Der neue Film

Bradley Cooper spielt in „Maestro“ den Dirigenten Leonard Bernstein

Bradley Cooper zeichnet in "Maestro" über vierzig Jahre das Leben des Jahrhundertkünstlers Leonard Bernstein nach und wirft gleichzeitig einen Blick auf die Beziehung zu seiner Frau Felicia, gespielt von Carey Mulligan

Von 
Gebhard Hölz
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Bradley Cooper als Leonard Bernstein in einer Szene des Films „Maestro“, der am 7. Dezember in die deutschen Kinos kommt. © Jason McDonald/Netflix/dpa

Der Streit zwischen Kinobetreibern und Streaming-Plattformen flaut allmählich ab. Dies ist nicht zuletzt den fantastischen Zahlen geschuldet, die Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“ und Ridley Scotts „Napoleon“ gerade bei ihrer Leinwandauswertung schreiben. Zu kurze Auswertungsfenster waren Hauptgrund zur Klage, um die Qualität der Werke ging und geht’s nur sekundär. Dabei wird vergessen, dass sich ohne das Geld der Internetriesen – von den mega-teuren, gerade schwächelnden Superheldenspektakeln von Marvel und Co. abgesehen – kaum mehr Großproduktionen finanzieren lassen. Selbst arrivierte Filmemacher tun sich schwer, ihre Pläne mit Hilfe traditioneller Studios umzusetzen.

Wie wichtig Amazon, MUBI, Netflix etc. in Sachen anspruchsvoller – und unterhaltsamer – Produktionen geworden sind, spiegelt sich auf den Festivals weltweit wider. Allein im Wettbewerb von Venedig 2023 fanden sich fünf Netflix-Titel. Neben Wes Andersons Kurzfilm „Ich sehe was, was du nicht siehst“, Michael Manns „Ferrari“, David Finchers „The Killer“ und Sophia Coppolas „Priscilla“ auch Bradley Coopers „Maestro“. Dessen zweite Regiearbeit nach „A Star Is Born“ (2018) kreist erneut um Musik – mit Jahrhundertkünstler Leonard Bernstein im Zentrum der Handlung. Jahrelang wurde das Projekt um den Ausnahmekönner von Steven Spielberg verfolgt, nach dem Drehbuch von Josh Singer, der ihm schon das Skript zu „Die Verlegerin“ geschrieben hatte. Als Hauptdarsteller war Cooper vorgesehen, der als Regisseur einsprang, weil Spielberg aus Termingründen letztlich passen musste.

40 Jahre eines Genies

Neben einem jungen Mann im Bett lernt man Bernstein (Cooper) im Jahr 1943 kennen. Das Telefon klingelt. Der 25-Jährige darf kurzfristig für den erkrankten Bruno Walter einspringen. Unverhofft steht er in der Carnegie Hall am Dirigentenpult vor dem New York Philharmonic Orchester. Das landesweit übertragene Konzert entpuppt sich als Riesenerfolg. Der junge Mann avanciert über Nacht zum Star. Alle Türen stehen ihm offen. Idealerweise soll er dafür seinen jüdischen Nachnamen aufgeben. Was er freilich nicht tut. Weil er prinzipiell niemanden über sich bestimmen lässt, stets seinen Weg geht, seinen Kopf durchsetzt.

Ein klassisches Biopic, das rund vierzig Jahre im Leben Bernsteins nachzeichnet. Und damit ebenfalls das seiner in Costa Rica geborenen Frau, der besonders im Fernsehen populären Aktrice Felicia Cohn Montealegre (Carey Mulligan). Hals über Kopf verliebt er sich in sie, für kurze Zeit gibt er sogar seine homosexuellen Affären auf. Die selbstbewusste Gattin wird zu seiner engsten Verbündeten, seiner Muse. Sie unterstützt ihn, wo sie kann, ermutigt ihn, folgt ihm bei seinem steilen Aufstieg. Auf der Bühne ist Bernstein tätig, beim Film, in der klassischen und der modernen Musik. Ein Kette rauchendes, egomanes Genie.

Wild und temporeich treibt Cooper die Handlung voran, konzentriert sich, teils mit kühn gestalteten Übergängen, auf zentrale Momente in Bernsteins Karriere, hat aber vor allem die Eheleute im Blick. Mit einem häufig auf Felicia gerichteten Fokus, die definitiv das Herz der Arbeit ist. Die schleichende Entfremdung der Partner – Leonard kann nicht lange von jungen Männern lassen – ist zentrales Thema. Wie Beziehungen allgemein, wenn man etwa nebenbei erfährt, dass Felicia vor ihrer Heirat jahrelang verlobt war und selbst einen Liebhaber hat.

Eher taktvoll wird in der Zeichnung der Liebesdinge vorgegangen, Blicke werden gewechselt und manchmal fast scheu Händchen gehalten. Extravaganter ist der Stil. Der grandiose Kameramann Matthew Libatique („Black Swan“) findet für jede Sequenz und jeden Zeitabschnitt die richtigen Bilder. Schwarzweiß im klassischen 4:3-Seitenverhältnis geht’s los.

Dann schleicht sich die Farbe ein und das Bildformat erweitert sich. Ein Rausch, der perfekt zur Musik passt, die konsequent als dritter Hauptdarsteller fungiert. Der Filmemacher durfte auf das gesamte Oeuvre Bernseins – dessen drei Kinder haben ihn aktiv unterstützt – zurückgreifen.

Ebenso makellos sind Ausstattung und Kostümbild, eine Klasse für sich ist der rasante Schnitt von Michelle Tesoro („Das Damengambit“), die immer wieder mit grandiosen Match Cuts, einer Technik bei der in eine Bewegung hinein geschnitten und diese in einem anderen Bildmotiv fortgesetzt wird, überrascht. Übertroffen wird all das nur vom grandiosen Auftritt Mulligans („An Education“), die jedwede Emotion perfekt zu vermitteln versteht und den durchaus glaubwürdig agierenden Cooper („Nightmare Alley“) über weite Strecken in den Schatten stellt.

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