Der Dalai Lama schien über die roten Wege am Fuß des Uluru zu tänzeln. „Er wollte nicht auf Ameisen treten“, erklärt Sammy Wilson, Wächter des Bergs und Mitglied der Älteren der Anangu, der das geistliche Oberhaupt der Tibeter umherführte. Das gefiel Wilson, zeugte es doch von mehr Respekt als der Habitus anderer Besucher. „Jeder ist willkommen, den Berg zu besuchen und über ihn und unsere Kultur zu lernen“, sagt Wilson am Wasserloch Kapi Mutitjulu, in der Überlieferung der Anangu Heimat der Wasserschlange Wanampi. Dahinter erheben sich die roten Wände des Inselbergs. Wilson empfiehlt, sich mit wachem Geist umzuschauen, und zeigt die Spuren, die die Aktivitäten der Ahnenwesen während der Schöpfungszeit am Heiligen Berg hinterlassen haben.
Prinz Charles und Prinzessin Diana stiegen 1983 auf den Uluru, Sohn William und seine Frau Kate 2014 nicht mehr – ein Aufstieg hätte den Eindruck brachialer kultureller Aneignung erweckt. Unerwünscht waren die Bergbesteigungen von den Anangu immer. Seit 2019 ist damit Schluss. Besucher können am Fuß des Bergs wandern oder in Heißluftballons über den Nationalpark schweben, den die Unesco zum Welterbe zählt. Der Anblick des Uluru beschleunigt den Herzschlag auch ohne Aufstieg.
Grandiose Natur und indigene Kultur machen das Northern Territory eindrucksvoll. Im Canyon Standley Chasm wandert das Licht der Morgensonne langsam die Wände der 80 Meter tiefen Schlucht hinab. Guide David McCormack vom Stamm der Arrernte macht auf dem Weg durch den Canyon auf Roten Eukalyptus und Busch-Banane aufmerksam und zeigt, was sich an Essbarem in der dank eines unterirdischen Wasserlaufs üppigen Natur verbirgt.
Zu den „Bush Tucker“ genannten Snacks gehören weiße Raupen, die sich aus Akazienwurzeln klopfen lassen – Witchetty Grubs, Larven des Holzbohrers. Nach einem Kilometer verjüngt sich die Schlucht über einer Wasserstelle zum Durchgang. Alles im Roten Zentrum erzählt Geschichten, von den Songlines der Aborigines bis hin zu den Namen, die von der Macht derer künden, die sie vergeben.
Der westlich von Alice Springs gelegene Canyon wurde nach Ida Standley benannt. 1914 verließ sie mit Mitte vierzig ihre Heimatstadt Adelaide und wurde die erste Lehrerin in Alice Springs. Sie erwarb hohes Ansehen, auch wenn sie indigenen Schülern englische Namen gab, weil sie sich ihre richtigen Namen nicht merken konnte. Heute ist die Schlucht auch unter dem traditionellen Namen Angkerle Atwatye (Wasserspalte) bekannt. Der Inselberg trägt seit 2002 den Doppelnamen Uluru/Ayers Rock.
Im Tourismus wird stets betont, dass das Land den Ureinwohnern „immer gehört hat und immer gehören wird“. Zwar ist Rassismus kein historisches Phänomen, doch die Dinge sind in Bewegung. Der 2022 gewählte Premier Anthony Albanese hat Indigenen ein Mitspracherecht im Parlament zugesichert. Da sie über Jahrtausende das Land bewohnten, das die Zuwanderer in gut 200 Jahren ökologisch fast zugrunde richteten, könnte ihre Perspektive der Debatte um den Klimaschutz neue Impulse geben.
Die „Angkerle Aboriginal Corporation“ ist das älteste touristische Unternehmen in Australien, das im Besitz von Indigenen ist. Hier gibt McCormacks Tante Colleen einen Überblick über die Lebensweise der Arrernte. „Als ich jung war, wurde uns unsere Sprache weggenommen“, sagt sie Heute werde diese Sprache, eine von 250 indigenen Australiens, in der Schule gelehrt. Doch die Arrernte verlören viele junge Leute durch Alkohol, Drogen und Suizid. Die Namen ihrer Verstorbenen nennen Aborigines oft lange nicht, um deren Ruhe nicht zu stören. Vielleicht liegt es an der mangelnden Diskretion der Weißen, dass im 300 Kilometer südwestlich gelegenen Kings Canyon im Watarrka-Nationalpark mancher Geist länger verweilt. Das behauptet zumindest Wanderführerin Sage. „Hier spukt es“, sagt sie und wendet sich den rund 500 roten Felsstufen zu, die aufs 100 Meter hohe Felsplateau führen. Ist der „Heartbreak Hill“ erklommen, bietet sich ein weiter Blick über die Schlucht: rote Felsen, das Grün von über 600 Pflanzenarten und kein Geist! Ein Weg führt am Rand des Canyons entlang, doch im Sommer wird er morgens gesperrt, damit Wanderer nicht in die potenziell tödliche Mittagshitze geraten.
Da ist es wesentlich kreislaufschonender, unter den Sonnensegeln des indigenen Unternehmens Karrke Platz zu nehmen, wo die Geschwister Natasha und Peter zeigen, wie ihre Vorfahren Farben für Initiationsriten herstellten. Jüngere Riten lassen sich am Rand des Kings Canyon beobachten, wenn der Sonnenuntergang die George Gill Range grandios rot färbt, Bierdosen zischen und ein Sänger mit Gitarre Hits der 1970er Jahre intoniert. Pro Lied schlucke er zwei Fliegen, sagt er lakonisch. „So ist das eben im Outback.“
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