Echt – das soll jetzt reichen? Ungläubig schaut die junge Japanerin an ihren Beinen herunter: Um ihre Füße schmiegen sich vier Paar Wollsocken. Und damit geht es zu einer Winterwanderung in die Weite Nordlapplands. Ohne Schuhe!
Wollsocken-Wanderung in Finnland: Die Füße bleiben warm
Kein Scherz: Die Finnen nehmen ihr Wollsockenlaufen im Schnee sehr ernst. Meisterschaften werden in den Strümpfen ausgetragen, Mütter und Omis wetteifern, wer die wärmsten Exemplare strickt. „Natürlich gibt es die überall in Finnland“ sagt Ossi Blomqvist, der eine große Auswahl an Wollsocken zum Treffen ins Aurora Village nahe Ivalo bringt. „Aber eigentlich machen die wollenen Wettbewerbe nur in Nordlappland Sinn“, sagt der Mann mit der Mütze aus Rentierfell auf dem Kopf.
Immerhin liegt hier oft schon Ende September Schnee und der schmilzt auch nicht vor Mai. Garantiertes Weiß über Monate. „Manchmal geht es auch schon Ende August los und damit der Wintertourismus“, sagt der 28-Jährige. Da kann man schon mal auf solch abwegige Gedanken kommen, statt in hochgerüsteten Hightech-Schneeschuhen in Wollsocken loszustiefeln. „Du wirst es nicht glauben“, erklärt Ossi der Japanerin, „aber deine Füße werden weder nass noch kalt.“
Und ja: Nass und kalt sind die Füße wirklich nicht nach der Wanderung über den zugefrorenen Posovuopaja-See, quer durch den Wald über Stock und Stein, die flauschiger Schnee bedeckt – dafür müde. „Das Wollsockenwandern ist wie eine Massage für den ganzen Körper. Alle Reflexzonen werden angesprochen“, erklärt der Finne.
Nordlichter und Aktivitäten machen den Zauber Lapplands aus
Jede Menge Schnee für lange Zeit, eine arktische, weite Landschaft, das Ganze gesprenkelt mit zugefrorenen Seen und Flüssen, die als gleißend weiße, baumlose Inseln auf der Bildfläche erscheinen, dazu verrückte Aktivitäten wie die Wollsockenwanderung, Fatbiken im Schneekanal, Eisbaden im frostigen Wasser oder Cruisen mit dem E-Snowscooter - einer Art E-Scooter auf einer Kufe. Das Ganze gekrönt von einem Himmelsspektakel, das man Nordlicht nennt – das ist der Cocktail, aus dem Lapplands Zauber im Norden Finnlands gemixt ist.
Finnland
- Anreise: Flug z. B. von Frankfurt/Main mit einem Direktflug nach Ivalo, www.lufthansa.com. Vom kleinen Flughafen wird man von den Ferienresorts abgeholt.
- Unterkunft: Norlight Cottages: Modernes Ferienhaus-Resort mit Whirlpool und Sauna direkt am Rahajärvi-See. Preis pro Woche ab 1350 Euro. www.norlight.ch. Aurora Village: Kleine, komfortable Chalets mit Glasdächern zum Nordlichtschauen. DZ ab ca. 345 Euro. www.auroravillage.fi/en Star Arctic Hotel: Große, gemütliche Holzhäuser mit eigener Küche und oft mit Sauna. DZ ca. 180 Euro, www.stararctichotel.com
- Essen und Trinken: In beiden zuletzt genannten Anlagen gibt es Restaurants, die eine sehr gute, moderne Küche mit heimischen Produkten wie Fisch aus den Seen, Rentier und auch vegetarische Gerichte servieren.
- Aktivitäten: Von Eisfischen bis Wollsockenwandern: www.xwander.fi , Fatbike-Touren im tiefen Schnee: www.rolloutdoors.com
- Allgemeine Informationen: www.laplandnorth.fi BJU
Ansonsten gibt es hier nördlich des Polarkreises viel Raum für Naturliebhaber. Auch für die, die gern mal allein auf einem See sind. „Kannst du haben“, sagt Ossi, der selbst im tiefsten Winter für jedes Outdoorabenteuer der ideale Guide ist. Der Finne kann nämlich Löcher in eine 40 Zentimeter dicke Eisschicht bohren, Fische aus dem Loch ziehen, Feuer ohne Feuerzeug und Streichhölzer machen und anschließend auch noch eine Fischsuppe kochen, die es in sich hat.
Das ganze Equipment dafür – es ist nicht gerade wenig – hat er auf einen Schlitten geladen, den er nun mit einem um die Taille gebundenen Ledergurt hinter sich herzieht. Seine Stiefel sinken dabei bis zu den Knien in der Schneeschicht ein. Sie hat sich in den letzten Monaten über den Rahajärvi-See gelegt. Ein Wind, der wie Messerklingen im Gesicht schneidet, weht ihm und seiner Begleitung ins Gesicht. Er zuckt mit den Schultern. „Das ist halt so im Winter!“
Ein Feuer am Ufer eines zugefrorenen Sees
Dann zeigt er mit einer ausholenden Handbewegung über die Ebene: „Dafür hast du jetzt den See für dich alleine. Das muss allen klar sein“, sagt Ossi, der mit seinen breiten Schultern echt was hermacht, „das ist hier ein arktisches Vergnügen: Wir liegen nördlich des Polarkreises. Erst ab minus 25 Grad oder wenn der Wind zu stark wird, canceln wir den Trip. Dass jeder, der mitmachen will, nicht nur seine Wintersachen anhat, sondern auch noch einen Thermoanzug, ist doch klar – oder?!“
Später beim offenen Feuer am Ufer zählt er auf, welche Fische sich da unter dem Eis vor unserer Nase tummeln. 300 Seen gibt es allein in der Region, die Grenze zu Russland ist etwa 50 Kilometer nah; bis nach Murmansk sind es keine 300. In Finnisch-Lappland gibt es 203 000 Rentiere und 183 000 Einwohner. Bei der Größe der Region sind es gerade mal zwei Menschen pro Quadratkilometer. Jedes Jahr kommen 140 000 Besucher in das Winterwunderland, einige scheuen sogar die Anreise aus Asien nicht.
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„Es ist die Weite, die mich immer wieder beeindruckt“, sagt Anna Stoffel aus Zug. Die Schweizerin kam für ein Auslandssemester und blieb. „In der Schweiz ist so viel verbaut“, fällt ihr auf, wenn sie in ihre alte Heimat fliegt. „Hier oben ist das nicht so. Hier hast du noch Raum.“ Das Star Arctic Hotel, für das sie jetzt arbeitet, thront 270 Kilometer nördlich des Polarkreises auf dem Kaunispää-Gipfel oberhalb des Städtchens Saariselkä.
Die 57 modernen Holzhäuser, die sie hier 2017 in der reinsten Luft der Welt errichtet haben, rahmen mit ihrer meterbreiten Glasfront die weiße Weite vor der Haustür ein. Die meisten haben eine eigene Sauna, einige sogar ein Dach aus Glas. „Fürs Nordlicht-Schauen“, sagt die 30-Jährige, „die meisten Gäste kommen nämlich zum Aurora-Hunting.“ Das von Sonnenwinden ausgelöste Lichtspektakel am Nachthimmel ist in den Wintermonaten eigentlich ständig zu sehen – wenn sich nicht gerade Wolken davorschieben.
Im Hundeschlitten mit 50 Stundenkilometern unterwegs
Mit geheizten VW-Bussen und erfahrenen Nordlicht-Experten machen sich diejenigen auf die Jagd, die nicht einfach auf das grüne Leuchten überm Bett warten wollen. Dafür sind die Guides mit besonderen Apps ausgestattet. Sie weisen die Richtung zu den Himmelserscheinungen, die in einer Höhe von bis zu 800 Kilometern am Firmament entstehen.
Manchmal weckt man dabei schlafende Hunde. Die lassen dann ihr Wolfsgeheul, das einem nicht ganz geheuer vorkommt, in den sternenklaren Himmel aufsteigen. Am nächsten Morgen machen die 60 Huskys, die zum Wilderness Camp des Star Arctic Hotels gehören, einen viel harmloseren Eindruck. „Die heulen nicht, die bellen vor Vorfreude“, sagt die Hundeführerin Anusja aus Holland, die sich mit ihren 18 Tieren der bereits bestehenden Gruppe angeschlossen hat.
Eigentlich können sie es gar nicht erwarten, die schlichten Holzschlitten hinter sich herzuziehen. Jeweils fünf Hunde ziehen ein Gefährt. Und wenn man ihnen freie Hand – Pardon, freie Pfoten – ließe, würden sie fliegen, so schnell sind die Huskys unterwegs. „Die bringen es locker auf 50 Kilometer pro Stunde“, sagt Anusja. Das ist eindeutig zu schnell, wenn die Landschaft nicht einfach so an einem vorbeirauschen soll.
Vielleicht entscheidet man sich deshalb auch gleich für das traditionellere Modell: Schlitten, die von Rentieren gezogen werden. Eine Erfindung der Samen, die hier heimisch sind und ihre Bräuche und Traditionen leben. Heute sind sie Farmer; die Tiere müssen mit Hafer gefüttert werden, sonst würden sie verhungern. Einige lassen das Futter von den Hotels bezahlen. Im Gegenzug ziehen die Tiere die Touristen auf dem Schlitten eine Runde durch den Wald. Vorneweg geht Viktor in Sami-Tracht und Winterstiefeln an den Füßen. Bestimmt stecken die auch in Wollsocken.
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