helsinki aus sowohl vom Hauptbahnhof als auch vom Flughafen mit der stündlich verkehrenden Regionalbahn der Linie Z innerhalb einer Stunde gut erreichbar. www.vr.fi/en.
Unterkunft Solo Sokos Lahden Seurahuone: im Zentrum, stylish, modern, Doppelzimmer ab 160 Euro, www.sokoshotels.fi. Mukkulan Kartano: ruhig, direkt am See, DZ ab 150 Euro, www.mukkulankartano.fi Ilola Inn: wunderschön am See gelegenes Boutiquehotel, eine Stunde von Lahti entfernt, DZ ab 210 Euro, https://Ilolainn.fi
Essen und Trinken Bistro Kokka: tolle Location am Hafen von Lahti mit Blick über den See, https://bistrokokka.fi
Allgemeine Informationen https://visitlahti.fi RMO
Lahti verdankt seine Existenz dem Wasser und dem Holz. Mit dem ersten finnischen Dampfsägewerk (zuvor gab es nur an den wenigen finnischen Flüssen Sägewerke) und der Eröffnung der Eisenbahnlinie von Helsinki nach Sankt Petersburg 1870 begann der industrielle Aufstieg Lahtis. Das bis dahin als kleines Dorf im riesigen russischen Zarenreich vor sich hin dämmernde und im Winter wegen des zugefrorenen Vesijärvi-Sees ganz von Gott und der Welt verlassene Lahti bekam vom Zaren erst das Markt-, dann das Stadtrecht verliehen.
Noch immer ist an vielen Orten Finnlands, insbesondere in Helsinki, das architektonische Erbe Russlands sichtbar. Doch das Verhältnis zwischen den beiden ungleichen Nachbarn bleibt bis heute kompliziert. Gerade einmal ein Jahrhundert währt die Freiheit der Finnen, die sich die Wirren der Oktoberrevolution 1917 für ihre Unabhängigkeit zunutze machten. „Die alten Leute mögen die Russen nicht, aber ihr Geld“, bringt es Anu Huusko auf den Punkt. „Die grenznahen Orte bedauern den Ukraine-Krieg auch wegen des Fernbleibens der kaufkräftigen Sankt Petersburger Oberschicht.“
Bis in die 70er Jahre wurden alle privaten und industriellen Abwässer ungeklärt in den nur 40 Meter tiefen Riesensee gekippt, bis er ökologisch tot war. Lahti mutierte zu einer der schmutzigsten Städte Europas. Doch dann begann das Umdenken. Lahti nutzte seine Chance für einen radikalen ökologischen Neuanfang, steckte seit den 90er Jahren viel Energie, Fantasie und Geld in die nachhaltige Entwicklung der Stadt, beginnend mit der Renaturierung des Sees.
Unter dem Label „Green Lahti“ wurde ein Masterplan ins Leben gerufen, der sich durch eine starke Bürgerbeteiligung auszeichnet. Internationale Beachtung hat das Pilotprojekt „CitiCap“ gefunden. „Über ein individuelles Emissionsbudget wird ökologisches Verhalten, wie zum Beispiel mit dem Rad statt mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, auf einer App erfasst und in Form von virtuellen Euros belohnt, die für Preisnachlässe im Kino, Theater oder im öffentlichen Nahverkehr verwendet werden können“, erklärt Anu Huusko das Konzept. „Die Renaturierung des Sees ist mittlerweile abgeschlossen. Er besitzt jetzt Trinkwasserqualität“, berichtet sie stolz.
Oberhalb des Hafens befindet sich ein weiteres ökologisches Vorzeigeobjekt. In dem hocheffizienten Müllheizkraftwerk werden alle nicht recycelbaren Abfälle in Wärme verwandelt. So konnte das umweltschädliche Kohlekraftwerk schon vor Jahren stillgelegt werden. Finnland möchte bis 2035 klimaneutral sein. Anu Huusko ist sich sicher, dass Lahti das ehrgeizige Ziel bereits zehn Jahre früher erreichen wird. „Allerdings gibt es auch Widerstand“, verschweigt sie nicht, „manchen Finnen gehen die vielen Umweltschutzaktivitäten zu weit.“
Obwohl zwei Drittel der Einwohner die städtische Umweltpolitik unterstützen, zu der beispielsweise auch stark erhöhte Parkgebühren gehören, konnten die rechtsextremen „Wahren Finnen“ ihren Stimmenanteil bei der Kommunalwahl verdoppeln. Aber was wäre die Alternative? „Es gibt keine“, gibt sich die Reisebegleiterin selbst die Antwort.
So sieht es auch die EU. Sie hat die bisher gemachten Schritte der 120 000-Einwohner-Stadt gewürdigt und Lahti zu Europeans Green Capital gekürt.
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