Nur die Ruhe bewahren

Dieser Satz begleitet die Reisenden auf einer Hausboot-Tour an der Grenze Nordbrandenburgs entlang. Auf der Fahrt lernt man viele Seen kennen, einer schöner als der andere.

Von 
Anja Reinbothe-Occhipinti
Lesedauer: 
Ferien auf dem Hausboot kann man sehr gut im Nordosten Deutschlands machen. © imago/imagebroker

Der Tag auf dem Boot ist noch jung. Am Ellbogensee in Mecklenburg-Vorpommern, hart an der Grenze zu Brandenburg, herrscht am frühen Morgen ein friedliches Idyll.

Am Bug schwimmt eine Entenfamilie vorbei, dahinter gleitet ein SUP-Fahrer. Ein erster Tag auf dem Wasser liegt hinter der vierköpfigen Besatzung. Ohne große Vorkenntnisse haben zwei große und zwei kleine Kapitäne in Fürstenberg (Havel), der neuen Station der Charterfirma Le Boat rund eine Autostunde von Berlin entfernt, abgelegt. Boote mit bis zu 15 PS können Erwachsene führerscheinfrei fahren. Dennoch lohnt es, ein paar Verkehrsregeln zu kennen. Insbesondere wenn die Mannschaft ein Schlachtschiff wie dieses steuert.

In der Marina am Röblinsee wurde die Lady, wie die „Magnifique“ von der Besatzung getauft wurde, übernommen: 14,50 Meter lang, 4,10 Meter breit. „2,40 Meter liegt sie über dem Wasser“, erklärt der Techniker bei der Einweisung. Alles ziemlich groß mit den vier Schlafkojen und drei Toiletten für eine einzelne Familie. Aber in diesen Zeiten ist jeder froh, überhaupt ein Hausboot zu ergattern.

Urlaub am und auf dem Wasser liegt im Trend, und das Grenzgebiet zwischen Mecklenburg und Brandenburg ist ein Hotspot dafür mit seinen zig Wasserstraßen und 1000 Seen. Die Havel verbindet viele davon und fließt auch durch Fürstenberg, dem Tor zur Mecklenburgischen Seenplatte.

Dort ist die imposante Lady gestern vom Röblinsee zur Steinhavel geglitten. Stolz sind die kleinen Kapitäne oben an der Reling gestanden und haben Ausschau gehalten nach der Betonnung. Links von der grünen Tonne sollte das Boot fahren, egal wie schmal die Fahrrinne zum Schilf erschien, hatte der Le-Boat-Techniker eingetrichtert: „Sonst setzt ihr auf. Der Röblinsee ist ein flaches Gewässer.“ Mehr von solchen Hinweisen und eine längere praktische Einweisung wären schön gewesen.

Die erste Schleuse ist in Sicht und das Herz schlägt schneller. Zum Glück sind Bootsfahrer unglaublich sozial und helfende Hände sind sogleich zur Stelle, um zugeworfene Seile an den Dalben am Ufer festzumachen. Rund zehn Boote stehen an. Immer wenn drei im Schleusenbecken verschwinden (für mehr ist kein Platz), heißt es: Motor an, Leinen los, vorrücken, wieder Lassos werfen und festmachen.

Nach eineinhalb Stunden hat die Crew den Dreh raus und die Schleuse passiert. Zusammen mit einer Schulklasse, die, auf zig Kanus verteilt, unterwegs zu einem nahen Campingplatz ist. Das eigene Ziel, Rheinsberg in Ostprignitz-Ruppin mit seinem friderizianischen Rokoko-Schloss, wo König Friedrich II. einst wohnte, ist noch in weiterer Entfernung.

Schloss hin oder her. Im Moment fasziniert die stechend grüne Farbe des Havelwassers viel mehr. Enten schnattern an Steuerbord. Ein grau-weißer Reiher landet im üppigen Ufergrün. Boot und Seele lassen sich treiben. Selbst als es anfängt zu nieseln. In Regenjacken gepackt, bleibt die Crew weiter an Deck. Hier hat man einfach den besseren Überblick als vom Fahrerstand in der Kabine.

Wassergrundstücke und der Biwakplatz Steinförde ziehen vorbei, bis sich die Havel zum Menowsee öffnet in Form eines Ypsilon. Wo geht es raus? Ein Blick auf die Karte und geradeaus helfen: Ah, immer dem Schild mit dem weißen Viereck folgen, das auf einer Spitze tanzt. Der Ziernsee naht, dann der Ellbogensee. Es wird Abend, und die Steganlage von Lutz Naumann lockt hier für die Nacht. Ankern ist zu unsicher. Immerhin gibt es an der „Manifique“ keinen Tiefenmesser und geübt hat es auch keiner, genauso wenig wie Einparken.

Doch mithilfe des Bugstrahlruders manövriert der erste Kapitän die Lady an den Steg, trotzt Strömung und Bootsverkehr. Andrea Naumann berechnet die Liegegebühren: „Zwei Euro sind es pro Bootsmeter und zwei Euro pro Person sowie drei Euro für Strom.“ Mit Blick aufs Wasser und Ferienpark-Bungalows kochen Spaghetti und Tomatensoße in XXL-Töpfen auf den kleinen Platten, während der Nachwuchs draußen planscht. Beim Verdauungsspaziergang an Land später schwärmt der Mann an der Seite: „Wie Urwald sieht es am Ufer oft aus.“

Ja, Natur und Ruhe überwältigen nun auch an diesem Morgen. Gegen 9 Uhr wird bei Naumanns wieder abgelegt und die Schleuse in Strasen, einem Ortsteil von Wesenberg im Süden der Seenplatte, angesteuert. Hochbetrieb. Da bleibt genug Zeit, um an Land zu springen und bei Forellenzüchter Kruse frische Fischbrötchen zu erstehen.

Nach zwei Stunden gleitet die Lady in den Großen Pälitzsee hinein. Ist das schön! So wie jeder andere See es aber auch schon war. Und diese Ruhe. Spätestens jetzt ist klar: Es geht beim Bootfahren nicht um große Ziele, sondern darum, sich treiben zu lassen. Daher fällt die Entscheidung nun gegen Rheinsberg und fürs Entspannen. Schließlich muss die gleiche Tour auch wieder nach Fürstenberg (Havel) zurückgelegt werden.

Im gemächlichen Tempo schaukelt das Hausboot vorbei an einem Bootskonsum mitten auf dem Wasser. Ein Anruf im nahen Landhafen „Boot und Mehr“ und der Liegeplatz für die Nacht in Kleinzerlang, einem Ortsteil von Rheinsberg, wird klargemacht. Das Herz klopft erneut beim Anlegen. „Nur die Ruhe bewahren“, besänftigt Hafenmeister Andreas und übernimmt netterweise das Einparken zur Erleichterung des Kapitäns. Fürs nächste Mal empfiehlt der Wassersportprofi ein kleineres Boot: „Für eure Mannschaft ist eines mit zehn Metern ideal.“ Das „Boot und Mehr“ sei ein ehemaliger Ruderverein, erzählt der gebürtige Dortmunder weiter, und nun ein entspannter Landhafen mit Gasthaus und Außenterrasse gegenüber von Badestelle und Gemeindeanleger.

Die Kinder funktionieren das Boot zum Sprungturm um und planschen in sicherem Abstand zum Wasserverkehr. Ihr Glück gipfelt in einer leckeren Pizza danach. Bei einem Landgang durch den Erholungsort vertritt sich die Frau des Bootes die Füße. Die Dorfstraße mit Dorfkirche, Gaststätten, pittoresken Häuschen und Kunst in den Gärten führt direkt zur Automatik-Schleuse Wolfsbruch. Das Geschehen dort lässt sich von der Brücke aus gut beobachten. Von hier aus bis Fürstenberg zurück sollen es vier Stunden reine Fahrzeit sein. Aber wer tuckert schon schnurstracks durch? Beim Bootsurlaub ist es wichtiger, unterwegs zu sein und loszulassen: die Leinen, den Alltag.

Brandenburg

Anreise

Mit dem Zug nach Berlin, dort mit RE 5 nach Fürstenberg (Havel), www.bahn.de.

Hausboot

Boot & Mehr hat rund 20 Liegeplätze und ein angeschlossenes Gasthaus. Geöffnet von Ostern bis Oktober. Liegekosten für ein 14-Meter-Boot: 30 Euro pro Nacht für 4 Personen inklusive Strom und Duschen,https://bootundmehramkleinenpaelitzsee.eatbu.com/?lang=de

Verleihkosten Hausboot bei Le Boat an verschiedenen Zielen: Modell „Caprice“ mit 2 Kabinen kostet für 1 Woche ab Fürstenberg (Brandenburg) oder Marina Wolfsbruch (MV) ab 1445 Euro. Mit der„Corvette A“ mit 2 Kabinen kann es eine Woche lang ab 2119 Euro (mit Frühbucherrabatt ab 1689 Euro) durchs Elsass gehen. Für das Modell „Continentale“ mit 3 Kabinen zahlen Urlauber für 1 Woche auf dem Canal du Midi ab 3099 Euro (im Juni, mit Frühbucherrabatt ab 2629 Euro). Dazu kommen jeweils für die Endreinigung 120 Euro, Haftungsausschluss/Versicherung rund 238 Euro und rund 250 Euro Betriebskosten. Infos und Buchung unter www.leboat.de.

Weitere Bootscharter in Brandenburg: Jachtcharter Schroeder, Charterbasis ist in Röbel an der Müritz. Infos und Buchung unter www.yachtcharter-schroeder.de. Jachtcharter Heinzig, Basen sind in Fürstenberg in Brandenburg, Töplitz (Werder), www.heinzig.de.

Tipp: Für eine Nacht in einer geschützten Bucht ankern. Mehr Naturerfahrung geht nicht. Aber Achtung: Vorher unbedingt von der Charterfirma das Ankern zeigen lassen und üben. Vor allem über den Tiefgang des eigenen Bootes informieren und die Wassertiefe an der Stelle.

Allgemeine Informationen

www.reiseland-brandenburg.de

ARE

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen