Mannheim. Für viele Menschen in der Neckarstadt war es ein Schock: Der Betreiber des Café Rost, Gianluca Fleckenstein, kündigte das Aus des beliebten veganen Cafés an. Die Kundinnen und Kunden wollten das nicht hinnehmen und gründen mit dem Verein Myzellium das Wandel.Rost – und zeigen, wie gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften für Läden in Mannheim funktionieren kann.
Der Impuls kam von einem Stammkunden des Café Rost
Denn das Rost ist nicht das einzige vegetarische oder vegane Restaurant, das in Mannheim schließen muss. Mit der Kombüse, dem Glück & Verstand und dem Café Lavandou kündigten gleich vier Läden an, zum Jahresende zu schließen. Doch für das Rost gibt es neue Hoffnung. „Ich habe - wie wir alle - mitbekommen, dass das Rost schließen soll und wollte mich damit nicht abfinden“, sagt Philipp Krechlak.
Er ist Stammkunde im Rost und kannte das Konzept des gemeinschaftsbasierten Wirtschaftens bereits von Priskas Unverpacktladen in Mannheim. Dort ist er Mitglied. „Ich finde es toll und dachte: Wenn das nicht im Rost funktioniert, wo dann?“
Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften: Wie das Zukunftsmodell funktioniert
Aber der Reihe nach: Was genau soll da nun funktionieren? Achtung, hier wird es ein bisschen knifflig. Denn gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften bricht mit ein paar Grundlagen dessen, wie wir heute Wirtschaft und Konsum gewohnt sind. Wie der Begriff schon sagt, steht die Gemeinschaft dabei im Vordergrund.
„Wir übertragen das Modell der solidarischen Landwirtschaft auf andere Bereiche“, erklärt Timo Wans vom Verein Myzelium das Konzept. „Das heißt, wir versuchen auf Basis von Mitgliedern und deren Konsum ein sicheres Geschäftsmodell aufzubauen, indem die monatlichen Betriebskosten gedeckt sind.“
Wie genau das aussieht, unterscheidet sich von Laden zu Laden und Projekt zu Projekt. Denn anders als in herkömmlichen Modellen, wo es einen Chef gibt, der sagt, wo es lang geht und die Verantwortung trägt, entscheidet die Gemeinschaft, wie genau das Modell aussieht. Wenn der Impuls nicht von den Inhaberinnen, sondern aus einer Gruppe von Menschen kommt, nennt sich das Verbrauchergründung. Ganz grob gesagt investieren Mitglieder Geld, Zeit und/oder ihre Fähigkeiten, um den Betrieb eines Ladens zu gewährleisten.
„Was das gemeinschaftsbasierte Wirtschaften ausmacht ist, dass man mit dem eigenen Konsum wirklich etwas verändern kann. Man sieht die Wirkung vor Ort“, fasst es Wans zusammen.
Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften im Café Rost
Diese Wirkung entfaltete sich auch im Café Rost. Der ehemalige Inhaber Fleckenstein stellte die Räume zur Verfügung für eine Infoveranstaltung des Vereins am 11. November unter dem Motto „Wir retten das Rost“. „Wir waren selbst überrascht, wie viele Menschen kamen“, sagt Angela Kahl aus dem Service-Team des Rost. „Dann hat Timo den Showmaster gemacht.“
Showmaster, das heißt, Timo Wans vom Verein erklärt, wie die mögliche Zukunft des Rost aussehen könnte – wenn sich genug Menschen finden, die an die Idee glauben und sie auch finanziell unterstützen wollen.
Ihr seid die Gemeinschaft. Wenn ihr wollt, dass der Laden weiter existiert, dann ist das möglich. Es ist einfach nur eine Entscheidung.
„Ihr seid die Gemeinschaft. Wenn ihr wollt, dass der Laden weiter existiert, dann ist das möglich. Es ist einfach nur eine Entscheidung“, erklärt Wans, worum es bei dem Abend ging. Er bittet die Interessierten wortwörtlich Stellung zu beziehen. Wer sich beteiligen möchte, soll sich rund um ein auf den Boden aufgeklebtes Viereck stellen – und Menschen stehen auf.
Dann geht es um Geld. Denn ganz ohne geht es im Kapitalismus eben nie. Um das Rost zu retten, muss die Miete für die Räume weiterfinanziert werden. 43 Menschen erklären sich dazu bereit, geben monatlich einen Beitrag zwischen 5 und 100 Euro, um die Mietkosten des Rost zu decken. „Es war überwältigend. Rund 50 Leute, die sich eigentlich nicht kennen, stellen zusammen so ein Projekt auf die Beine“, sagt Angela Kahl.
Das Wandel.Rost löst das Café Rost ab
Jetzt ist klar: Es kann weitergehen. Das Rost wird (zumindest vorläufig) gerettet. Wie es weitergeht, liegt nun in den Händen der Gemeinschaft. Die muss sich erstmal organisieren. Denn gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften will gelernt sein.
Dabei unterstützt der Verein Myzelium die Menschen, die das Rost retten wollen. So übernimmt zum Beispiel der Verein den Mietvertrag, der zunächst bis März läuft. In diesen drei Monaten gibt es weitere Treffen. Es gehe darum, die Gemeinschaft, die sich nun gebildet hat, wirklich als Gemeinschaft, die auf Dauer zusammenarbeitet, aufzubauen, so Wans. Das heißt auch: Das Projekt kann und soll sich mit jedem neuen Treffen und jedem Entwicklungsschritt verändern. Auch deshalb heißt das Café Rost jetzt „Wandel.Rost“
Geöffnet hat das Café im Moment deshalb auch nicht zu den regulären Öffnungszeiten, sondern nur zu speziellen Events wie einem veganen Spieleabend oder dem Wandel.Markt. Die Räume sollen auch genutzt werden, um das Projekt gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften voranzutreiben und sich dazu auszutauschen.
Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften ist in Mannheim nichts Neues
Denn das Wandel.Rost ist zwar die erste Verbrauchergründung, der Myzelium in Mannheim zur Seite steht, der Verein begleitet andere Läden in Mannheim aber schon länger. Das Myzelium arbeitet nämlich in zwei Strängen: verbraucherzentriert, wie jetzt im Café Rost, und unternehmerinnenzentriert.
Bei letzterem geht die Initiative nicht von der Kundschaft aus, sondern von den Inhaberinnen von Läden. Die bieten ihren Kundinnen und Kunden dann zum Beispiel an, monatlich einen festen Betrag zu bezahlen, um die Betriebskosten zu decken. Im Gegenzug erhalten sie Gutscheine für Waren. In Mannheim arbeiten bereits die beiden Unverpackt-Läden Priskas Unverpacktladen und Grünkern, außerdem das Kleidungsgeschäft Umgekrempelt sowie Waldwichtel auf diese Weise.
„Weltverbesserer-Läden“ nennt Timo Wans von Myzelium diese Läden, die alle ein alternatives Konzept vertreten. Überall, wo stark wertebasiert gearbeitet wird, sei es schwer am Markt zu existieren, so Wans. Die Menschen, die in diesen Läden einkaufen, hätten aber ein Interesse, dass sie weiterbestehen. Seit Oktober 2023 arbeitet Grünkern in Mannheim mit dem Konzept, die anderen Läden stoßen nach wenigen Wochen hinzu – und das Konzept geht auf.
Und wie geht es weiter?
„Unser Ziel ist eben auch, dass alle bestehenden Läden es schaffen, miteinander zu kooperieren“, sagt Wans von Myzelium. Gerade die beiden Unverpacktläden hätten schließlich auch in Konkurrenz zueinander gehen können. Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaften stellt aber die Zusammenarbeit von Menschen in den Vordergrund.
Wie ihr euch an der Rettung des Rost beteiligen könnt
Du willst auch auf veganes Schnitzel und Döner im Café Rost nicht verzichten und das neue Team unterstützen? Das geht über mehrere Wege:
- Im neu-gegründeten Wandel.Rost wird es weiter Infoveranstaltungen geben. Dort kannst du dich informieren und ggf. beteiligen.
- Über eine Fördermitgliedschaft im Verein Myzelium kannst du den Verein mit einem monatlichen Beitrag, den du selbst wählst, unterstützen. Damit wird zum Beispiel aktuell die Miete des Rost gedeckt.
Gerade in Mannheim habe das Konzept großes Potenzial. „Hier gibt es große Kulturprojekte, die sich fragen, wie sie sich finanzieren können“, sagt Wans. Die Gemeinschaft, die das Rost rettet, zeigt, wie das gelingen kann – und eröffnet buchstäblich Räume, in denen über eine alternative Form des Wirtschaftens diskutiert und gelebt werden kann.
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