Ein Garten voller Federvieh

Günstig, pflegeleicht und unterhaltsam: Immer mehr Familien holen sich Geflügel auf das eigene Grundstück. Ganz ohne Vorbereitung wird das Zuhause aber nicht zur Hühnerfarm.

Von 
Frederick Mersi
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Simone und Stefan Wagner füttern mit ihrer Tochter Veronika die Hühner in ihrem Garten – auch mit dem Hund und den Katzen der Familie vertragen sich die Federtiere. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wenn Simone Wagner ihren Vorgarten betritt, ist der Ansturm groß. Fünf Hühner rennen der 35-Jährigen in der Hoffnung auf Futter entgegen, Zwerghahn „Nugget“ und die drei Küken bleiben dabei lieber auf Abstand.

Seit April wird im Vorgarten der Wagners gegackert und gepickt. „Ich hatte halt Zeit während Corona“, sagt Fotografin Simone. „Ich habe mich mit dem Zustand des Gartens beschäftigt und da ist mir die Idee gekommen.“

Damit waren Simone Wagner und ihre vierköpfige Familie in Bad Grönenbach im Unterallgäu nicht allein. 61 Geflügelhalter haben sich von Januar bis Ende Juli 2020 beim dortigen Landratsamt neu angemeldet, darunter „hauptsächlich kleinere Betriebe mit bis zu 40 Tieren“, wie eine Sprecherin sagt.

„Dass Familien sich ein paar Hennen suchen, scheint normal zu werden“, sagt Simone Wagner. „Viele laufen auch absichtlich mit ihren Kindern an unserem Vorgarten vorbei, um sich das anzuschauen.“

Geflügelzüchter wie Josef Sauter freuen sich deshalb seit Monaten über eine steigende Nachfrage. „Das sind vor allem junge Familien mit Kindern“, sagt er. Seine Kunden kämen oft aus der Nähe seines schwäbischen Wohnorts Altenstadt, aber auch vom Ammersee, aus München oder in einem Fall sogar aus Köln. „Die Leute sagen, sie wären eigentlich im Sommer nach Italien gefahren, haben sich jetzt aber mit dem Geld einen Stall gekauft.“

Große Hühnerrassen beliebt

Beim Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter sieht man eine wachsende Beliebtheit bei großen Hühnerrassen sowie Groß- und Wassergeflügel wie Ente, Gans und Pute. „Das merken wir am Ringvertrieb“, sagt Präsident Christoph Günzel. Die Ringe seien wie ein Personalausweis für die Tiere. Damit lässt sich zum Beispiel nachvollziehen, von welchem Züchter ein Huhn stammt. Mehr Ringe – das bedeute, dass mehr neue Leute dazukommen und es mehr Tiere gebe, so Günzel.

Dass diese Entwicklung auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sei, glaubt Günzel zwar nicht. „Aber es kann schon sein, dass manche das als Abwechslung sehen.“ Es sei ein sinnvolles Hobby.

Rassehühner seien in der Haltung relativ genügsam. „Früh etwas Legemehl, wo alles drin ist, was ein Huhn braucht, und am späten Nachmittag eine Ration Körner – damit bleiben sie fit und gesund und da braucht man nicht viel zu tun“, sagt der Experte.

Schön sei natürlich, so Günzel, wenn die Hühner reichlich Auslauf im Grünen haben. Als Schutz vor Raubwildtieren wie Marder oder Fuchs brauchen sie außerdem einen Stall und „ordentliche Legenester“.

Obwohl ihre Hennen und Hahn „Nugget“ durchaus für einen ordentlichen Geräuschpegel sorgen können, hatte Simone Wagner nach eigener Aussage noch keine Probleme mit den Nachbarn. „Es ist unfassbar, wie viele Leute sich darüber freuen“, sagt sie. Ihr Mann Stefan und die beiden Kinder Moritz und Veronika durften jeweils ein Huhn taufen, öffnen morgens den Stall oder holen die Eier. „Die Kinder wissen dadurch auch gleich, dass die Eier nicht aus dem Supermarkt kommen“, sagt Vater Stefan.

Informiert hat sich Familie Wagner vorab im Internet. Neue Geflügelhaltungen müssen in Bayern bei drei Stellen angemeldet werden: dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Tierseuchenkasse und beim zuständigen Veterinäramt. Außerdem gilt für Hühner und Puten eine Impfpflicht gegen die Newcastle-Krankheit.

Vereine als Anlaufstelle

Die Herausforderungen bei der Haltung seien neuen Geflügelhaltern allerdings oft nicht bewusst, sagt Ute Hudler, stellvertretende Vorsitzende des Verbands Bayerischer Rassegeflügelzüchter. Dazu zählten nicht nur rechtliche Aspekte, sondern auch Fachwissen zu Stallbau, Fütterung, Auslauf, Lichtverhältnissen und die Wahl der richtigen Rasse. Hudler rät dazu, bei Fragen die Vereine vor Ort als erste Anlaufstelle aufzusuchen: „Es ist sehr wichtig, dass wir dieses Potenzial nutzen.“ Nach Angaben des Bundesverbandes gibt es rund 450 Kreisverbände und rund 4500 Vereine. Profitieren können die Geflügelzuchtvereine vom Hühner-Hype bisher aber nur begrenzt. Einige Hobbyhalter würden zwar Mitglieder, seien aber im Vereinsleben wenig aktiv, so Hudler.

Familie Wagner im Unterallgäu sieht sich auch ohne eine Vereinsmitgliedschaft gut für die Geflügelhaltung gerüstet. „Hund, Katzen und Hühner vertragen sich“, sagt Simone Wagner. „Wir haben es bisher keinen Tag bereut, uns die Tiere geholt zu haben.“ dpa-tmn

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