Konzert

Ein magischer Abend mit Die Nerven im Mannheimer Forum

Die deutsche Indie-Hoffnung Die Nerven spielt im Mannheimer Forum ein fulminantes Konzert

Von 
Alexander Müller
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Die Nerven spielten im Mannheimer Forum ein fantastisches Konzert. © alex

Mannheim. Es ist ein seltenes Glück, live dabei zu sein, wenn eine aufstrebende Band den Punkt erreicht, an dem der große Durchbruch eigentlich zwangsläufig folgen muss. Die Nerven aus Stuttgart und Berlin gelten schon länger als eine der spannendsten deutschen Indie-Bands. Aber mit ihrer famosen selbstbetitelten neuen Platte haben Max Rieger (Gesang, Gitarre), Julian Knoth (Gesang, Bass) und Kevin Kuhn (Schlagzeug) ein kleines Meisterwerk geschaffen. Fiebriger Postpunk trifft auf Noiserock klassischer Prägung, dazu extrem gute Texte, die den Vergleich mit Genre-Vorbildern wie Blumfeld oder Tocotronic nicht scheuen müssen. Die Fachpresse schwärmt bereits vom Album des Jahres.

Diese berechtigten Vorschusslorbeeren haben sich natürlich auch bis nach Mannheim herumgesprochen, wo Die Nerven schon im Juni auf dem Maifeld Derby ein fulminantes Set hinlegten. Über 300 Zuschauer sorgen am Donnerstagabend für ein volles Forum – und sie erleben eine Band auf dem Zenit. Die ersten vier Stücke der neuen Platte gibt es in chronologischer Reihenfolge nach dem Intro mit Beethovens „Ode an die Freude“, an die sich thematisch passend das überragende „Europa“ anschließt. „Und ich dachte irgendwie, in Europa stirbt man nie“, singt Rieger. Leider stimmt das nicht mehr. Die soziale Kälte in der Republik spießt das plakative „Ich sterbe jeden Tag in Deutschland“ auf,  nach dem ebenso fantastischen „Keine Bewegung“ endet „Alles reguliert sich selbst“ in einem brachialen Noise-Ausbruch. Das Konzert ist keine 20 Minuten alt, und im Grunde sind schon alle relevanten Fragen beantwortet. Vor der Bühne brodelt es, der Sound drückt klar und ausdifferenziert in den Raum, die Band ist in Topform. Es fühlt sich an wie eine dieser magischen Live-Abende, bei denen man noch lange danach davon erzählen wird, dabei gewesen zu sein.

Und Die Nerven gelingt es, dieses außergewöhnliche Niveau über am Ende 90 intensive Minuten zu halten. Etwa im hypnotischen Rocker „Der Erde gleich“, in dem der erstklassige wie extrovertierte Schlagzeuger Kuhn viel Raum bekommt. Zwischendurch erzählt Rieger ein bisschen was über frühere Mannheim-Gastspiele der Band. Die Anfänge im kleinen O-Ton im Jungbusch, zwei Auftritte auf dem Maifeld – und ein früherer Gig im Forum, bei dem die Künstlerwohnung zur Übernachtung einige eher unerfreuliche Überraschungen bereithielt.

Bei „Der letzte Tanzende“ tanzt wirklich fast jeder im Raum, bevor das superbe „180 Grad“ in der zweiten Zugabe ein denkwürdiges Konzert beschließt. Vor dem Merchandise-Stand im Foyer bildet sich danach eine lange Schlange. Erinnerungsstücke sind gefragt - an den brillanten Auftritt einer Band auf dem Sprung.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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