Das Interview

Zwingenberger Schlossfestspiele: Intendant Roos im Interview

Im Interview spricht der Intendant der Zwingenberger Schlossfestspiele, Rainer Roos, über die Zukunft des Festivals und warum er das Konzept anpassen musste

Von 
Hans-Günter Fischer
Lesedauer: 
Intendant Rainer Roos beim Aufbau für die Freischütz-Proben. © Emília Horpácsi

Schon seit langem leitet Rainer Roos die Wiener Strauss Capelle, die den Sound der Walzer-Dynastie auf zahlreichen Tourneen um die ganze Welt rotieren lässt. Roos schwärmt von Südkorea, einem Land, wo Klassik-Dirigenten Popstars seien. Oder auch vom Opernhaus im brasilianischen Manaus, einst dem Urwald abgerungen. Nun aber sitzt Roos als Intendant auf der Terrasse von Schloss Zwingenberg im Neckartal. Mit einem Urwald kann die durchaus schöne Gegend leider nicht dienen, doch eine ziemlich echte Wolfsschlucht grenzt direkt ans Schloss. Kein Wunder, dass Webers „Der Freischütz“ hier jahrzehntelang die Festspiel-Attraktion war. Unten auf der Bühne wird bereits die neue Inszenierung einstudiert.

Herr Roos, nun gibt es also wieder einen Zwingenberger „Freischütz“. Doch in jedem Jahr kann man ihn nicht mehr aufführen. Weswegen?

Rainer Roos: 2016, bei der letzten Inszenierung, hatten wir auch eine Busladung aus Stuttgart mit im Publikum. Doch jetzt, als ich nach sieben Jahren wieder anfragte, hieß es: Den „Freischütz“ kennen wir, wir kommen wieder, wenn ihr eine neue Oper inszeniert. Wir brauchen also immer neue Reizpunkte. Karten für Musicals sind deutlich leichter zu verkaufen.

Dieser Trend hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wohl verstärkt …

Roos: Ja. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ich finde es auch schade, dass wir heutzutage jede Oper in der originalen Sprache auf die Bühne bringen müssen – weil es sonst nicht intellektuell und anspruchsvoll genug ist. Früher war es an den großen Häusern üblich, italienisches Musiktheater in sehr guten deutschen Fassungen herauszubringen. Carlos Kleiber, Wolfgang Windgassen oder Fritz Wunderlich haben sich in den großen Stuttgarter Theater-Zeiten auch daran beteiligt. Hier in Zwingenberg bekamen wir im letzten Jahr nach einer italienisch originalen „Tosca“ Rückmeldungen, dass die Leute nichts verstanden hätten.

Muss man sich da immer anpassen?

Roos: Nein. Aber in Zwingenberg hängen 60 Prozent der Einnahmen an dem Verkauf von Eintrittskarten. In der luxuriösen Lage eines hoch subventionierten öffentlichen Opernhauses sind wir nicht – wo man nur acht bis neun Prozent selbst stemmen muss. Der Rest sind Zuschüsse.

„Regietheater“ kann es ja in Zwingenberg schon wegen der Kulisse schwerlich geben, oder?

Roos: Um ein konkretes Beispiel anzuführen, was mir idealerweise vorschwebt: Was einst Wolfgang Wagner in Bayreuth gemacht hat, fand ich durchweg gut und stark. Ich selbst war 1996 bei den „Meistersingern“ mit dabei. Oder der Harry-Kupfer-„Ring“ und Heiner Müllers „Tristan“: Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Damals musste man neun Jahre auf eine Bayreuther Eintrittskarte warten. Heute gibt es sie noch an der Abendkasse.

Findet sich in der Region um Zwingenberg denn überhaupt ein angestammtes Opernpublikum?

Roos: Ja, durchaus. Etwa in Eberbach und Mosbach. Allerdings muss man auch feststellen: Das Publikum stirbt langsam weg, und es sind mehr Besucherinnen und Besucher, als dann wieder nachkommen. Die Frage ist also: Wie lange kann man hier die Oper halten? Ich will diesbezüglich alles tun, doch Fakt ist auch, dass wir für Musicals vier Mal so viele Karten wie für Opern absetzen. Die Musicals sind das Musiktheater unserer Epoche. Während die Oper und die Operette teilweise Museum sind.

Pro Spielzeit kann es neben einem Musical dann also höchstens eine Oper oder Operette geben?

Roos: Genau. Das Musical subventioniert bei uns die Oper. Hinsichtlich der Kosten liegen beide Gattungen gleichauf. Für Opern braucht man ein Orchester, dafür ist bei Musicals die Technik teurer – und wir müssen überdies Tantiemen zahlen. Doch der Musical-Besucher zahlt auch 20 Euro mehr für seine Eintrittskarte.

Sind denn auch die Künstler- Gagen höhere als früher?

Roos: Verglichen mit der Ära meines Vorgängers, haben wir sie verdreifacht. Was noch immer nicht bedeutet, dass die Leute viel bekommen. Aber positive Auswirkungen auf die Qualität hat es. Das soll freilich keinerlei Kritik an Karsten Huschke andeuten, der vor mir Zwingenberger Intendant war.

Welche Auslastung benötigen Sie bei den Bühnenproduktionen?

Roos: Bei Opern ist alles über 60 Prozent okay, über 70 gut und über 80 ausgezeichnet. So sieht’s aus. Das würden heutzutage wohl auch viele Opernhäuser unterstreichen.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen